FPÖ-Landeshauptmann Kunasek: "Kein Programm der Grünen und Kommunisten"
Seit rund einer Woche ist Mario Kunasek Landeshauptmann: Erstmals regiert Blau-Schwarz in der Steiermark, der 48-Jährige ist der zweite FPÖ-Landeschef nach Jörg Haider.
KURIER: Um wie viel Prozent hat sich der Verkauf Ihrer Biografie seit dem 18. Dezember gesteigert?
Mario Kunasek: Das weiß ich nicht, das werde ich einmal hinterfragen. Ich glaube, dass das Buch schon davor ganz gut angekommen ist, diese Rückmeldung hatte ich zumindest vom Verlag.
Seite 275 darin ist bemerkenswert, wenn man das Druckdatum bedenkt: "Kunaseks Rolle als künftiger Landeshauptmann". Weshalb waren Sie lange vor dem 24. November derart siegessicher?
Die Biografie ist in einer Zeit entstanden, in der es der FPÖ schon wieder ganz gut gegangen ist. Der politische Trend war für uns da, wir haben im ganzen Jahr schon positive und schöne Wahlergebnisse für uns gehabt. EU-Wahlen und Nationalratswahlen waren der Auftakt in Richtung Landtagswahlen. Es war schon ablesbar, dass wir ein gutes Ergebnis haben werden. Aber das war vielleicht ein bisschen Hellseherei des Biografen.
Sie haben die Koalition mit der ÖVP unter anderem damit begründet, dass sich erst- und zweitstärkste Fraktion zusammentun. Es tatsächlich mit der SPÖ zu versuchen und damit das rote Tabu zu brechen, wonach die SPÖ nicht mit der FPÖ koaliert, hat Sie nicht gereizt?
Ich glaube, wir haben es aufgebrochen, in dem die Sozialdemokratie offen bekundet hat, mit uns gerne in diese Koalition zu gehen. Ich bin aber nach pragmatischen Gesichtspunkten vorgegangen: Der Erste mit dem Zweiten und dass es eben auch viele Überschneidungen gibt, die mit der Sozialdemokratie vielleicht nicht so breit sichtbar waren. Das war dann der Hauptgrund für die Entscheidung. Ich bin da nicht nach irgendwelchen Befindlichkeiten vorgegangen. Am Tempo der Regierungsverhandlungen sieht man dann auch, dass das durchaus positiv eingewirkt hat.
Wenn Sie drei Punkte nennen müssten, die mit der SPÖ nicht in der Form gegangen wären, welche wären das?
Sicherlich die klare und eher strikte Haltung im Bereich Asyl, auch im Bereich der Sozialpolitik und ich denke, auch dort und da im Bereich der Infrastruktur. Das waren Hauptpunkte, wo man gesehen hat, das gibt es mit der ÖVP Überschneidungen. Das war bereits im Wahlkampf so. Wenn man sich Diskussionen angehört hat, hat man schon das Gefühl gehabt, der damalige Parteiobmann der ÖVP hat das freiheitliche Programm gelesen.
Wann haben Sie erfahren, dass Ihnen Ihr Gegenüber bei der ÖVP, Christopher Drexler, abhandenkommt? Das muss sehr kurzfristig gewesen sein.
Ich gehe davon aus, in etwa zeitgleich mit der Öffentlichkeit. Der Montag (16. Dezember, Anm.) dürfte sehr turbulent gewesen sein in der ÖVP. Am Freitag war er noch bei mir, Montagfrüh war er noch bei mir. Und dann haben sich in der Partei Dynamiken ergeben. Das ist nun einmal so, wenn man Wahlen verliert, das kann passieren. Mir persönlich hat es natürlich auch leid getan, wir haben in den Verhandlungen einiges an persönlichen Gesprächen geführt. Aber ich kann das von außen nicht kommentieren, welche Dynamiken da wirklich gewirkt haben. Aber es ist etwas eigenartig, dass man jemanden verhandeln lässt und dann absetzt. Aber Manuela Khom ist ein guter Partner, ich kenne sie wirklich lang als Landtagspräsidentin. Wir haben immer ein gutes Übereinkommen, letztlich zählt das Programm.
