Geisel fleht in Video um ihr Leben

Geisel fleht in Video um ihr Leben
Wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, soll der Wiener in wenigen Tagen sterben. Der Krisenstab des Außenministeriums tagt.

Zwei Monate nach der Entführung des 26-jährigen Dominik N. am 21. Dezember im Jemen ist auf YouTube ein Drohvideo aufgetaucht. Darin ist zu sehen, wie der Wiener Student unter Tränen die Lösegeldforderung seiner Entführer formuliert, während ein Gewehrlauf auf seinen Kopf gerichtet ist.

Adressaten der Botschaft sind die jemenitische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Union. Würden die Geldforderungen der Kidnapper nicht erfüllt, werde er sieben Tage nach dem Erscheinen des Videos erschossen. Das Außenamt bestätigte in einer ersten Stellungnahme die Echtheit des Drohvideos.

Krisenstab tagt

Bereits am Samstag hatte ein Krisenstab im Außenministerium mehrere Stunden lang getagt, die Beratungen gingen auch am Sonntag weiter. Bei der Sitzung am Minoritenplatz waren auch Vertreter des Innen- und Verteidigungsministeriums sowie des Bundeskanzleramts zugegen. Ein geplantes Pressestatement nach dem Treffen wurde kurzfristig wieder abgesagt. Die Lösegeldforderung und das Ultimatum in dem Video seien "sehr unkonkret" und müssten geprüft werden, sagte Außenamts-Sprecher Martin Weiss am Sonntag. Weitere Details wolle und könne man derzeit nicht nennen.

Nach Bekanntwerden des Videos war bereits am Samstag der zuständige österreichische Botschafter in Saudi-Arabien, Gregor Kössler, mit dem jemenitischen Außenminister Abu Bakr al-Kirbi zusammengetroffen, wie das Außenministerium in Wien bestätigte. Die Regierung in Sanaa versicherte demnach, dass man keine Mühen scheue, die Geisel unversehrt freizubekommen.

Wie berichtet, waren Dominik N. und ein finnisches Pärchen am 21. Dezember am Tahrir-Platz in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa entführt worden. Sie besuchten einen Sprachkurs. Bewaffnete Männer sprangen aus einem Auto und zerrten die drei Europäer in den Wagen.

Videobotschaft

Bereits 21. Februar tauchte in einer Videobotschaft das erste Lebenszeichen des Wiener Studenten auf: „Mein Name ist Dominik N. Ich wurde am 21. Dezember 2012 von einem jemenitischen Stamm als Geisel genommen. Sie wollen Lösegeld. Ich appelliere an die jemenitische Regierung, die österreichische Bundesregierung, die Europäische Union und alle anderen Staaten, ihre Forderungen zu erfüllen. Andernfalls werden sie mich sieben Tage nach Veröffentlichung dieses Videos töten.“

Außenamt bestätigt Echtheit

Unter Tränen wandte sich der 26-Jährige an seine Familie: „Mama, Papa, Lukas, Angela. Ich liebe euch alle. Ich bin bis jetzt bei guter Gesundheit“, sagte N. mit zittriger Stimme. Laut Außenamtssprecher Martin Weiss ist das Video authentisch. So dramatisch der Inhalt des Videos auch ist, „es ist der erste Beweis, dass der Wiener am Leben und gesund ist“. Am Samstag tagte der Krisenstab des Außenamts, um mit der Familie die weitere Vorgehensweise zu besprechen. „Wir versuchen mit Nachdruck, den Wiener lebend nach Österreich zu holen“, sagt Weiss. Bisher bestätigten die österreichischen Behörden nicht, dass Lösegeldforderungen eingingen.

In politisch brisanten Regionen der Welt kommt es immer wieder zu Entführungen westlicher Touristen, Geschäftsleuten und Journalisten. Im Folgenden ein Überblick über Ereignisse der vergangenen Jahre, in die Österreicher involviert waren.

27. Februar 1998
Nach fast zwei Wochen in der Gewalt von Geiselnehmern im westafrikanischen Sierra Leone kommen fünf europäische Missionare, unter ihnen der Vorarlberger Arzt Andreas Erhard (36), wieder frei. Die Entwicklungshelfer des Ordens der Barmherzigen Brüder waren am 14. Februar aus ihrem Spital in Lusar verschleppt worden. Die Entführung ereignete sich zwei Tage nach dem Sturz der Militärjunta.

23. April 2001
Eine Geiselnahme pro-tschetschenischer Rebellen in einem Istanbuler Luxushotel geht noch am gleichen Tag ohne Blutvergießen zu Ende. Die bewaffneten Kidnapper lassen die 120 Menschen in ihrer Gewalt - unter ihnen auch bis zu acht Österreicher - nach fast zwölf Stunden frei und ergeben sich der Polizei.

13. Mai 2003
Alle zehn in der algerischen Sahara entführten Österreicher werden nach fast zwei Monaten aus der Hand ihrer Geiselnehmer - der Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) - befreit und kehren nach Österreich zurück. Gemeinsam mit den acht Salzburgern und zwei Tirolern kommen sechs Deutsche und ein Schwede frei. Damit befinden sich noch 15 der ursprünglich insgesamt 32 entführten Europäer in der Gewalt von Geiselnehmern. Bei ihnen handelt es sich um zehn weitere Deutsche, vier Schweizer und einen Niederländer. Sie kommen Mitte August 2003 frei, eine deutsche Geisel überlebt die Strapazen nicht.

