Pride-Monat in Wien: Schmusen für die Toleranz

Pride-Monat in Wien: Schmusen für die Toleranz
Der Juni gilt weltweit als Monat der Toleranz. In Wien prägen ab sofort Fotos von einander küssenden, gleichgeschlechtlichen Paaren in Straßenbahnen, Haltestellen und auf Plakatwänden das Stadtbild.

Zwei, drei Leute stehen vor dem Haus, rauchen eine Zigarette, trinken einen Spritzwein. Ein Auto fährt vorbei, wird langsamer, der Fahrer kurbelt das Fenster hinunter und schreit: „Schwuchteln“.

Vorfälle wie dieser vor dem Vereinslokal der Homosexuellen Initiative (Hosi) in der Heumühlgasse im 4. Bezirk häufen sich. Und man muss sagen: wieder. Zuletzt wurden verbale Attacken gegen Menschen der LGBTIQ-Community (steht für lesbisch, schwul, bi, transgender, intersexuell, queer, Anm.) häufiger, sagt Ann-Sophie Otte, Vorsitzende der Hosi.

Damit zu tun habe vor allem die Corona-Pandemie. „Es scheint, manche können ihren Frust nicht anders rauslassen“. Die Lockdowns, sagt Otte, hätten dazu geführt, dass die Hemmungen wieder fallen.

Dass die Stadt nun, unmittelbar vor Beginn des Pride-Monats Juni, erstmals eine große Kampagne für mehr Toleranz fährt, hält sie daher für gut – und wichtig.

Schmusen für Toleranz

„Lebe deine Liebe“ lautet das Motto der Kampagne, die Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) am Montag gemeinsam mit Nicole Berger-Krotsch, LGBTIQ-Sprecherin der SPÖ, und Wolfgang Wilhelm, Leiter der Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten (Wast) vorstellte.

Es sind Fotos von schmusenden, gleichgeschlechtlichen Paaren (echte, keine Models), die von nun an auf den Straßenbahnlinien D, 1, 2, 5, 6, 11, 18, 25, 26, 31, 38, 40, 41, 43, 49 und 60 zu sehen sein werden; ebenso in Straßenbahn-Haltestellen, wie auf Plakatwänden bei den Stadteinfahrten, vor dem Rathaus oder auf digitalen Werbe-Bildschirmen in der Stadt.

„Es geht darum, die Vielfalt, die wir in Wien haben, zu feiern. Aber nicht nur“, sagt Wiederkehr. Neben der großen Pride-Parade, die heuer am 11. Juni stattfindet, gehe es auch darum, Informationen über Beratungsstellen und Unterstützungsleistungen für LGBTIQ-Personen zur Verfügung zu stellen.

Denn noch immer können sich homosexuelle, bi-, trans- oder intersexuelle Menschen im öffentlichen Raum nicht völlig frei bewegen: 60 Prozent der gleichgeschlechtlichen Paare trauen sich nicht, in der Öffentlichkeit Hand in Hand zu gehen – aus Angst vor verbalen oder gewalttätigen Angriffen. 18 Prozent der Transgender-Paare haben verbale oder körperliche Gewalt erlebt. Das geht aus einer 2020 durchgeführten Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hervor.

Die bis dato aktuellste Studie aus Wien zu dem Thema stammt aus dem Jahr 2015: 79 Prozent der Befragten gaben damals an, schon einmal im öffentlichen Raum beschimpft worden zu sein, 48 Prozent waren damals am Arbeitsplatz nicht geoutet, 14 Prozent haben sich in den 12 Monaten vor der Befragung im Job diskriminiert gefühlt oder wurden gemobbt beziehungsweise belästigt.

Fahne aus Solidarität

Dass die Stadt Parkbänke in den Regenbogenfarben besprüht und nun im Rathauspark aufgestellt hat, dass die Bezirke Zebrastreifen in den Regenbogenfarben streichen lassen und auf dem Rathaus (am 1. Juni um 9.30 Uhr), auf der Bildungsdirektion (um 12.30 Uhr) Regenbogenflaggen gehisst werden, mag für Nicht-Betroffene nach Folklore aussehen, für Betroffene sind es wichtige Zeichen der Toleranz – und Solidarität. „Solche Interventionen im öffentlichen Raum zwingen auch Menschen, die dieses Thema sonst ignorieren dazu, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt Otte.

Dass die Stadt hier – wortwörtlich – Flagge zeigt und sich „bemühe“, lobt Ann-Sophie Otte, aber: „Was eine Stadt ausmacht, ist ihre Bevölkerung“, sagt sie. Nur wenn sie tolerant ist, können sich LGBTIQ-Personen auch wohlfühlen.

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