"Die Regierung hat am 6. April eine Abgabe für die Softdrink-Industrie eingeführt. Sie gilt für Erfrischungsgetränke je nach ihrem Zuckergehalt, unsere Preise spiegeln dies nun wider." Erklärungen wie diese fand man ab April 2018 über Coca Cola Flaschen und Red Bull Dosen in fast allen britischen Supermärkten. Ziel der Steuer: Fettleibigkeit, Diabetes und Karies vor allem unter Kindern zu bekämpfen.
"Wird sie funktionieren?", fragte die BBC damals Ernährungswissenschafter. Die zeigten sich uneinig; warnten, dass Produzenten die Steuer in Form von Preiserhöhung weitergeben undKonsumenten diesen in Kauf nehmen würden. Einige plädierten für mehr "Zuckerbrot" als "Peitsche".
Sechs Jahre später scheinen die Ergebnisse aber eindeutig: Laut einer Studie, die im Journal of Epidemiology and Community Health veröffentlicht wurde, hat sich die Zuckermenge, die Kinder konsumieren, fast halbiert; bei Erwachsenen ging sie um ein Drittel zurück. Für die Studie wurden knapp 8.000 Erwachsenen und mehr als 7.600 Kinder von 2008 bis 2019 jährlich zu ihrer Ernährung befragt.
In England ist unter den Zehn- und Elfjährigen fast jedes vierte Kind fettleibig. Bei den Erwachsenen sind es 64 Prozent.
Der Studie zufolge konsumierten Kinder 2019 im Schnitt täglich 44 Gramm Zucker durch Softdrinks und zuckerhaltige Lebensmittel, 2008 waren es 70 Gramm. Bei Erwachsenen sank der Konsum im selben Zeitraum von 60 auf 43 Gramm.
Die WHO empfiehlt Kindern nicht mehr als 24 Gramm Zucker pro Tag, Erwachsenen nicht mehr als 30 Gramm. Wissenschaftler fordern eine Erweiterung der Zuckersteuer auch auf andere zuckerhaltige Lebensmittel.
Die Forscher weisen darauf hin, dass ein Rückgang des Zuckerkonsums in der gesamten Ernährung und bereits seit Beginn der Erhebung 2008 zu beobachten gewesen sei. Jedoch betonen sie die Bedeutung der Zuckersteuer für das Ausmaß des Rückgangs. Das deckt sich mit Ergebnissen ähnlicher Studien: So legt eine Studie der Cambridge University nahe, dass die Zuckersteuer die Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert hat.
Firmen reduzierten Zuckeranteil
Wie funktioniert die Steuer? Die Besteuerung der Getränke verläuft gestaffelt: Je mehr Zucker in einem Getränk steckt, desto höher die Steuer. Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Millilitern beträgt die Steuer 18 Pence pro Liter, ab 8 Gramm Zucker werden 24 Pence pro Liter fällig. Den Firmen ist es selbst überlassen, ob sie die Mehrkosten an die Konsumenten weitergeben oder selbst übernehmen.
Viele Firmen reduzierten daraufhin den Zuckeranteil in ihren Produkten. 2015 enthielte fast die Hälfte aller im Supermarkt angebotenen Softdrinks mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter – 2019 waren es nur noch 15 Prozent.
Die Zuckersteuer, die Hand in Hand ging mit Gesundheitskampagnen in der Öffentlichkeit und an Schulen, ist nur eine Maßnahme des britischen Staats im Kampf gegen das Übergewicht seiner Bürger: Seit Herbst 2022 dürfen etwa keine Schokoriegel mehr auf Augenhöhe von Kindern im Kassabereich angeboten werden; ab Herbst 2025 sollen Kaufanreize wie "2 plus 1 gratis"-Angebote für Süßigkeiten verboten werden, genauso wie TV-Werbungen für ungesunde Lebensmittel vor 21 Uhr.
Die neue Labour-Regierung will den Weg fortsetzen, der Guardian zitiert das neu besetzte Gesundheitsministerium: "Wir werden strenge Beschränkungen für die Werbung für Junkfood einführen und Kindern den Kauf zuckerhaltiger, koffeinhaltiger Energydrinks verbieten."
Auch in anderen Ländern wie Portugal, in Lateinamerika und in der Karibik sind bereits ähnliche Besteuerungen in Kraft – und zeigen Wirkung. Deutschland hat seine Zuckersteuer 1993 abgeschafft, die Debatte kommt aber immer wieder auf – wie auch in Österreich. Der ORF zitiert dazu das Gesundheitsministerium, das jedoch auf die Verantwortung des Finanzministeriums bei dem Thema verweist.
Dort heißt es auf KURIER-Nachfrage, dass das Anliegen "natürlich nachvollziehbar" sei. Jedoch wird neben dem "Vollzugsaufwand" und einer zusätzlichen "finanziellen Belastung" für die Konsumenten (sofern die Steuer als Preiserhöhung weitergegeben würde) auch vor einem "Ausweicheffekt" gewarnt, wenn die Steuer nicht EU-weit eingeführt werde. Beispielhaft verweist man auf den 2011 eingeführten Versuch einer "Fettsteuer" in Dänemark: "Viele Dänen kauften im benachbarten Deutschland ein. Die "Fettsteuer" wurde dann im Jahr 2012 wieder abgeschafft – aufgrund geringer Erfolgsnachweise und hohem Verwaltungsaufwand", so das Finanzministerium. Man setze lieber auf Aufklärung, Bewusstseinsbildung und Sportförderung.
Dabei spreche neben dem gesundheitlichen Aspekt ein weiterer für eine Besteuerung: So hat der britische Haushalt im Budget 2021/2022 dank der Steuer 334 Millionen Pfund (rund 397 Millionen Euro) eingenommen. Das Geld soll ins marode Gesundheitssystem fließen.
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