Am Baum und auf der Telefonzelle: Vom Suchen und Finden der E-Scooter
Weißer Helm, gelbe Weste, rotes Fahrrad: Daran erkennt man, dass Samsoor Jabarkhel – der Scooter-Sheriff des 1. Bezirks – wieder unterwegs ist. Um sechs Uhr morgens ortet er zum ersten Mal per App die geparkten Leih-Roller in der Inneren Stadt und macht sich auf den Weg, um falsch abgestellte Modelle in Reih und Glied zu bringen.
Pro Stunde zehn Roller
Im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Wiener Wirtschaftskammer ist der Ordner des Anbieters Lime bereits seit einem Monat auf Streife. Dienstag, Donnerstag und Samstag fährt er jeweils zwei Runden um den Ring und kontrolliert die Straßen. Pro Stunde sammelt er etwa zehn herumliegende oder nicht korrekt geparkte Lime-Roller ein.
Leih-Scooter dürfen laut den Regeln der Stadt nur auf mindestens vier Meter breiten Gehsteigen geparkt werden – und das auch nur parallel zum Rand. In Fußgängerzonen, rund um gewisse Bauten mit kultureller Bedeutung (wie der Oper) und in öffentlichen Grünanlagen gibt es ein Parkverbot – mit Ausnahme von Fahrradständern, die dort genutzt werden dürfen.
Noch Luft nach oben
Manchmal kommen dem Sheriff Passanten zuvor. Sie können sich über die Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt mit einem Beweisfoto beschweren. Lime verzeichnet zwischen einer und 20 Beschwerden pro Tag, die dem Anbieter von der Stadt gemeldet werden.
Auch der Bezirksvorsteher ist mit der Scooter-Situation im Stadtzentrum noch nicht ganz zufrieden. „Die Utopie wäre ein einheitliches System, dem sich alle Betriebe unterordnen“, heißt es aus dem Büro von Markus Figl (ÖVP). Man wünsche sich eigene Scooter-Parkplätze und Verordnungen der Stadt, die für alle Anbieter Zonen definieren, in denen beispielsweise die Geschwindigkeit der Scooter über ein GPS-Signal automatisch gedrosselt wird.
1.500 Scooter darf ein Verleiher in Wien maximal vermieten. Die Betreiber müssen der Stadt täglich bis 7 Uhr melden, wo sie wie viele Scooter aufstellen.
Pro Betreiber darf maximal ein Drittel der Scooter in den Bezirken 1 bis 9 und 20 positioniert werden. In den Bezirken außerhalb des Gürtels muss mindestens ein Drittel aufgestellt werden.
6.372 E-Roller sind derzeit insgesamt in der Stadt stationiert. Diese fünf Betreiber gibt es in Wien: Link, Kiwi Ride, Bird, Tier und Lime.
Skurrile Orte
Zumindest bei Lime gibt es eine derartige Zone bereits: Nähert sich ein Lime-Scooter dem Stephansplatz, wird er plötzlich langsamer und schaltet sich in der Fußgängerzone schließlich ganz aus. Auch für den Scooter-Sheriff heißt es dort schieben: „Wenn es heiß ist, kann es schon sehr anstrengend werden“, sagt Jabarkhel. Anstrengung verursachen auch die skurrilen Orte, die sich Scooter-Fahrer zum Abstellen einfallen lassen. Er erzählt von Rollern, die er von einer Telefonzelle oder von einem Baum geholt hat oder aus dem Donaukanal fischen musste.
Der Scooter-Sheriff ist ein Pilotprojekt, das bis Ende Juli angesetzt ist. Danach könnte laut Lime ein weiterer Ordner hinzukommen, denn das System funktioniere gut. Arbeit dürfte es für Jabarkhels künftige Verstärkung noch ausreichend geben: Falsch abgestellte Roller sehe man noch genug – das sei leider die Realität, sagt Dieter Steup, Obmann der Wirtschaftskammer im 1. Bezirk. „Wir wollen keine Armada an Sheriffs in der Stadt, aber eine gewisse Ordnung sollte sein.“
Verstärkung in Sicht
Steup hatte sich für die Kooperation mit Lime eingesetzt, um das Roller-Chaos in den Griff zu bekommen – und freut sich über erste Erfolge: „Das Positive daran ist, dass sich seitdem noch ein zweiter Anbieter für Ordner entschieden hat“, sagt er.
Gemeint ist der Anbieter Tier mit seinen schwarz-grünen Scootern. Er stellt bald Mitarbeiter ab, die ebenfalls als eine Art Sheriff fungieren sollen. In den nächsten zwei Wochen wird für die inneren Bezirke eine eigene „Street Patrol“ eingerichtet, die täglich in mehreren Schichten die neuralgischen Orte befährt und Ordnung in die geparkten Scooter bringen soll. Einer dieser Orte ist die „Golden Line“, sagt ein Sprecher von Tier. „Vom Westbahnhof über die Mariahilfer Straße bis in den 1. Bezirk sind wir vermehrt im Einsatz. Aber unsere Fahrer verteilen sich über ganz Wien.“ Die Sheriffs sollen auffällig gekleidet sein und auch Kunden-Fragen beantworten.
So sieht man sie in Zukunft vielleicht sogar öfter – die bunt gekleideten Sheriffs, die für stolperfallenfreie Gehsteige sorgen.
Kommentare