Verheerendes Beben forderte über 4.300 Todesopfer, Österreicherin gerettet

Earthquake in Diyarbakir
Nach den heftigen Erdstößen in der Türkei und in Syrien laufen die Rettungsbemühungen auf Hochtouren. Aus aller Welt kommt Hilfe, auch aus Österreich. Bei eisigen Temperaturen ist der Kampf um jedes Leben ein Wettlauf gegen die Zeit.

„Falls mich jemand hört: Wir sind hier im siebenten Stock eingeschlossen, meine Mutter und ich“, sagt ein Mann mit zittriger Stimme auf dem düsteren Handy-Video. Wasser dringe in den kleinen Hohlraum, der nach den heftigen Erdbeben zunächst zur rettenden Blase für die beiden wurde. „Noch geht es uns gut, aber bitte helft uns schnell“ – mit diesen Worten endet die kurze Sequenz.

Unter dem türkischen Hashtag „enkazaltındayım“ (#„ichbinverschüttet“) finden sich derartige Videos zuhauf. Auch Angehörige und Freunde, die nach ihren Liebsten suchen, posten in sozialen Medien.

Wobei die Rettung von Verschütteten ein Wettlauf gegen die Zeit ist. Und das bei eisigen Temperaturen.

Es war 2.17 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Montag, als die Tragödie ihren Anfang genommen hat. Die Erde bebte an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien (siehe Grafik). Die Stärke von 7,8 ließ in der Region Gebäude wie Kartenhäuser einsacken.

Verheerendes Beben forderte über 4.300 Todesopfer, Österreicherin gerettet

Allein in der Türkei waren bis Dienstagmorgen mehr als 2.900 Todesopfer zu beklagen. In Syrien wurden 1.477 Tote registriert. Mehr als 15.800 Menschen wurden nach bisherigen Informationen in der Türkei und in Syrien verletzt. Die Opferzahlen stiegen am Montag stündlich an und werden wohl auch am Dienstag noch ansteigen.

In dem Bürgerkriegsland begann man bereits, Massengräber auszuheben. Eine verschüttete österreichische Staatsbürgerin konnte mit leichten Verletzungen geborgen werden, so das Außenministerium (mehr dazu hier). 

Noch in der Nacht und dann auch tagsüber folgten Dutzende Nachbeben, zu Mittag eines, das mit 7,5 nahezu dieselbe Zerstörungskraft hatte wie das nächtliche. Beide Beben waren auch im Libanon und in Israel zu spüren. Auf Zypern ebenfalls, dort rannten die Bürger beim zweiten Beben panisch aus ihren Häusern.

„Hilfe, Hilfe“

„Bitte! Hilfe! Hilfe! Aus der ganzen Umgebung. Ich möchte, dass ihr alles losschickt, was möglich ist. Bitte! Ich bitte euch in Gottes Namen!“ Diesen eindringlichen Hilferuf setzte der frühere türkische Nationaltorhüter Volkan Demirel (63 Länderspiele, war Schlussmann bei Fenerbahce Istanbul) in einem Instagram-Video ab. Dabei brach er in Tränen aus.

Tatsächlich sind die Verwüstungen enorm: Tausende Gebäude kollabierten und begruben Menschen unter sich. In Gaziantep wurde die historische Burg schwer in Mitleidenschaft gezogen – sie ist UNESCO-Weltkulturerbe. Ganze Straßenzüge wurden devastiert.

In der hauptbetroffenen Region mussten drei Flughäfen wegen tiefer Risse in den Landebahnen gesperrt werden. Zum Teil mit bloßen Händen versuchten Menschen, Verschüttete zu bergen. „Wir haben soeben ein kleines Mädchen aus den Trümmern holen können“, sagte Haci Ali Konuk in der Live-Sendung eines türkischen TV-Senders. „Ihr, also die Bevölkerung, tragt die einzelnen Teile nur mit euren Händen weg – sind noch keine Rettungskräfte vor Ort?“, fragte der Moderator dann. Konuk konnte die Fragen noch bejahen, dann brach die Verbindung ab.

„Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen. Die Krankenhäuser sind mit Schwerstverletzten überlastet“, sagte Raed al Saleh, der Leiter der syrischen Rettungsmission Weißhelme. Die private Zivilschutzorganisation von Freiwilligen und bezahlten Helfern wurde 2013 im Bürgerkrieg gegründet, um Menschen in jenen Landesteilen zu helfen, die nicht von der Regierung kontrolliert werden. Die Staatengemeinschaft bat er „dringend um Hilfe“.

Angesichts der verheerenden Folgen der Erdstöße bat die Türkei, die sonst bemüht ist, ihre Probleme alleine zu lösen, ebenfalls um Hilfe – bei der NATO. Es wurde um medizinische Nothilfeteams, notfallmedizinische Ausrüstung, Such- und Rettungsteams angesucht. Auch drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldlazarette samt Personal würde man benötigen.

Bereits zuvor hatten NATO-Generalsekretär Stoltenberg Ankara Unterstützung zugesichert. Das taten viele Staaten auch bilateral, darunter die USA, Russland und Österreich. 85 Soldaten des Bundesheeres stehen bereit (mehr dazu hier). 

„Bebendiplomatie“

Trotz der politischen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland kam aus Athen ebenfalls ein Hilfsangebot. Auch 1999 beim bisher folgenreichsten Erdbeben in der jüngeren Vergangenheit der Türkei (17.000 Tote) leistete der „Erzfeind“ Unterstützung. Was folgte, war eine Annäherung zwischen Ankara und Athen auf politischer Ebene. Das „Tauwetter“ ging als „Bebendiplomatie“ in die Geschichtsbücher ein.

Dass die Türkei immer wieder durch schwere Erdstöße erschüttert wird, hängt damit zusammen, dass die Anatolische Platte gleichermaßen von der Arabischen und der Eurasischen bzw. Ägäischen Platte in die Zange genommen wird. 

Kommentare