Drohendes Werbeverbot für Ungesundes
Die Pläne des deutschen Ernährungsministers Cem Özdemir versetzen die Lebensmittelindustrie in Aufruhr. Geht es nach den deutschen Vorstellungen, soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz gesetzlich beschränkt werden. Unter anderem sollen mit Blick auf Unter-14-Jährige Werbeverbote in „allen für Kinder relevanten Medien“ kommen.
Demnach soll solche Werbung zwischen 6.00 Uhr und 23.00 Uhr unzulässig sein, wenn sie regelmäßig auch von Kindern wahrgenommen werden kann. In der Lebensmittelindustrie schrillen die Alarmglocken. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich.
„Das würde de facto einem Werbeverbot gleichkommen“, sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Lebensmittelfachverbands. „Wenn es das Ziel ist, die Zahl der übergewichtigen Kinder zu reduzieren, muss man sich schon fragen, ob das der richtige Weg ist.“
Strenge Werbeverbote in Kanada und Großbritannien
Die Sprecherin der Lebensmittelindustrie verweist auf Erfahrungswerte aus Kanada und Großbritannien. „Dort gelten schon länger strenge Werbeverbote, trotzdem steigt die Zahl der Übergewichtigen. Die Verbote können also nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“
Übergewicht habe viele Gründe, der geringste sei wohl die Berieselung mit Werbebotschaften für Süßes und Salziges, finden die Produzenten von Essen und Getränken. „Will man wirklich etwas verändern, sollte man sich auf politischer Ebene endlich für die Wiedereinführung des Fachs Ernährungsbildung einsetzen“, fordert Koßdorff.
Ähnliche Töne kommen aus der Richtung des Markenartikelverbandes. „Die Wurzel des Problems liegt oft in mangelnder Bewegung, aber die verpflichtende tägliche Turnstunde wird nach wie vor nicht umgesetzt“, findet dessen Präsident Günter Thumser. Werbeverbote bezeichnet er als „demokratiepolitisch wie marktwirtschaftlich problematisch“.
EU will heuer noch Nährwertprofile präsentieren
In dieselbe Kerbe schlägt Koßdorff: „Mit acht Jahren darf man unbegleitet im Straßenverkehr teilnehmen, mit 16 wählen und heiraten, mit 17 Auto fahren. Aber vor Werbebotschaften sollen Jugendliche jetzt geschützt werden. Das geht doch an der Lebensrealität vorbei.“ Zumal die freiwilligen Werbeverbote aus ihrer Sicht funktionieren. Schon seit einiger Zeit werde vor, nach und während Kindersendungen nicht mehr für Süßes, Salziges oder Fettiges geworben. Beim Werberat würde es dazu so gut wie keine Meldungen von Verfehlungen geben.
Die Europäische Kommission will jedenfalls noch heuer Nährwertprofile präsentieren, die dann auf europäischer Ebene als Grundlage für die Werbeverbote dienen sollen. Sprich, es wird gerade erst definiert, ob auch der Marmorkuchen der kleinen Backstube nebenan zu süß ist, um noch beworben werden zu dürfen. Mit Protesten ist jedenfalls zu rechnen – in allen Ländern. Schließlich drohen „nationale Heiligtümer“ auf der Werbeverbotsliste zu landen.
Ruf nach klaren Regeln
Von Camembert-Käse aus Frankreich über italienischen Prosciutto bis hin zur Sacher Torte. Der Verein foodwatch Österreich begrüßt dagegen den Vorstoß aus Deutschland und fordert die österreichische Bundesregierung auf, dem Beispiel Cem Özdemirs zu folgen. „Es braucht klare, verbindliche Regeln für eine Werbebeschränkung. Zum Schutz der Gesundheit der Kinder ist es unabdingbar, dass Werbung für fettige, zuckersüße und salzreiche Lebensmittel wirksam beschränkt wird. Dass die Lebensmittelindustrie Profite auf Kosten der Gesundheit der Kinder machen will, ist aus unserer Sicht unverantwortlich.“
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