Hungerlöhne für Mitarbeiter: Disney-Erbin erhebt Vorwürfe gegen Konzern

Abigail Disney führt dank eines auf über 150 Millionen Dollar taxierten Aktienpakets des gleichnamigen Entertainment-Riesen ein sorgenfreies Leben. Sie ist die Großnichte von Walt Disney und Enkelin von dessen Bruder Roy, Mitgründer der „Walt Disney Company“. Trotzdem hat die 62-jährige vierfache Mutter dem Unterhaltungsgiganten beim renommierten Sundance-Filmfestival in Utah gerade den Fehde-Handschuh hingeworfen.
In der 90-minütigen Dokumentation „Der amerikanische Traum und andere Märchen“ zeigt die an Elite-Unis promovierte Literaturwissenschafterin die dunkle Seite des Gute-Laune-Konzerns, dessen Themen-Parks jährlich Millionen Menschen an den angeblich „glücklichsten Ort der Welt“ locken.
Zu Wort kommen Leute wie Ralph, Trina, Artemis und Ellie – allesamt Mitarbeiter, die zum Teil seit Jahrzehnten in diesen Parks arbeiten. Die aber bei 15 Dollar Stundenlohn nicht auf einen grünen Zweig kommen. Weil erwiesen ist, dass in Anaheim bei Los Angeles, wo Disney seit 1955 seinen Stammsitz hat, mindestens 24 Dollar pro Stunde zum Leben nötig sind.
Auf Sozialmärkte angewiesen
Die Mitarbeiter berichten verschämt von Lebensmittel-Gutscheinen und Sozialeinrichtungen, über die sie kostenlos Essen beziehen. Sie erzählen von Kollegen, die im Auto schlafen, weil Mietwohnungen unerschwinglich sind.
Im Gegensatz dazu ging der 2020 abgetretene Disney-Boss Bob Iger mit einem Jahressalär von 65 Millionen Dollar nach Hause. Der Manager verdiente 1.500-mal so viel wie ein Normal-Arbeitnehmer der Firma, rechnet Abigail Disney vor.
Vor dem US-Kongress warb sie dafür, Ungleichheit bei der Bezahlung zu bekämpfen und die Reichen höher zu besteuern. Die „Kultur der Gier“ in vielen Großunternehmen zerreiße das Land.
In unaufgeregter Erzählatmosphäre rekonstruiert Disney im Film, wie sie Iger anschrieb, um ihn auf das Gefälle bei der Bezahlung aufmerksam zu machen, kontrastiert mit Szenen aus dem prekären Leben seiner Untergebenen. Replik des Managers: Der Staat sei schuld, nicht Disney.
Im Gegenschnitt zeigt die Kamera die 26-jährige Ellie Gonzalez, die ihr Lehramtsstudium mit zwei Jobs finanziert (einer bei Disney). Sie erfährt im Radio, dass sie zu den 28.000 Angestellten gehört, die wegen der coronabedingten Besucherflaute zeitweilig auf die Straße gesetzt wurden.

Abigail Disney
Für Iger-Nachfolger Bob Chapek, der im Krisenjahr 2021 mit über 30 Millionen Dollar Jahresgehalt bedacht wurde, ist die Publicity um den Film, der noch nach einem Verleiher sucht, gefährlich. Denn es ist der versteckte Aufruf, die Disney-Parks nicht mehr zu besuchen, solange die Ungleichgewichte nicht beseitigt sind. Das Unternehmen teilte in vergrätzten Stellungnahmen mit, das Wohlergehen der Angestellten genieße oberste Priorität.
Im Abspann lässt Abigail Disney das Publikum wissen, dass sich der Entertainment-Tanker bewege. 2023 soll der Stundenlohn für einen Teil der Belegschaft in Anaheim auf 18,50 Dollar steigen – haben die Gewerkschaften Disney abgetrotzt. 5,50 Dollar unter dem Mindeststandard. Ein Anfang.
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