Im Sirtaki-Schritt in den Koalitionspoker

Der frisch gekürte Stadtchef Johannes Anzengruber tanzte am Sonntagabend mit seinem grünen Vorgänger Georg Willi und SPÖ-Frontfrau Elli Mayr Sirtaki
Am Sonntag feierte der neue Bürgermeister Johannes Anzengruber eine Party über Parteigrenzen hinweg. Am Montag war Schluss mit lustig

Es dauerte bis nach Mitternacht, dass Johannes Anzengruber vor dem Innsbrucker Treibhaus ein paar ruhige Minuten fast für sich alleine fand. Und dann erst so richtig zu realisieren begann, was er an dem langsam ausklingenden Wahlsonntag geschafft hat: Knapp 60 Prozent der Wähler hatten ihn in einem Erdrutschsieg in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Georg Willi (Grüne) ins Bürgermeistamt gespült.

Dass schon im Wahlkampf immer wieder propagierte „Miteinander“ versuchte der 44-Jährige auch bei seiner Siegesfeier in Szene zu setzen. Der Ort – ein vor allem bei Linken beliebter Treff – wurde von dem Bürgerlichen bewusst als Signal gewählt. Und so ergaben sich kuriose Szenerien, über die man sich durchaus wundern konnte.

Blumenzeremonie

Im Treibhausturm, einem der bekanntesten Spielorte der österreichischen Kabarettszene, bat Hausherr Norbert Pleifer gegen 21 Uhr die Hauptproponenten einer möglichen Mitte-Links-Koalition – Anzengruber, den abgewählten Willi und die SPÖ-Stadträtin Elli Mayr – zu einer „Flowerceremony“

Als dann zu einem eingespielten Video die berühmte Titelmelodie des Filmklassikers „Alexis Sorbas“ ertönte, enterte Mesut Onay von der linken Gemeinderatsfraktion ALI die Bühne und zündete einen gemeinsamen Sirtakitanz an.

Harmonie und schrille Szenen waren zuvor schon im vom Anzengruber-Team angemieteten Treibhauskeller angesagt. Der Einladung des neuen Bürgermeisters folgend mussten sich der von Willi und Vize-Kanzler Werner Kogler angeführte Grüne-Tross wie auch andere Politiker erst einmal an wegen Angst vor Überfüllung postierten Türstehern vorbeikämpfen. 

„Feiern ein Volksfest“

Mitten in der Dankesrede von Anzengruber stand dann Wahlverlierer Willi auf der Bühne, zollte dem Sieger und seinen Unterstützern Respekt für deren Erfolg. Und bekam ebenso viel Applaus wie der Triumphator selbst. Als schließlich auch noch SPÖ-Frontfrau Mayr das Wort ergriff, war die vom Ex-Bürgermeister als „Caprese“-Koalition getaufte Lieblingskoalitionsvariante vollzählig vertreten. 

Euphorisiert rief Anzengruber: „Wir machen kein Fraktionsfest, wir machen ein Volksfest.“

Willi, Mayr, Anzengruber

Johannes Anzengruber (re.) will Innsbruck gemeinsam mit Elli Mayrs SPÖ und den Grünen von Georg Willi regieren

Bei aller Harmonie: Grün-Rot-Anzengruber-Weiß ist damit noch nicht eingetütet. Nach ein paar Stunden Schlaf startete der neue Bürgermeister am Montag Sondierungsgespräche, die er – wie angekündigt – mit allen Gemeinderatsparteien führen will.

Einer nach dem anderen

Den Reigen eröffnete er gemäß Stärke mit den Grünen (Platz eins) und der hinter Anzengrubers Liste (JA – Jetzt Innsbruck) drittplatzierten FPÖ. Zu der hatte der nunmehrige Stadtchef stets eine Tür offen gehalten, anklingen lassen, dass unter ihm auch die Freiheitlichen – anders als bei Willi – Ämter für ihren Proporz-Stadtrat bekommen könnten. 

Dass von der FPÖ niemand Anzengruber bei dessen Wahlparty die Aufwartung gemacht hatte, wurde in dessen Lager durchaus registriert. Bis Ende der Woche soll in Sondierungen, für die Vertraulichkeit beschlossen wurde, jedenfalls geklärt werden, mit wem die Bürgermeister-Fraktion Koalitionsgespräche aufnimmt.

Das Sirtaki-Trio käme auf 22 von 40 Mandaten und auch eine Mehrheit im Stadtsenat. Die Zeit drängt. Voraussichtlich am 16. Mai konstituiert sich der Gemeinderat und wählt die neuen Vize-Bürgermeister. Und das sollten dann eigentlich schon die Regierungspartner von Anzengruber sein.

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