Haftstrafe für Grasser: Wann der Ex-Minister jetzt ins Gefängnis muss

Nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) in der Causa Buwog die erstinstanzlichen Urteile für die Hauptangeklagten im Wesentlichen bestätigt und über den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser sowie dessen Trauzeugen Walter Meischberger vier bzw. dreieinhalb Jahre Haft verhängt hat, stellt sich die Frage, wie es mit den beiden weitergeht. Als gesichert kann gelten, dass beiden zeitnah eine Aufforderung zum Strafantritt ins Haus flattern wird.
Die vom OGH ausgesprochenen Strafen wurden zwar deutlich reduziert, liegen jedoch noch immer über der Grenze von drei Jahren, die eine bedingte bzw. teilbedingte Strafnachsicht ermöglicht hätte. Das heißt, dass aus jetzigem Gesichtspunkt sowohl Grasser als auch Meischberger die über sie verhängten Strafen grundsätzlich zu verbüßen haben.
Strafe ist innerhalb eines Monats anzutreten
Nach dem Gerichtstag im Justizpalast wandert der Akt zunächst zurück zum Wiener Landesgericht für Strafsachen, was aufgrund des Umfangs einige Zeit - Expertinnen gehen zumindest von Wochen aus - in Anspruch nehmen wird. Der zuständige Richter im Grauen Haus fertigt dann hinsichtlich der rechtskräftig erledigten Buwog- und Terminal Tower-Aktenteile eine so genannte Endverfügung aus, die Grasser zugestellt wird. Zugleich erhalten der Ex-Finanzminister und Meischberger eine Aufforderung zum Strafantritt. Verurteilte, die sich wie Grasser und Meischberger auf freiem Fuß befinden, haben die Strafe binnen eines Monats ab Zustellung anzutreten.
Grasser-Prozess: OGH halbierte Freiheitsstrafe auf vier Jahre
Das Gesetz sieht allerdings die Möglichkeit eines Strafaufschubs wegen Vollzugsuntauglichkeit vor. Die Voraussetzungen sind im Strafvollzugsgesetz (StVG) geregelt. Strafaufschiebende Wirkung haben demnach etwa eine Krankheit oder Verletzung und ein sonstiger körperlicher oder geistiger Schwächezustand, wobei der Aufschub nur so lange gilt, "bis der Zustand aufgehört hat", wie es im Gesetz heißt. Ob die behauptete Krankheit oder Schwäche und somit Vollzugsuntauglichkeit vorliegt, muss außerdem ein vom Gericht bestellter medizinischer Sachverständiger bestätigen.
Ein Strafaufschub aus so genannten anderen Gründen - darunter fallen etwa "wichtige Familienangelegenheiten" oder "das spätere Fortkommen des Verurteilten" - kommt bei Grasser und Meischberger nicht in Betracht. Dafür wären Haftstrafen bis maximal drei bzw. ein Jahr erforderlich.
Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate übersteigt, sind grundsätzlich in einer Strafvollzugsanstalt zu vollziehen. Bis klargestellt ist, in welcher Justizanstalt (JA) der Betroffene dauerhaft aufgenommen wird, ist es möglich, den Strafvollzug in einem gerichtlichen Gefangenenhaus einzuleiten. Spätestens nach sechs Wochen hat das Justizministerium - konkret die Generaldirektion für den Strafvollzug und freiheitsentziehende Maßnahmen - in einem so genannten Klassifizierungsverfahren festzulegen, in welcher Strafvollzugsanstalt die Strafe zu vollziehen ist. Dabei ist dem Gesetz zufolge "auf die Wesensart des Strafgefangenen, sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse und die Beschaffenheit der Straftat, deren er schuldig erkannt worden ist, insoweit Bedacht zu nehmen, als es erforderlich ist, um die Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges unter bestmöglicher Ausnützung der Vollzugseinrichtungen zu gewährleisten."
Bedingte Entlassung kann nach Verbüßung der Strafhälfte beantragt werden
Dass Grasser und Meischberger ihre vierjährige bzw. dreieinhalbjährige Haft tatsächlich zur Gänze absitzen werden, halten Kenner der Materie de facto für ausgeschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass nach Verbüßung der Strafhälfte - bei Grasser sind das zwei Jahre - die vorzeitige bedingte Entlassung beantragt werden kann, worüber das zuständige Vollzugsgericht zu entscheiden hat. Allenfalls kann eine bedingte Entlassung mit Auflagen verknüpft werden. Jedenfalls wird eine Probezeit zwischen einem und drei Jahren festgesetzt, innerhalb derer keine Delikte gesetzt werden dürfen, da der Entlassene ansonsten Gefahr läuft, wieder ins Gefängnis einrücken zu müssen.
Da Grasser bisher unbescholten war, die von ihm gesetzten Straftaten geraume Zeit zurückliegen und er sich seither in strafrechtlicher Hinsicht wohlverhalten hat, erscheint eine bedingte Entlassung nach der Strafhälfte durchaus realistisch. Maßgeblich dafür wäre, dass das Gericht davon ausgeht, dass Grasser trotz vorzeitiger Entlassung nicht wieder straffällig wird. Spätestens nach Verbüßung von zwei Dritteln wäre Grasser jedenfalls zu entlassen, es sei denn, besondere Gründe ließen befürchten, dass er wieder straffällig wird.
Gang zum EGMR bewahrt nicht vor Gefängnis
Der elektronisch überwachte Hausarrest - eine so genannte Fußfessel - ist für Grasser derzeit insofern kein Thema, als dafür eine insgesamt zu verbüßende Strafzeit bzw. Reststrafe von maximal zwölf Monaten Voraussetzung wäre. Ein gefinkelter Anwalt könnte allerdings auf die Idee kommen, für Grasser eine Fußfessel zu beantragen, nachdem dieser das erste Jahr seiner Haftstrafe verbüßt hat. Man könnte nämlich argumentieren, dass Grasser nach Verbüßung der Strafhälfte die Voraussetzungen der bedingten Entlassung erfüllt und somit nur noch eine Reststrafe von einem Jahr offen ist. Ob dieser Antrag "durchgehen" würde - Grasser könnte dann das zweite Jahr seiner Strafe statt in Gefängnis im elektronisch überwachten Hausarrest verbringen -, ist allerdings unsicher. Es müssten zahlreiche Bedingungen erfüllt sein, die vom Bewährungshilfeverein Neustart zu erheben und in ein so genanntes Aufsichtsprofil zu gießen wären. Genehmigen müsste einen Fußfessel-Antrag der Leiter jener Vollzugsanstalt, in der Grasser nach dem Klassifizierungsverfahren untergebracht wird.
Fest seht jedenfalls, dass der von Grasser angekündigte Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ihn nicht vor dem Gefängnis bewahren wird. Eine EGMR-Beschwerde gegen ein innerstaatlich rechtskräftiges Strafurteil hat keine strafaufschiebende Wirkung.
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