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"Die Haft", sagt die St. Pöltner Rechtsanwältin Andrea Schmidt, "verändert einen Menschen." Schmidt hat immer wieder mit Mandanten zu tun, die für einige Zeit hinter Gittern müssen. "Die meisten Häftlinge nehmen zu, weil das Gefängnisessen sehr reich an Kohlenhydraten ist. Und sie werden fahl im Gesicht, weil ihnen in der Zelle das Sonnenlicht fehlt."
Wie der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser seine Zeit im Gefängnis verdauen wird, ist freilich noch unklar. Auch wann er seine Strafe antreten muss, steht noch nicht fest. "Manchmal geht es schnell, aber es kann auch zwei bis drei Monate dauern, bis sich die zuständige Justizanstalt per Schreiben meldet", berichtet Schmidt.
Rechtskräftige Entscheidung
Dass der 59-Jährige ins Gefängnis muss, steht seit Dienstag fest. Wie berichtet, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) hat am Dienstag die erstinstanzlichen Urteile in der Buwog-Causa für die Hauptangeklagten im Wesentlichen bestätigt und über Grasser sowie dessen Trauzeugen Walter Meischberger vier bzw. dreieinhalb Jahre Haft verhängt.
Wo Grasser seine Strafe verbüßen muss, ist noch unklar. Darüber entscheidet das Justizministerium. Klar ist aber, dass der ehemalige Finanzminister seine Haft aufgrund seines Wohnsitzes in Tirol in der Landeshauptstadt antreten muss.
"Ziegelstadel" wird die Justizvollzugsanstalt (JVA) Innsbruck, am westlichen Stadtrand neben Feldern und Wiesen an einer Straße gelegen, im Volksmund genannt. Und wie generell in Österreichs Gefängnissen, herrscht auch hier Platzmangel.
Zusatzbetten in überfülltem Gefängnis
"Wir müssen bereits Zusatzbetten aufstellen", sagt Michael Figl, Mediensprecher der JVA. Ausgelegt ist die Anstalt, in der auch Jugendliche und Frauen untergebracht sind, auf 364 Männer - 437 sitzen derzeit tatsächlich ein.
JVA Innsbruck - hier könnte die Grasser die nächsten Jahre verbringen
Prominente Häftlinge sind hier alles andere als Alltag. "Das waren in meinen 30 Jahren hier vielleicht drei oder vier", sagt Figl, der aber gleich klarstellt: "Es gibt für niemanden Vorzüge. Alle Häftlinge werden gleich behandelt."
Und bei allen Insassen werde bei der Entscheidung, ob sie alleine bzw. mit wem sie in einer Zelle sitzen, darauf geachtet, ob sie Schutz benötigen. Die Bandbreite an Tätern im "Ziegelstadel" ist groß und reicht vom kleinen Drogendealer bis zum Mörder. "Wir haben alle Deliktklassen da", erklärt Figl.
Nicht nur verurteilte Straftäter
Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Innsbrucker Justizanstalt ein gerichtliches Gefangenenhaus ist. Hier sind nicht nur verurteilte Straftäter, sondern auch festgenommene Verdächtige oder Untersuchungshäftlinge untergebracht.
Wenn Grasser hier antritt, darf er unter anderem Hygieneartikel wie Rasierer oder Duschgel mitbringen. Und auch "Privatwäsche", wie der Mediensprecher erklärt. Theoretisch könnte der einstige Spitzenpolitiker im Gefängnis auch weiter Anzug tragen, wenn er möchte.
Ob der 56-Jährige seine gesamte Haft in Innsbruck verbringen wird, ist noch offen. Die Anstalt ist eigentlich darauf ausgerichtet, dass hier nur Strafen bis zu 18 Monatenabgesessen werden. Aber da eben alle Gefängnisse überfüllt sind, kann der Maximalzeitraum auf bis zu sechs Jahre gedehnt werden.
Vorteil von reduzierter Strafe
Und in diesen fällt Grasser aufgrund der Entscheidung des OGH, seine Strafe von acht auf vier Jahre zu reduzieren hinein. Wenn das Justizministerium bei Straftätern über den Haftort entscheidet, wird laut Figl zunehmend auch auf das soziale Umfeld des Verurteilten Rücksicht genommen.
Im Falle Grassers könnte das etwa die Nähe der JVA zum Wohnort seiner Familie in Kitzbühel sein, die Besuchsmöglichkeiten erleichtert.
Einer wie jeder andere ist der gebürtige Kärntner auch, wenn es um das Bestreiten des Alltags hinter Gittern geht. "Jeder Strafhäftling ist zu Arbeit verpflichtet", stellt Figl klar. In Innsbruck gibt es dazu grundsätzlich mannigfaltige Möglichkeiten.
Welche Jobs es für Grasser in Gefängnis geben könnte
"Wir sind Selbstversorger, haben etwa eine Bäckerei, eine Tischlerei, eine Schlosserei, eine Schneiderei, eine Bücherei oder eine Wäscherei", erklärt der Beamte. Allein: "Wir haben nur 250 Arbeitsplätze zur Verfügung." Also zu wenige für alle Insassen.
Wer seinen Tag nicht bei der Arbeit verbringen kann, für den versuchen interne Freizeitgestalter, Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Für Sportaktivitäten stehen unter anderem eine Turnhalle, ein Fitnessraum, ein Fußball- und eine Volleyballplatz zur Verfügung."
"Wir schauen, dass jeder Insasse beschäftigt ist", versichert Figl. Das sei auch im Interesse der Vollzugsbeamten. Eines gilt aber gesetzlich aber für jedermann hinter Gittern: Das Recht auf täglich mindestens eine Stunde Bewegung im Freien–egal ob unbekannter Delinquent oder gefallener Politiker.
(kurier.at)
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