Sind Sie eigentlich angerufen worden mit der Ankündigung, in der ÖVP gibt es einen neuen Parteichef?
Es gab diesen Anruf von Drexler Montagnachmittag.
Das war für Sie in Ordnung?
Das kann man von außen ja nicht kommentieren. Aber ich habe schon klar gemacht: Ich möchte, dass die Kernmannschaft der Verhandler - das waren für mich Drexler, Werner Amon, Barbara Eibinger-Miedl, Simone Schmiedtbauer und Karlheinz Kornhäusl – in der zukünftigen Regierung abgebildet sind. Wenn das eine komplett neue Mannschaft gewesen wäre, dass wäre vielleicht dort und da ein Problem gewesen. Aber nachdem es nur zwei Mitverhandler getroffen hat, Drexler und Amon, war das dann für mich okay. Und das Wichtige war, das Programm ist einstimmig vom ÖVP-Landesparteivorstand beschlossen worden.
Ihre Einschätzung: Wie viel Prozent des Abkommens bzw. der darin konkret anvisierten Pläne trägt FPÖ-Handschrift?
Das kann man so nicht bewerten, aber es ist natürlich ein Abbild des Wahlergebnisses. Die FPÖ ist mit 35 Prozent mit Abstand Erste geworden, die ÖVP Zweite, insgesamt sind das 62 Prozent der Wähler in der Steiermark. Das ist ein Programm Mitte-Rechts, ein eher konservatives Programm, wo sicherlich auch die Wirtschaft im Mittelpunkt steht, die Landwirtschaft, aber auch das eine oder andere an gesellschaftlichen Herausforderungen, die wir in den Mittelpunkt rücken. Es sind sehr viele Inhalte, die beide Parteien im Wahlkampf transportiert haben, abgebildet und entspricht über weite Teile auch dem Wunsch unserer Wählerschaft.
Das Programm fällt durch sehr restriktive Maßnahmen im Sozial- und Asylbereich auf, die die Caritas-Präsidentin wörtlich "betroffen" machen. So wollen Sie Gemeinden erlauben, Bettelverbotszonen einzurichten und Zuwanderung unattraktiv machen, wie es im Programm heißt. Aber die neuesten Zahlen zeigen, dass bis Oktober 2024 rund 21.300 Asylanträge gestellt wurden – in ganz Österreich, ein Rückgang von rund 60 Prozent. Braucht es Maßnahmen wie im steirischen Abkommen also überhaupt?
Ja, die braucht es schon. Die Steiermark ist in diesen Fragen nicht allein, sondern zusammen mit anderen Bundesländern, die in diesen Bereichen schon ähnliche Maßnahmen getroffen haben. Nicht nur ÖVP-geführte mit freiheitlicher Beteiligung, sondern ich denke da ans Burgenland. Hans Peter Doskozil ist auch bekannt dafür, Problemstellungen beim Namen zu nennen und ähnliche Lösungen sieht. Aber es braucht sich niemand in der Steiermark Sorgen machen, dass jetzt eine soziale Kälte folgt, im Gegenteil. Wir sind die soziale Heimatpartei. Aber ja, es ist kein linkes Programm, es ist kein Programm, das die Grünen gemeinsam mit Kommunisten geschrieben haben, sondern eines der FPÖ und der ÖVP.
Beruf
Mario Kunasek (*29. 6. 1976), gelernter Kfz-Mechaniker, nach dem Grundwehrdienst Verbleib beim Bundesheer als Berufssoldat.
Politik
2003 Eintritt in die FPÖ, Personalvertreter der AUF im Bundesheer, 2008 – 2015 Mandat im Nationalrat, danach im Landtag Steiermark. Seit 2015 Landesparteiobmann, 18.12. 2017 bis 22. 5. 2019 Verteidigungsminister, danach wieder Landtagsabgeordneter. Seit 18 .12. 2024 Landeshauptmann.
Privat
Seit Juni 2018 verheiratet mit Sabrina, ein gemeinsamer Sohn, Theo (*30. 6. 2019).
Sie haben in einem Interview gesagt, sie seien nicht der Landeshauptmann für alle. Was ist darunter zu verstehen?
