In den britischen Schul-Kantinen geht das Essen aus
Die Lieferengpässe als Folge des EU-Austritts mit dem verbundenen Mangel an Lkw-Fahrern, viele kamen aus dem Ausland, treffen nun auch das Bildungssystem.
Bald könnte es in britischen Schulkantinen ans Eingemachte gehen. Denn so manches Mittagsessen für Schüler gerät in Gefahr. „Wir müssen im Wesentlichen zwischen Suppe und einem Sandwich oder einer Ofenkartoffel wählen“, beschwert sich Andrew im englischen Burnley in einem Leserbrief an den Guardian. Die Volksschule seiner Tochter informierte Eltern, dass die zuständige Behörde in der Grafschaft Lancashire ihr Angebot reduzieren musste. Grund: „Lieferketten-Probleme“, die Briten in letzter Zeit schon leere Supermarktregale und geschlossene Tankstellen beschert haben.
Laut Berichten sind allein in Lancashire tausende Schüler betroffen. Andrew gibt Premier Boris Johnson und seinem Team die Schuld. „Wieder einmal leiden die Schwächsten in der Gesellschaft unter dem erbärmlichen Versagen dieser Regierung, für Brexit-Auswirkungen vorzuplanen“, schreibt er. Vor allem für viele Kinder aus ärmeren Familien, die Schulessen kostenlos erhalten, „ist das die einzige warme, nahrhafte Mahlzeit am Tag“, beklagt er.
Johnsons Regierung rief zwar am Freitag David Lewis, Ex-Chef der Supermarktkette Tesco, als Berater zur Lösung der „akuten“ Versorgungskrise im Land zu Hilfe, sieht aber bisher Schul-Probleme als begrenzt. Jetzt gibt es jedoch Warnungen, dass Engpässe schon bald mehr Kinder betreffen könnten
ISS, eine der größten Schul-Catering-Firmen in Großbritannien, hat laut Berichten 450 Schulen benannt, die Probleme bei „Beschaffung, Verpackung und Verteilung“ von Brot, Schinken, Obst, Joghurt und anderem hätten. Diese würden sich im Winter „verschärfen“, sie könnten bis Februar andauern. Das Unternehmen rät Schulkantinen deshalb, für den „Extremfall“ Vorräte anzulegen – an langlebigen und/oder getrockneten Produkten sowie an tiefgefrorenen Lebensmitteln und Dosen. Das tut auch der Verband der Großhändler, gibt aber zu: „Die Herausforderung besteht darin, dass Lehranstalten nicht viel vor Ort lagern können“.
Eine Schule in Devizes in der Grafschaft Wiltshire ging einen Schritt weiter: Ihre Lehrer sahen sich wegen Essensmangel gezwungen, Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen, „um sicherzustellen, dass unsere Schüler satt werden“.
Studenten-Wohnungsnot
Die Schulleitergewerkschaft NAHT rief die Regierung dazu auf, dem Thema „Beachtung zu schenken, damit sich das Problem nicht weiter ausbreitet“. Und Ed Davey, Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, meinte, Eltern hätten wegen diverser Krisen schon genug Sorgen: „Das Mindeste, was die Regierung jetzt tun kann, ist für Kinder eine warme Mahlzeit in der Schule zu gewährleisten“.
Eine andere Krise im britischen Bildungswesen orten Experten indes in Schottland, wo die BBC von einer „Notlage“ bei Studenten-Unterkünften berichtet. Denn nach der Rückkehr zu Präsenz-Vorlesungen nach der Aufhebung von Covid-Restriktionen seien weniger Apartments oder Häuser, die sich Studierende teilen, erhältlich. In manchen Fällen hoffen Vermieter, von Besuchern im Rahmen des Weltklimagipfels vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow zu profitieren – und halten die Quartiere zurück.
Studentin mit Kind im Obdachlosenheim
Viele der doch erhältlichen Wohnungen sind dieser Tage zudem teurer geworden, oder es kommen Forderungen wie der Zahlung von sechs Monatsmieten im Vorhinein.
Laut der Grünen Partei ist eine Studentin mit Kind angesichts dieser Wohnungskrise derzeit sogar in einem Obdachlosenheim unterbracht. Andere kommen mit Übernachtungen auf dem Sofa von Freunden oder ähnlichen Übergangslösungen über die Runden.
Studenten-Gewerkschafter warnen aber, dass so mancher schon überlegt, das Studium abzubrechen – statt sich einen akademischen Grad samt Abschluss im Couch-Surfing zu sichern.
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