Amtshaus Donaustadt vor dem Abriss: Nun wird Kritik laut
Zugegeben: Es gibt schönere Gebäude in Wien als das ehemalige Amtsgebäude am Schrödingerplatz im 22. Bezirk. Das Haus stammt aus den 1970er-Jahren, es ist ein schmuckloser Brutalismus-Betonbau mit braunen Fensterrahmen. Und es zieht im Winter, Dämmung gibt es keine.
Am 24. März lädt die Österreichische Gesellschaft für Architektur zu einem Rundgang durch das ehemalige Amtshaus in der Donaustadt. Anschließend gibt es eine Diskussion mit den Architekten Anja Fischer und Ernst Beneder, dem Ziviltechniker für Bauingenieurwesen Michael Höflinger und den beiden Autoren der Studie zu den Wiener Volkshochschulen Carina Sacher und Lukas Vejnik.
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50 Jahre war in dem Gebäude nicht nur die Bezirksvorstehung untergebracht, sondern auch das Standesamt, ein Jugendzentrum, die Volkshochschule. Ende vorigen Jahres ist die Bezirksvorstehung aus- und in ihre neue Bleibe eingezogen: ein acht-stöckiges Hochhaus im von den Bauträgern Signa und Are errichteten Gebäudekomplex „Vienna Twentytwo“ am Dr.-Adolf-Schärf-Platz. Dort, bei der U1-Station Kagran, will man „die neue Donaustadt“ entstehen lassen.
Die Bezirksvorstehung befindet sich nun im Vienna Twentytwo
Das alte Amtsgebäude am Schrödingerplatz wird die Stadt abreißen. Was „die Adaptierung auf heutige Standards“ – Stichwort Barrierefreiheit und Wärmedämmung – betrifft, entspreche der Baukörper „nicht den langfristigen Zielen für ein Entwicklungsgebiet in so zentraler Lage“, sagt ein Sprecher der MA 21 (Stadtteilplanung und Flächenwidmung) zum KURIER. Der Bau sei „in die Jahre gekommen und entspricht nicht mehr den heutigen Ansprüchen einer klimagerechten Stadtplanung.“ Zudem sei der Investitionsbedarf hoch, heißt es von der für das Gebäudemanagement zuständigen MA 34.
Roland-Rainer-Erbe
Allerdings: Schon im September des vorigen Jahres sprach sich die Initiative „Bauten in Not“ gegen den bevorstehenden Abriss aus. Nicht nur stehe der Komplex im Erbe der städteplanerischen Ideen des Architekten Roland Rainer, sondern biete eine unglaubliche Anpassbarkeit, sagt Stadtplaner und Architekturhistoriker Norbert Mayr. „Das Amtshaus ist ein extrem flexibles Gebäude. Es hat nur wenige statische Elemente, was bedeutet, dass man die Wände im Inneren so platzieren kann, wie man möchte.“ Das ermögliche eine vielfältige Nutzung.
Für die Volkshochschulen ist das Gebäude ein Unikat, sagen Carina Sacher und Lukas Vejnik, die derzeit an einem Forschungsprojekt zu den Wiener Volkshochulen arbeiten.
Die Volkshochschule befindet sich ebenfalls in dem Gebäude
Der Innenhof wird von der Volkshochschule mitgenutzt
Ganz ähnlich sieht das auch ein Architekten-Duo, das mit solchen Gebäuden Erfahrung hat: „Betonbauten galten lange Zeit als unsanierbar. Die Technologie ist mittlerweile aber so weit, dass man diese Bauten innen mit Recyclingplatten aus Schaumglas dämmen kann“, sagt Anja Fischer vom Studio Beneder und Fischer. Eine Sanierung rentiere sich sowohl finanziell als auch energiespartechnisch.
