Die Pandemie ist Geschichte, Insam geht es aber ohnehin nicht vornehmlich um das Coronavirus, das immer noch jede Menge Menschen in den Krankenstand bringt, aber seinen Schrecken verloren hat: "Es geht einerseits um Datenfreiheit, aber auch um andere Viren und Bakterien, die im Abwasser gemessen werden."
In Tirol werden in 42 Kläranlagen gezogene Proben etwa unter anderem auch auf Influenza untersucht.
Hilfe für Gesundheitspolitik
Es gibt, so Insam, für derartige Daten eine "Crowd an Interessierten und Wissenschaftlern, die Modelle rechnen. So können Vorhersagen für Hospitalisierungen erstellt werden." Die Erkenntnisse aus Abwasserproben hätten gesundheitspolitische Relevanz, so Insam.
Er nennt noch ein weiteres Beispiel. So ließen sich etwa Rückschlüsse auf Antibiotika-Resistenzen im Einzugsgebiet von Kläranlagen aus Abwassserproben ziehen. "Man könnte dann einzelnen Spitälern in einer Region empfehlen, gewissen Antibiotika nicht zu verschreiben."
Datensalat
In der Pandemie hatten Wissenschafter immer wieder kritisiert, dass in Österreich jede Menge Daten gesammelt werden, diese aber zum Teil nicht frei zugänglich waren. Außerdem hatte etwa beim heißen Thema Hospitalisierung im Prinzip jedes Bundesland sein eigenes Messsystem.
Es gab unterschiedliche Kriterien, wer etwa als Corona-Patient gezählt wurde oder was als Intensivbett zu werten war. Das erschwerte die Vergleichbarkeit. „Die Daten sind Kraut und Rüben“, ärgerte sich etwa Komplexitätsforscher Peter Klimek noch im dritten Jahr der Pandemie.
Was die Covid-Werte im Abwasser betrifft, ärgerte sich indes Heribert Insam seit nunmehr über drei Jahren, dass Tirol seine Daten geheim hielt. Das hatte schon im Februar 2021 und als erstes Bundesland ein flächendeckendes Monitoring aufgebaut, das bis heute läuft.
Haltung des Landes
Das Land argumentierte gegenüber dem KURIER, warum es mit den Werten hinter dem Berg hielt damit, dass diese "ob ihrer Komplexität von Experten ausgewertet und analysiert werden“ müssten. Ansonsten könne es zu Verwirrung kommen.
Insam stellte schließlich im Jänner 2022 ein Informationsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz an das Land Tirol, um Zugriff auf die Daten zu erhalten. Diesem wurde nun durch ein Erkenntnis des LvWG stattgegeben. Aber warum hat das so lange gedauert?
Zunächst gab es einen negativen Bescheid vom Land Tirol. Die begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren seien keine Umweltinformationen, wurde argumentiert. Die gemessene Virenlast sage nichts über die Wassergüte aus.
Einen Einspruch Insams wies das LvWG zunächst ab. Der Forscher zog mit einem Rechtsanwalt vor den Verwaltungsgerichtshof. Der hob das Erkenntnis aus erster Instanz auf, weil der Forscher nicht im Zuge einer Verhandlung angehört wurde. "Jetzt hat sich das Urteil um 180 Grad gedreht. Nun steht fest: Abwasserdaten sind Umweltinformationen", so Insam.
Der hofft nun darauf, dass nun auch andere Bundesländer, die derzeit noch die Freigabe von diesen Werten blockieren, umdenken.
Erst am Dienstag hatte der Statistiker Erich Neuwirth in einem Bericht zum Anstieg der Covid-Fälle in Österreich in der ZiB2 Intransparenz kritisiert.
So gibt es im Auftrag des Gesundheitsministeriums weiterhin ein österreichweites Corona-Abwassermonitoring. Öffentlich ablesen lässt sich aber daraus nur das Infektionsgeschehen je Bundesland. "Aber wenn man die Daten für jede Kläranlage bekommen könnte, dann wüsste man regionaler, wo es sich häuft", so Neuwirth.
Genau darauf zielt das nunmehr erfolgreiche Informationsbegehren von Insam ab. Er wünscht sich, dass nun das Gesundheitsministerium den Entscheid aufgreift und entsprechend auf die Bundesländer einwirkt.
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