Verzweifelter Appell an die Entführer
Nachdem der im Jemen entführte Wiener Sprachstudent Dominik Neubauer in einem YouToube-Video Forderungen seiner Entführer verlesen hatte, antwortet nun seine Familie auf dem selben Kanal. In einem Video flehen die sichtlich verzweifelten Angehörigen die Entführer um die rasche Freilassung ihres Sohnes an.
Der Leiter der Presseabteilung des Außenministeriums in Wien, Martin Weiss, hat bekräftigt, dass Österreich kein Lösegeld zahlen werde. "Die Linie der Republik ist klar: Die Republik lässt sich nicht erpressen und die Republik zahlt auch kein Lösegeld", sagte Weiss in der ZIB 24 des ORF-Fernsehens in der Nacht auf Donnerstag. Ziel sei es, die Geisel rasch und gesund nach Österreich zurückbringen. Man habe "Hoffnung", dass die in einem Video genannte Sieben-Tage-Frist zur Zahlung von Lösegeld keine "ganz harte" Frist war und von den Geiselnehmern vielleicht verlängert werden könnte
Der 26-jährige Dominik Neubauer wurde am 21. Dezember gemeinsam mit einem Pärchen aus Finnland aus einem Elektronikgeschäft von Bewaffneten mitten in der Hauptstadt Sanaa verschleppt. Als erstes Lebenszeichen platzierten die Entführer vergangene Woche ein Video auf der Internetplattform YouTube.
Tränen
Diese Frist endet am Donnerstag. Allerdings liegen noch keine konkreten Forderungen der Entführer vor, die man erfüllen könnte. Zumindest nicht bei der österreichischen Bundesregierung.
Die Machart des Erpresservideos ist für die Behörden ein Indiz dafür, dass die Entführer das Internet intensiv nutzen. Daher wurde nun der selbe Weg für eine Antwort gewählt.
Es ist eine erschütterndes Video, das die Dramatik der Tragödie spürbar werden lässt. Vater und Mutter verlesen Erklärungen auf Englisch und auf Deutsch, der kleine Bruder sitzt daneben. Alle kämpfen mit den Tränen – insbesondere die Mutter. Sie ist verschleiert. Man will die vermutlich radikal-muslimischen Entführer nicht provozieren.
Dank an Großscheich
Der Vater bedankt sich im Video insbesondere bei Großscheich Ahmed al-Tayyeb von Al-Azhar in Kairo. Er ist die bedeutendste sunnitische Autorität des sunnitischen Islam, und hat Dienstag die Entführung als „Verbrechen“ verurteilt und die Freilassung gefordert. Der Vater bedankt sich ebenso bei der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich IGGiÖ, die durch die Tat grundlegende islamische Prinzipien verletzt sieht.
Besonders emotional sind die Ausführungen der Mutter. „Er ist mir ein unendlich guter Sohn, dem die Familie wichtig ist.“ Ganz besonders hebt die Mutter die Liebe des Entführten zum Jemen hervor: „Er achtet die Kultur Jemens und die arabische Sprache.“
In den Fall hat sich nun auch EU-„Außenministerin“ Catherine Ashton eingeschaltet. Die EU ist der größte Geldgeber im Jemen. Dominik Neubauer hielt sich in Sanaa nicht nur als Sprachstudent auf, sondern werkte auch als freier Mitarbeiter bei einem EU-Projekt. Ashton führte am Dienstag in dieser Angelegenheit ein persönliches Telefongespräch mit dem jemenitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi.
Das sagt die Familie des Entführten.
Der Vater: „Im Namen der engsten Familie Dominiks, die mich hier umgibt, bitte ich eindringlich um eine rasche und unversehrte Freilassung meines Sohnes. Er fehlt mir und der ganzen Familie. Bitte zeigen Sie Großmut und geben Sie ihn uns zurück.“
„Ich bedanke mich bei dem Großscheich Ahmed al-Tayyeb von Al-Azhar für seinen Appell, die junge und unschuldige Geisel, die unter dem Schutz der muslimischen Gesellschaft im Jemen stand, ehest und in Sicherheit freizulassen.“
„ Auch den solidarischen Aufruf der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, die die Entführung und Todesdrohungen verurteilt, habe ich dankbar aufgenommen.“
„Lieber Dominik, wenn Du dieses Video siehst, sei Dir sicher, dass wir ständig an Dich denken, Dich lieben und alles für Dich tun wollen, um Dir zu helfen.“
Die Mutter: „Ich flehe die Entführer als Mutter an, meinen geliebten Sohn Dominik freizulassen.“
„Er achtet die Kultur Jemens und die arabische Sprache.“
„Er ist mir ein unendlich guter Sohn, dem die Familie wichtig ist.“
„Sein jüngerer Bruder Lukas, sein Großvater, der 100 Jahre alt wird, seine Großmutter, sein Vater und ich, wir sind verzweifelt und krank vor Ungewissheit. Ich flehe Sie an, meinen Sohn meiner Familie wiederzugeben.“
„Dominik, wir lieben Dich unendlich.“
In politisch brisanten Regionen der Welt kommt es immer wieder zu Entführungen westlicher Touristen, Geschäftsleuten und Journalisten. Im Folgenden ein Überblick über Ereignisse der vergangenen Jahre, in die Österreicher involviert waren.
