Die Situation ist in ganz Europa ähnlich: Seit Jahren nehmen die Kirchenaustritte zu, die Zahlen der Menschen ohne Konfession und jener islamischen Glaubens steigen. Das macht viele Gotteshäuser – katholisch wie protestantisch – überflüssig, die Kirchen müssen sich von den Gebäuden aufgrund hoher Kosten trennen. Besonders die Niederlande sind mit der Umwidmung von Sakralbauten erfahren. Jede fünfte Kirche wird nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt, eingezogen sind Fitnessclubs, Buchhandlungen und Restaurants.
Auch in Deutschland ist die Nutzung vielseitig, in den kommenden Jahren werden rund 40.000 Immobilien aufgegeben werden müssen. Nicht einmal jeder zweite Deutsche gehört mittlerweile der katholischen oder evangelischen Kirche an.
Auch in Österreich wechseln Kirchen den Besitzer
In Österreich sind es häufig Filial- oder Ordenskirchen, die neue Besitzer finden. Auch wenn die Abgabe von Kirchen an Privatpersonen ein ausgesprochen seltener Vorgang ist, kommt ein Besitzerwechsel doch hin und wieder vor. Die Diözese trennte sich etwa von der berühmten Stiegenkirche im Grazer Zentrum. Eine Familie, die anonym bleiben will, kaufte das Gotteshaus aus dem 14. Jahrhundert. Zu den Kosten der Übergabe wollte sich der neue Eigentümer nicht äußern. Fest steht nur, dass das Gebäude weiterhin als Kirche zur Verfügung stehen wird.
Aber nicht nur Privatpersonen können Kirchen erwerben, sondern auch die öffentliche Hand – wie etwa die Minoritenkirche im Landhaus von Oberösterreich oder das Franziskanerkloster in Dornbirn, das heuer in den Besitz der Stadt Dornbirn wechselte. Immer wieder kommt es auch vor, dass Gotteshäuser an Schwesterkirchen übergeben werden, wie etwa die ehemalige Kapuzinerkirche in Knittelfeld an die rumänisch-orthodoxe Gemeinde.
Hier ein paar Beispiele:
Kletterhalle in Mönchengladbach
Wo sich einst Gläubige zum Gebet versammelten, schwitzen nun Sportbegeisterte, um dem Himmel ein Stück näherzukommen. 2010 wurde die Kletterkirche in der ehemals katholischen Kirche St. Peter im deutschen Mönchengladbach eröffnet, zuvor stand sie drei Jahre leer.
Für 25 Jahre wurde das Gebäude verpachtet, die Kirche ist denkmalgeschützt, die Wände wieder rückbaubar.
Die 1912 erbaute Kirche Santa Bárbara im spanischen Llanera war bereits verfallen, als sie ein paar Skater für sich entdeckten. Sie renovierten den Bau mittels Crowdfunding und errichteten eine Halfpipe.
Die sakralen Wände wurden vom Madrider Street Art Künstler Okuda San Miguel in Regenbogenfarben gestaltet. 2015 stellte er sein Werk mit dem Titel „Kaos Temple“ fertig. Fünf Jahre hatte er dafür gebraucht.
Buchhandlung in Maastricht
Die Dominikanerkirche in Maastricht war die erste gotische Kirche in den Niederlanden, das Wandgemälde ist das älteste Bild des Thomas von Aquin in Europa. Trotzdem erfüllt die Kirche heute einen weltlichen Zweck: 2006 zog eine Buchhandlung ein.
50.000 Werke und einen Coffeeshop beherbergt das historische Gewölbe. Zuvor wurde das Gotteshaus als Konzerthalle, Autohaus, Schlachthof, Boxtempel und Fahrradschuppen genutzt.
Wegen der kostspieligen Erhaltung trennt sich die Diözese von der Filialkirche zum hl. Paulus in der Grazer Sporgasse. Der Vatikan genehmigte den Wunsch der Diözese Graz-Seckau unter der Voraussetzung, dass die Kirche für Feier, Gebet und Andacht nutzbar bleibt. Was die Kosten für die Übergabe betrifft, hielt sich der neue Eigentümer der Kirche bedeckt.
Karmeliterkirche als Lesesaal
Nach dem Karmeliterorden beherbergte das einstige Kirchenschiff schon ein Kino, eine Nähfabrik und diente als Eventlocation. Schließlich wurde das Gebäude zu einem modernen „Studierzimmer“ für den Studiengang Wirtschaft der FH Wiener Neustadt umgestaltet. Die ehemalige Kirche dient heute als Lesesaal, wenn der Raum nicht für Veranstaltungen genutzt wird.
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