Dass es funktionieren kann, hat das Duo bei der Generalsanierung des Rathauses in Prinzersdorf in Niederösterreich gezeigt. „Mittlerweile haben wir dort Energieeinsparungen von 40 Prozent. Und wir rechnen mit noch mehr.“
Bezirkszentrum
Zwischen 1972 und 1973 wurde das Gebäude am Schrödingerplatz eröffnet. Nun soll dort ein neuer Stadtteil mit leistbarem Wohnraum entstehen
Roland Rainer
Das ehemalige Bezirkszentrum geht auf das Planungskonzept des Architekten Roland Rainer zurück. Er war es auch, der das ORF-Zentrum am Küniglberg entwarf
Brutalismus
Der Brutalismus ist ein Baustil, der seit den 50er-Jahren Verwendung findet. Der Stil ist geprägt von der Verwendung von Sichtbeton und simplen geometrischen Formen. In manchen Ländern stehen brutalistische Bauten unter Denkmalschutz
32 Meter
hoch ist der achtstöckige Würfel im Vienna Twentytwo, in den die Bezirksvorstehung Donaustadt nun gezogen ist
Eine ähnliche Vorgehensweise sei auch für das Amtshaus am Schrödingerplatz denkbar. Man dürfe sich nicht von der abgenutzten Oberfläche täuschen lassen: „Wenn man das Gebäude durchbürsten würde, käme eine Frische zutage, die man in Kagran überhaupt erst einmal suchen müsste“, sagt Fischer. Die Energiebilanz sei eindeutig: „Ein Neubau könnte gar nicht so viel Energie einsparen, wie es für den Abriss des bestehenden Gebäudes und den Wiederaufbau benötigt“, sagt Beneder. Darüber sei sich die Fachwelt längst einig: „Die Nachnutzung von bestehenden Strukturen ist das Nachhaltigste. Nur in der Politik ist das noch nicht angekommen.“
"Klimafit und sozial"
Die Politik, in dem Fall das Ressort von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ), will am Schrödingerplatz einen „klimafitten Stadtteil“ bauen. Mit „leistbarem Wohnraum und vielen Begegnungen“, wie es heißt. Auf Nachfrage konkretisiert man: Sozial- und Kultureinrichtungen, eine Bücherei, ein Jugendzentrum und ein Veranstaltungssaal, Grünraum mit schattenspendenden Bäumen und Beeten. Die Stadt spricht von einem „bestmöglicher Nutzungsmix in angemessener Höhe und Dichte“. Noch heuer will man mit der Umwidmung beginnen.
Die Wiener Amtshäuser in den Bezirken könnten unterschiedlicher nicht sein. Manche sind Prunkgebäude mit spitzen Türmen, andere sind funktionale Plattenbauten.
Die Geschichte des Amtshauses Hietzing etwa reicht zurück bis ins Jahr 1914. Das Original ist aber nicht erhalten geblieben: Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zerbombt und erst 1978 nach dem Wiederaufbau neu eröffnet. Mit seinem Turm gehört es aber wohl auch heute noch zu den schönsten Amtshäusern Wiens.
Mit dem Krieg verbunden ist auch die Geschichte des Amtshauses auf der Wieden. Das Gebäude am aktuellen Standort in der Favoritenstraße wurde erst in den 1960er-Jahren eröffnet, nachdem das ursprüngliche in Kleinschmidgasse zerstört wurde. Zu den Schmuckstücken der Stadt gehört es wohl nicht, seinen Zweck erfüllt es dennoch.
Das Amtshaus Floridsdorf dagegen war immer schon am gleichen Standort: Am Spitz 1. Zuerst als Gasthaus mit Gemeindeamt, dann wurde es zum Rathaus der Großgemeinde Floridsdorf umgebaut und schlussendlich Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Eingemeindung Floridsdorfs zum Amtshaus des 21. Bezirks ernannt. Seinen Uhrturm hat es verloren, von seinem Charme aber nichts eingebüßt.
Charmant auf seine eigene Weise ist auch das Amtshaus in Favoriten. Das rot-braune Ziegelgebäude wurde 1883 eröffnet und nach der Beschädigung im Krieg wiedererbaut.
Die Bezirksvorstehung ist befristet im Vienna Twentytwo eingemietet. Wie hoch die Miete ist, will man aus Datenschutzgründen nicht sagen. Von der amtssachverständigen Dienststelle der Stadt sei sie als „angemessen“ bewertet worden, heißt es zum KURIER.
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