"Zweite Heimat": Österreicher über ihr Leben in Südafrika
„Wenn Nelson Mandelas Vision weitergetragen worden wäre, stünde das Land besser da“, ist Martin Walzer nach vier Jahren in Südafrika überzeugt. Der Niederösterreicher lebt in der Provinzhauptstadt Bloemfontain im Landesinneren. Er arbeitet für Cenercor, ein Unternehmen, das sich auf erneuerbare Energien spezialisiert hat.
Im Alltag, so berichtet der 51-Jährige dem KURIER, funktioniere das Zusammenleben zwischen Schwarzen und Weißen 25 Jahre nach Ende der Apartheid meist gut, zumal im ruhigen Bloemfontein. Allerdings seien die Einkommensunterschiede immer noch gewaltig, die Arbeitslosigkeit hoch, der Anteil der Schwarzen, die wenig Bildung haben, „viel zu groß“.
In großen Städten wie Johannesburg, Soweto oder Kapstadt gebe es immer wieder Konflikte. „Die Kriminalität ist hoch, Südafrika hat z. B. eine der höchsten Vergewaltigungsraten der Welt“, sagt Walzer. „Das betrifft Weiße aber sehr wenig.“
Die gebürtige Wienerin Eva Dölitzsch, die vor 22 Jahren mit der gesamten Familie auswanderte und nahe Kapstadt auf einer Farm Alpakas züchtet, berichtet von gestiegener Kriminalität.
Südafrika sei aber, anders als in Medien oft dargestellt, weder das schreckliche Land mit vielen Slums und Kriminellen noch das touristische Traumland. "Das sind nur kleine Ausschnitte“, so Dölitzsch. „Wir haben nicht eine Sekunde bereut, ausgewandert zu sein.“
Von Konflikten in den Städten berichtet auch der burgenländische Star-Winzer Leo Hillinger. Viele davon spielten sich aber allein zwischen Einheimischen und eingewanderten Arbeitern aus Mosambik oder Ghana ab.
"Reverse Racism"
Hillinger kam in den 1990er-Jahren als Student erstmals nach Südafrika, das er als seine zweite Heimat bezeichnet. „Ich habe mich in dieses Land verliebt, bin drei Monate im Jahr unten und baue im ältesten Weinbaugebiet des Landes Wein an, Constantia Hill“, erzählt der 51-Jährige.
Als problematisch bezeichnet Hillinger das Quotensystem für schwarze und weiße Südafrikaner, das etwa bei der der Vergabe von Studienplätzen oder öffentlichen Aufträgen greift. Viele Weiße würden das Land verlassen, weil sie sich benachteiligt fühlten.
Walzer sieht das ähnlich. Er führt die Abwanderung aber nicht nur auf diese als „reverse racism“ kritisierte Politik zurück, sondern auf eine generelle Unzufriedenheit mit dem politischen System und mit der Korruption, die ihren Höhepunkt unter Ex-Präsident Jacob Zuma hatte. Das treibe auch Schwarze ins Ausland.
„Es gibt eine gebildete schwarze Schicht, die zum Glück immer breiter wird, die auch die Nase voll hat“, sagt er. Das führe zu einem großen „Brain drain“, mit Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft.
„Der Medizinsektor war früher einer der höchstentwickelten in der Welt, die erste Herztransplantation wurde hier durchgeführt“, so Walzer. „Es gibt heute schon noch Spitzenmedizin, aber nicht mehr an öffentlichen Spitälern, nur mehr im Privatsektor – und das kostet.“
Hoffnungsträger Ramaphosa
Es gebe allerdings die Hoffnung, dass es besser werde mit dem neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa und den Parlamentswahlen am 8. Mai, „dass es mehr parlamentarische Kontrolle gibt und der ANC (Regierungspartei, Anm.) keine absolute Mehrheit mehr hat.“ Eva Dölitzsch hofft, dass dann wieder mehr Investoren ins Land kommen.
In Städten wie Kapstadt, das von der Opposition regiert wird, sehe man, dass es auch anders, besser gehen könne, sagt Martin Walzer. „Es gibt funktionierenden öffentlichen Verkehr, es ist sauber, es werden Schlaglöcher ausgebessert“, erzählt Walzer.
„Das Land hat ungeahntes Potential, wenn man die Dinge besser organisieren würde.“
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