27. Februar 1998
Nach fast zwei Wochen in der Gewalt von Geiselnehmern im westafrikanischen Sierra Leone kommen fünf europäische Missionare, unter ihnen der Vorarlberger Arzt Andreas Erhard (36), wieder frei. Die Entwicklungshelfer des Ordens der Barmherzigen Brüder waren am 14. Februar aus ihrem Spital in Lusar verschleppt worden. Die Entführung ereignete sich zwei Tage nach dem Sturz der Militärjunta.
23. April 2001
Eine Geiselnahme pro-tschetschenischer Rebellen in einem Istanbuler Luxushotel geht noch am gleichen Tag ohne Blutvergießen zu Ende. Die bewaffneten Kidnapper lassen die 120 Menschen in ihrer Gewalt - unter ihnen auch bis zu acht Österreicher - nach fast zwölf Stunden frei und ergeben sich der Polizei.
13. Mai 2003
Alle zehn in der algerischen Sahara entführten Österreicher werden nach fast zwei Monaten aus der Hand ihrer Geiselnehmer - der Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) - befreit und kehren nach Österreich zurück. Gemeinsam mit den acht Salzburgern und zwei Tirolern kommen sechs Deutsche und ein Schwede frei. Damit befinden sich noch 15 der ursprünglich insgesamt 32 entführten Europäer in der Gewalt von Geiselnehmern. Bei ihnen handelt es sich um zehn weitere Deutsche, vier Schweizer und einen Niederländer. Sie kommen Mitte August 2003 frei, eine deutsche Geisel überlebt die Strapazen nicht.
13. Juli 2005
Ein im Gaza-Streifen entführter Österreicher und ein Brite werden nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Der Steirer Volker Mitterhammer, der für eine Tiroler Firma als Ingenieur für Wasseraufbereitungsanlagen arbeitet, war gemeinsam mit seinem britischen Kollegen von zwei Personen in ein Auto gezerrt und in das Flüchtlingslage Al Bureij gebracht worden. Beide Männer werden freigelassen, nachdem hohe palästinensische Offizielle einschreiten.
24. Dezember 2005
Während einer ganzen Serie von Einführungen von Ausländern im Jemen geraten auch die beiden österreichischen Architekten Barbara Meisterhofer (31) und Peter Schurz (52) in die Hände von Geiselnehmern. Nach wenigen Tagen kommen sie nach Verhandlungen zwischen Stammesführern und der Zentralregierung in Sanaa am 24. Dezember unversehrt wieder frei.
4. April 2006
Die Leichen der seit Jänner 2006 vermissten österreichischen Touristen Peter Kirsten Rabitsch (28) und Katharina Koller (25) werden in der bolivianischen Hauptstadt La Paz gefunden. Sie waren von Kriminellen entführt, ausgeraubt und ermordet worden. Das auf Weltreise befindliche Wiener Paar war von der bolivianischen Stadt Copacabana am Titicacaca-See kommend, am 26. Jänner in La Paz verschwunden. Im August 2006 werden die mutmaßlichen Mörder gefasst und ein Jahr später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
16. November 2006
Der 25-jährige Oberösterreicher Bert Nussbaumer wird gemeinsam mit vier US-Bürgern und neun ortsansässigen Mitarbeitern der US-Sicherheitsfirma Crescent Security im Irak entführt. Nach ersten Video-Botschaften, die die Entführer den Behörden bzw. Medien zuspielen, gab es monatelang kein Lebenszeichen der Geiseln mehr. Im März 2008 werden mehrere Leichen im Irak gefunden. Eine davon wird in den USA als Bert Nussbaumer identifiziert.
Februar 2008
Zwei Touristen aus Österreich - die Halleiner Wolfgang Ebner (51) und Andrea Kloiber (43) - werden im tunesisch-algerischen Grenzgebiet gekidnappt und in den Norden Malis verschleppt. Die beiden Österreicher befinden sich 252 Tage lang in Geiselhaft des nordafrikanischen Zweigs des internationalen Terrornetzwerks El-Kaida "El-Kaida im islamischen Maghreb" (AQMI). Nach langen Verhandlungen gibt das Außenministerium in Wien Ende Oktober ihre Freilassung bekannt.
Jänner 2012
Bei einem Überfall auf europäische Touristen im Nordosten Äthiopiens werden fünf Menschen getötet. Bei einem Opfer handelt es sich um einen Österreicher. Bei den Tätern soll es sich der Landesregierung zufolge um von der eritreischen Regierung ausgebildete Banditen gehandelt haben. Eritreische Diplomaten weisen diese Vorwürfe zurück.
21. Dezember 2012
Ein 26-Jähriger, der vermutlich einen Sprachkurs im Jemen gemacht hat, wird in der Hauptstadt Sanaa - gemeinsam mit einem finnischen Paar - entführt. Sie wurden laut Medienangaben von vier bewaffneten Männern in ein Auto gezerrt und verschleppt.
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