Warum wir schon zum 27. Mal über das Klima diskutieren (müssen)
Mein Name ist Bernhard Gaul, ich bin seit bald 20 Jahren hier im KURIER und kümmere mich auch um die Klimaschutz-Berichterstattung.
Ab Montag werde ich die letzten fünf Tage bei der Klimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheik vor Ort sein und hoffe, interessante Geschichten zu erfahren, um sie Ihnen erzählen zu können. Für mich ist es nach Bali (COP 13, 2007), Cancun (COP 16, 2010), Paris (COP 21, 2015), Kattowitz (COP 24, 2018), Madrid (COP25, 2019) und Glasgow (COP 26, 2020) die bereits siebente Klimakonferenz.
Wer da gerade (innerlich) laut aufgeschrien hat, dass die meisten dieser Konferenzorte, wie auch die heurige Klimakonferenz, in einem Urlaubsressort stattfindet, dem kann ich nur recht geben. Ich dachte da lange an eine Verschwörung, dass die Klimakonferenzen immer im Spätherbst stattfinden, weil da den Bürgern des globalen Nordens (wir) ohnehin schon wieder kalt ist und somit weniger Interesse für den Klimaschutz überbleibt.
Aber das stimmt natürlich nicht.
Der Veranstalter, die UNO bzw. das „Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen“ (auf englisch: United Nations Framework Convention on Climate Change oder UNFCCC) braucht vielmehr einen Konferenzort, wo 30.000 bis 40.000 Menschen zwei Wochen zusammenkommen und auch übernachten können. Daher hat man große Urlaubsressort "off-season" gesucht, wie in Bali, Cancun oder eben jetzt in Sharm el-Sheik.
Das UNFCCC, muss noch erwähnt werden, ist das internationale Umweltabkommen von 1992, das als Ziel hat, eine „gefährliche, menschengemachte (anthropogene) Störung des Klimasystems zu verhindern und die globale Erwärmung zu verlangsamen sowie ihre Folgen zu mildern“.
Wie mit der globalen Krise umgehen?
Es geht also um eine sehr große globale Krise, und wie wir ihr begegnen. Bei Corona hat das ja nicht so schlecht geklappt. Aber: überrascht es Sie, wenn ich Ihnen erzähle, dass die Menge an Treibhausgasen, die in den 30 Jahren seit 1992 ausgestoßen wurde, größer ist als alle Emissionen davor? Das stimmt leider.
Heißt das, diese Klimakonferenzen produzieren vor allem heiße Luft und eigentlich nur zusätzliche, sinnlose Emissionen durch die knapp 35.000 Akkreditierten, die auch in diesem Jahr anreisen?
Faktisch stimmt das vielleicht. Eigentlich haben bisher nur drei Konferenzen ein wirklich gutes Ergebnis gebracht: Die erste war der Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro, bei dem sich alle Staaten dazu bekannten, dass es die Klimakrise gibt, dass sie vom Menschen verursacht wird, und wir was dagegen tun müssen. Die zweite ist Kioto (COP 3, 1997), wo erstmals rechtlich verbindliche (aber sanktionslose) Ziele für Emissionshöchstmengen für Industrieländer international festgelegt wurden (und zwar für die Periode von 2008 bis 2012).
Und die dritte war Paris (COP 21, 2015), wo das „Übereinkommen von Paris“ (Paris Agreement) einstimmig verabschiedet wurde, welches alle Staaten verpflichtet, die „menschengemachte globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten“ zu begrenzen, und „möglichst bei 1,5°C. (Was das Paris Agreement nicht sagt ist, wer bis wann wie viel Treibhausgase einsparen soll, und das ist eigentlich der Kern des Problems.)
Es ist nicht so, dass alle anderen Konferenzen ohne jedes Ergebnis waren. Aber versuchen sie einmal zwischen dem Staatschef des winzigen Inselstaates Tuvalu und jenem von Saudi Arabien oder den USA einen Kompromiss zu finden. Klimakonferenzen brauchen nämlich eine Einstimmigkeit, so sind die UNO-Regeln.
Regeln, Rahmen und... Pflichten?
Sehr viel verhandelt werden musste etwa über Regeln und die rechtlichen Rahmen, etwa: Was genau sind Emissionen, wie sollen sie gezählt werden, was genau sind negative Emissionen (CO2-Senken wie etwa Wälder), oder aber Fragen zu Krediten und Finanzierung, können Staaten in fremden Ländern Technologien zur Senkung von Emissionen bezahlen und sich dafür die Emissionsreduktion anrechnen lassen, und vieles mehr.
Heuer etwa geht es um die Frage, ob sich die Staaten zu höheren Emissionsreduktionszielen verpflichten, weil wir mit den bestehenden Versprechen weit übers Ziel schießen würden, und es geht um die Frage, wie die reichen Staaten den ärmeren Staaten mit Geld und grüner Technologie helfen sollen, und ob wer Geld bereit stellt für bereits entstandene Klimaschäden. Alles Themen, die man bei einem guten Tee eigentlich in gut 20 Minuten lösen können sollte.
Weil das aber utopisch ist, findet in diesem Jahr die bereits 27. Klimakonferenz statt. Die globale Krise bleibt vorerst unverändert bedrohlich. Und weil niemand bisher eine bessere Idee hat, wie man mit den Staats- und Regierungschefs von 195 Staaten dieser Erde eine Lösung aushandelt, wird es auch im kommenden Jahr eine Klimakonferenz brauchen. Sie wird im Emirat Dubai stattfinden. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben (nach dem Fußball-WM-Ort Katar und Kuwait) übrigens die höchsten pro-Kopf-Emissionen der Welt.
Morgen geht es um die wichtigsten Protagonisten der Klimakonferenz, sie wird den Titel tragen "Ich liebe meinen UN-Generalsekretär", und wir werden etwas tiefer in die Materie eintauchen müssen.
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