13. Juli 2005
Ein im Gaza-Streifen entführter Österreicher und ein Brite werden nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Der Steirer Volker Mitterhammer, der für eine Tiroler Firma als Ingenieur für Wasseraufbereitungsanlagen arbeitet, war gemeinsam mit seinem britischen Kollegen von zwei Personen in ein Auto gezerrt und in das Flüchtlingslage Al Bureij gebracht worden. Beide Männer werden freigelassen, nachdem hohe palästinensische Offizielle einschreiten.

24. Dezember 2005
Während einer ganzen Serie von Einführungen von Ausländern im Jemen geraten auch die beiden österreichischen Architekten Barbara Meisterhofer (31) und Peter Schurz (52) in die Hände von Geiselnehmern. Nach wenigen Tagen kommen sie nach Verhandlungen zwischen Stammesführern und der Zentralregierung in Sanaa am 24. Dezember unversehrt wieder frei.

4. April 2006
Die Leichen der seit Jänner 2006 vermissten österreichischen Touristen Peter Kirsten Rabitsch (28) und Katharina Koller (25) werden in der bolivianischen Hauptstadt La Paz gefunden. Sie waren von Kriminellen entführt, ausgeraubt und ermordet worden. Das auf Weltreise befindliche Wiener Paar war von der bolivianischen Stadt Copacabana am Titicacaca-See kommend, am 26. Jänner in La Paz verschwunden. Im August 2006 werden die mutmaßlichen Mörder gefasst und ein Jahr später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

16. November 2006
Der 25-jährige Oberösterreicher Bert Nussbaumer wird gemeinsam mit vier US-Bürgern und neun ortsansässigen Mitarbeitern der US-Sicherheitsfirma Crescent Security im Irak entführt. Nach ersten Video-Botschaften, die die Entführer den Behörden bzw. Medien zuspielen, gab es monatelang kein Lebenszeichen der Geiseln mehr. Im März 2008 werden mehrere Leichen im Irak gefunden. Eine davon wird in den USA als Bert Nussbaumer identifiziert.

Februar 2008
Zwei Touristen aus Österreich - die Halleiner Wolfgang Ebner (51) und Andrea Kloiber (43) - werden im tunesisch-algerischen Grenzgebiet gekidnappt und in den Norden Malis verschleppt. Die beiden Österreicher befinden sich 252 Tage lang in Geiselhaft des nordafrikanischen Zweigs des internationalen Terrornetzwerks El-Kaida "El-Kaida im islamischen Maghreb" (AQMI). Nach langen Verhandlungen gibt das Außenministerium in Wien Ende Oktober ihre Freilassung bekannt.

Jänner 2012
Bei einem Überfall auf europäische Touristen im Nordosten Äthiopiens werden fünf Menschen getötet. Bei einem Opfer handelt es sich um einen Österreicher. Bei den Tätern soll es sich der Landesregierung zufolge um von der eritreischen Regierung ausgebildete Banditen gehandelt haben. Eritreische Diplomaten weisen diese Vorwürfe zurück.

21. Dezember 2012
Ein 26-Jähriger, der vermutlich einen Sprachkurs im Jemen gemacht hat, wird in der Hauptstadt Sanaa - gemeinsam mit einem finnischen Paar - entführt. Sie wurden laut Medienangaben von vier bewaffneten Männern in ein Auto gezerrt und verschleppt.

Der Jemen gilt als das Armenhaus Arabiens. Die schwache Zentralregierung hat große Probleme, die Staatsgewalt gegen traditionelle Stammesstrukturen durchzusetzen. Clan-Führer ließen bereits mehrfach Ausländer entführen, um Forderungen an die Behörden durchzusetzen. Dazu kommt ein gewaltiges Terrorproblem.

Das Land bleibt auch nach der Vereinigung von Nord- und Südjemen im Jahr 1990 politisch gespalten. Der Süden fühlt sich von der Zentralregierung benachteiligt. Eine Separatistenbewegung kämpft seit Jahren für die Abspaltung.

El-Kaida nutzt das von Bergen und Wüsten geprägte Land als Rückzugsgebiet mit Ausbildungslagern. Islamisten aus dem Jemen und Saudi-Arabien gründeten 2008 zudem die "El-Kaida auf der Arabischen Halbinsel", die zwischenzeitlich erhebliche Gebiete des Landes eroberte.

Der Arabische Frühling hat im Jemen zu keinem echten Regimewechsel geführt. Der Präsident Ali Abdullah Saleh, der das Land seit 1978 beherrschte, musste nach Unruhen und einem Anschlag auf sein Leben sein Amt seinem Stellvertreter überlassen.

Im Vergleich zum großen Nachbarn Saudi-Arabien sind Wirtschaft und Infrastruktur schwach entwickelt. Der Konsum der Volksdroge Kat beeinträchtigt stark die Wirtschaftskraft. Ihr Anbau verschlingt einen großen Teil der knappen Wasserreserven des Landes.

Kommentare