Martin Luther King kam, sprach und träumte
Die Geschichte begann am 5. Dezember 1955, vier Tage nachdem Rosa Parks dafür verhaftet worden war, weil sie sich weigerte, ihren Sitzplatz für einen weißen Fahrgast zu räumen.
Es war Abend in Montgomery, Alabama . Am Morgen desselben Tages hatten die Stadtbewohner mit dem historischen Busboykott begonnen. Doch nun richteten 5.000 Afroamerikaner ihre Blicke auf einen schwarzen Priester, der in der Holt Street Baptist Church ganz vorne stand und sagte:
"Wenn dereinst die Geschichtsbücher geschrieben werden, wird jemand sagen müssen: 'Da lebte ein Menschenschlag, eine schwarze Bevölkerungsgruppe, die den moralischen Mut hatte, sich für ihre Rechte zu erheben. Und dadurch gab sie den Zeitläufen der Geschichte und der Zivilisation eine neue Bedeutung'." Der junge Martin Luther King jr. forderte alle auf, sich am Busboykott zu beteiligen.
Die Stimme der Bürgerrechtsbewegung
King, der Monate zuvor nach Montgomery gekommen ist, um im US-Bundesstaat Alabama als Pastor zu arbeiten, verstand es, die Sorgen seiner Gemeinde in Worte zu fassen. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern hatte der 26-Jährige von Anfang an gewusst, was die weitreichenden Ziele und Ideale dieser Protestbewegung in Montgomery waren: Man müsse so lange kämpfen und arbeiten, "bis die Gerechtigkeit wie ein Sturzbach fließt", erklärte der 1929 geborene Sohn eines Pfarrers und Bürgerrechtlers.
Wegen seiner ausgefeilten Rhetorik wurde King zum Vorsitzende der MIA (Montgomery Improvement Association, dt. Vereinigung für Verbesserungen in Montgomery) gewählt. Er soll die Stimme der bis dato kleinen lokalen Bürgerrechtsbewegung in Alabama sein.
Kings Rolle beim Busboykott war wichtig und entscheidend, schreibt Clayborne Carson, Geschichtsprofessor der Stanford University und Direktor des Martin Luther King, Jr., Research and Education Institut. Er habe es geschafft, einen lokalen Protest in eine Bewegung für soziale Gerechtigkeit von internationaler Bedeutung zu transformieren. Doch was allzu oft vergessen wird, so Carson: King hat den Protest nicht initiiert. Er sei selbst von der Bewegung in eine Stimme des Volkes transformiert worden.
Im Gegensatz zum Pastor waren alle Organisatoren der Bewegung langjährige Bewohner von Montgomery. Sie kannten die Stadt in- und auswendig, wussten Bescheid über die Probleme, waren konfrontiert mit Armut und Fremdenhass.
Grenzen und Zweifel
Aber, dass King weder langjähriger Bürger von Montgomery war noch der eigentliche Initiator des Boykotts mindert nicht seinen Einfluss auf die US-Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre. Mit seinem Enthusiasmus, für die gerechte Sache einzustehen, war es ihm sogar möglich, weiße Bürger auf die Straßen zu bewegen. Für den Geschichtsprofessor Carson beinhaltete die hervorgehobene Position Kings mehr als eine eindrucksvolle Redekunst. Der studierte Theologe sei sich über seine eigenen Grenzen und Zweifel immer im Klaren gewesen.
So äußerte er sich kurz nachdem sein Haus Anfang 1956 mit einer Bombe angegriffen wurde über seine Rolle im Montgomery Busboykott wie folgt: "Ich will, dass ihr wisst: Auch wenn Martin Luther King nie geboren worden wäre, hätte diese Bewegung ebenfalls so stattgefunden."
Seine Worte waren auch ein Spiegelbild von den Rückschlägen, die der Prediger während seines Engagements in Kauf nehmen musste. Doch weder Anschläge auf seine Person noch zögerliche Reformen durch die US-Regierung konnten ihn darin hindern, sich für sein Ziel gewaltfrei einzusetzen.
In Montgomery mit Erfolg: Als der Busboykott nach 381 am 20. Dezember 1956 für beendet erklärt worden war, war es unter anderem Martin Luther King jr., der in den ersten integrierten Bus einstieg und damit einer gerechten Gesellschaft einen kleinen Schritt näher gekommen ist.
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