Innsbruck: Warum die ÖVP Anzengruber fürchten muss
Johannes Anzengruber ist tiefschwarzem Nährboden entsprungen. Die Großmutter des am 28. April zum Bürgermeister von Innsbruck gewählten 44-Jährigen war eine der ersten Frauen, die für die Tiroler ÖVP im Landtag saßen. Seine Eltern: Waren Almwirte am Fuße der Innsbrucker Nordkette, wie er über viele Jahre auch.
Etliche Unterstützer des Rebellen haben bäuerlichen Hintergrund, kommen aus Familien, die zum Teil über Generationen mit der Volkspartei verwachsen waren.
In Anzengrubers Bewegung sammeln sich etliche von der ÖVP Enttäuschte. Sie repräsentieren genau jene Basis – so etwa auch zahlreiche ehrenamtliche Vereinsfunktionäre –, die draußen am Tiroler Land die Mobilisierungskraft der Schwarzen verkörpert.
In Innsbruck sind sie mit einem gelaufen, der sich nicht in die ÖVP-Hierarchie einpflegen lassen wollte. Und letztlich von seiner Partei kein Ticket für eine Spitzenkandidatur erhielt.
Tief sitzender Frust
ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle hat mit dem aus der Bundesregierung in seine Heimatstadt zurückgekehrten Florian Tursky auf das falsche Pferd gesetzt. Der 35-Jährige landete im abgeschlagenen Feld. Anzengrubers Liste „JA – Jetzt Innsbruck“ hingegen schaffte es aus dem Stand auf Platz zwei, er selbst ging im Bürgermeisterrennen gegen Georg Willi (Grüne) mit 59,6 Prozent der Stimmen klar als Erster über die Ziellinie. Letztlich hat einer aus dem Stall der ÖVP das Bürgermeisteramt für das bürgerliche Lager zurückerobert.
Dass Anzengruber sich wieder einhegen lässt, erscheint aber zumindest derzeit kaum vorstellbar. Wer in sein Umfeld hineinhört, muss nicht lange warten, um Episoden von ÖVP-Intrigen gegen den ehemaligen Ringer erzählt zu bekommen. Das sitzt tief.
„Gerechtigkeit siegt“, war da etwa bei der JA-Wahlparty nach der Gemeinderatswahl zu hören. „Skurril“, kommentierte Anzengruber entsprechend, dass Tursky ihn für die Stichwahl empfahl. Man darf annehmen, dass es in nächster Zeit Umgarnungsversuche von der ÖVP geben wird. Am 28. April hätte man daher fast meinen können, dass die ÖVP mit Nationalrat Franz Hörl einen Friedensboten als Gratulanten zur Wahlfeier des neuen Stadtchefs entsandt hat.
Aufeinander zugehen
Mattle beließ es bei einer Aussendung und gratulierte zu einer „beeindruckenden Wahl zum neuen Bürgermeister“. Inzwischen kündigte der ÖVP-Landeschef an, dass „man aufeinander zugehen“ werde. Das wird vor allem die Aufgabe der Volkspartei sein. Für sie liegt Canossa in Innsbruck. Denn was drohen kann, wenn kein Burgfriede zustande kommt, zeigt die Vergangenheit nur zu gut.
2012 setzte die ÖVP der damaligen Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer von der 1994 gegründeten und von oben geduldeten Abspaltung „Für Innsbruck“ einen ehemaligen Rivalen als Gegenkandidaten vor die Nase. Eine Kampfansage. In einer Stichwahl behielt Oppitz-Plörer knapp die Oberhand. Ihre Rache folgte auf dem Fuß. 2013 sah sich ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter mit einer von der Stadtchefin mitgegründeten Liste „Vorwärts Tirol“ bei den Landtagswahlen konfrontiert. Klares Ziel: der Sturz von Platter.
Der kratzte gerade noch die Kurve, auch weil „Vorwärts Tirol“ zwar reüssierte, auf der Zielgeraden durch interne Streitigkeiten aber wohl noch entscheidende Prozentpunkte einbüßte, die das Aus für den Landeshauptmann hätten bedeuten können.
Absprung ins Landhaus
Die Vergangenheit zeigt außerdem: Das Innsbrucker Bürgermeisteramt kann Sprungbrett sein – bei „Für Innsbruck“-Gründer Herwig van Staa 2002 vom Bürgermeister- ins ÖVP-Landeshauptmannamt. 2008 hat wiederum der von der ÖVP abgespaltene Fritz Dinkhauser aus der Position des AK-Präsidenten mit der nach ihm benannten „Liste Fritz“ bei der Landtagswahl vorgemacht, wie man als abtrünniger Schwarzer punkten kann. Er kam aus dem Stand auf 18,4 Prozent.
Unter diesen Vorzeichen könnte Anzengruber über kurz oder lang zur ernsten Gefahr für die Tiroler Volkspartei werden. Am 28. April hat er schon mal Zugkraft quer durch breite Bevölkerungsschichten bewiesen.
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