Soldat: "Haben ein Zeitfenster von 100 Stunden, um Menschenleben zu retten"

Soldat: "Haben ein Zeitfenster von 100 Stunden, um Menschenleben zu retten"
Die Bundesheer-Einheit „Austrian Disaster Relief Unit“ (AFDRU) wird am Dienstag, ins Erdbebengebiet aufbrechen, um Verschüttete zu retten.

Franz Sittner war bereits im Wellnesshotel eingecheckt, als der Anruf kam. Er ist einer von 85 Soldaten, die heute, Dienstag, in die Türkei aufbrechen werden, um in den kommenden Tagen im Rahmen eines AFDRU-Einsatzes Verschüttete zu bergen. Die Abkürzung steht für „Austrian Forces Disaster Relief Unit“ – eine Einheit, die aus Berufs- und Milizsoldaten besteht, die sich freiwillig dazu bereiterklärt haben, im Ernstfall innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung zu stehen.

„Natürlich war meine Lebensgefährtin nicht ganz glücklich darüber, aber sie versteht es“, sagt der 51 Jahre alte Berufsschullehrer und Milizoffizier. Dann ging alles schnell: Auschecken, heim nach Mödling, Sachen packen und weiter ins ABC-Abwehrzentrum in Korneuburg, wo am Montagabend letzte medizinische Tests und etwaige Impfungen durchgeführt werden.

Parallel dazu verladen Soldaten das Gerät, das die Einheit im Einsatz benötigt: Von Waschmaschinen über Stromaggregate bis hin zu Zelten und Bohrhämmern: „Wir sind zu hundert Prozent autark – wollen das Gastland nicht durch zusätzliche Anforderungen belasten“, sagt Oberst Jürgen Schlechter, Kommandant des ABC-Abwehrzentrums, zum KURIER.

25 Tonnen wiegt das gesamte Material, unter anderem Zelte, das mit in die Türkei kommen wird. Vieles davon liegt seit Längerem bereit, um im Ernstfall rasch verladen zu werden: „Nach einem solchen Unglück hat man in der Regel ein Zeitfenster von einhundert Stunden, um Menschenleben retten zu können - und das ist unser Auftrag“, sagt Schlechter.

Soldat: "Haben ein Zeitfenster von 100 Stunden, um Menschenleben zu retten"

Sittner, der auch Feuerwehrmann ist, hat darin Erfahrung, konnte in manchen Einsätzen jedoch einige Menschen nur noch tot bergen. Wie geht es ihm in solchen Fällen? „Im Moment des Einsatzes nehme ich das nicht so wahr. Da geht es darum, so rasch wie möglich zu retten. Das tatsächliche Bewusstsein darüber kommt erst später – zumindest ist das bei mir so“, sagt er. Neben sechs Suchhunden wird auch ein Psychologe im Einsatz dabei sein.

Noch ist nicht klar, wo die AFDRU-Einheit in den Einsatz geht, auch der Zielflughafen nicht: „Um halb sechs in der Früh bricht ein Vorkommando auf, die internationalen Organisationen und die türkischen Behörden werden uns dann einen Ort zuweisen“, sagt Schlechter. Wenn die Soldaten zu Mittag starten, wird auch klar sein, ob sie in Adana oder Gaziantep landen.

AFDRU war bisher bei zwölf Einsätzen auf drei Kontinenten. Zu den Spezialgebieten zählt neben der Suche und Bergung mit Suchhunden und Spezialgerät auch die Wasseraufbereitung. Der letzte AFDRU-Einsatz fand 2014 in Bosnien statt.

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