Das ist ganz einfach: Man will nicht Landeshauptmann für Islamisten sein und Menschen, die sich radikalisieren. Für Menschen, die sich nicht an unsere Regeln halten. Ich bin formell der Landeshauptmann für alle, aber Politik muss ich für diese Menschen nicht machen.
Wie viele muslimische Mitarbeiterinnen hat die steirische Landesverwaltung eigentlich? Ich nehme an, Sie wissen, worauf diese Frage abzielt – das "Kopftuchverbot" alias Verbot "auffallender religiöser Kleidungsstücke".
Angeblich ist das überschaubar. Aber das macht auch nichts, dann ist das gut so und wir bauen für die Zukunft vor, dann haben wir eine Präventionsmaßnahme gesetzt. Wir wollen eine neutrale Landesverwaltung haben, das wollen wir mit dieser Maßnahme sicherstellen.
Im März stehen mit den Gemeinderatswahlen bereits die nächsten Wahlen in der Steiermark an. In der Vergangenheit tat sich die FPÖ schwer, genügend Leute für flächendeckende Kandidaturen – also in allen Gemeinden - zu finden. Sie gehen vermutlich davon aus, dass mit einem FPÖ-Landeshauptmann dieses Problem erledigt ist?
Man muss trotzdem die Kirche im Dorf lassen. Alle Wahlen spielen nach eigenen Spielregeln, die Gemeinderatswahlen sind historisch betrachtet für uns immer schwieriger gewesen, keine Frage. Beim letzten Mal sind wir aber auch schon in mehr als 80 Prozent der Gemeinden angetreten. Mir ist wichtig, dass wir mit ordentlichen und guten Persönlichkeiten antreten. Wir werden aber Gemeinden haben, wo wir um den Einzug kämpfen, wir werden auch Gemeinden haben, wo wir vielleicht dort und da wieder den Bürgermeister stellen können.
Sie sind nicht nur der erste FPÖ-Landeshauptmann der Steiermark, sondern eventuell auch der erste, der als amtierender Landeschef angeklagt werden könnte, so es denn zu einer rechtskräftigen Anklage kommen sollte, Stichwort Finanzaffäre FPÖ Graz. Wie würden Sie in dem Fall tun? Ihr Amt ruhend stellen, wie etwa die Neos fordern?
Zunächst einmal gilt der Rechtsstaat, das nehme ich auch für mich in Anspruch. Und die Unschuldsvermutung. Und zweitens: Ich weiß zu 100 Prozent, dass es keine Anklage geben wird. In meinem Fall weiß ich, dass ich nichts falsch gemacht habe.
Sie werden auch turnusmäßig den Vorsitz der Landeshauptleute-Konferenz übernehmen. Wie wichtig ist dieses Gremium, das nirgends offiziell verankert ist? Braucht es das?
Ich habe die Landeshauptleute-Konferenz in den vergangenen Jahren dort und da kritisiert, das sage ich offen. Wir haben im Landtag ja auch die Berichte dieser Konferenz erhalten und manchmal formell als FPÖ nicht zu Kenntnis genommen. Aber ich habe jetzt einen anderen Blick auf die Dinge, es braucht starke Bundesländer und eine starke Willensbekundung. Vieles, was dort besprochen wird, sind Dinge, die man dann ja auch der Bundesebene vorträgt und vielleicht Druck aufbaut. Das hat schon seine Richtigkeit und ist gut so.
Im Bund verhandeln ÖVP, SPÖ und Neos seit Wochen. Wie realistisch schätzen Sie es ein, dass die Dreierkoalition kommt?
Das weiß ich wirklich nicht, da fehlt mir der Einblick. Ich kann es nur vergleichen mit den Verhandlungen 2017 zwischen der Kurz-ÖVP und der Strache-FPÖ – und am 18. 12. war meine Angelobung als Verteidigungsminister. Das heißt, wir waren damals zu dem Zeitpunkt bereits fertig mit einem guten Programm für Österreich, das zwar auch dort und da kritisiert wurde, aber von den meisten als positiv gesehen wurde. Bei der vielzitierten Ampel stehen wir immer noch gefühlt am Anfang. Das ist eine instabile Situation, ich persönlich glaube nicht an den Erfolg. Und wenn es zum Erfolg käme, wird das ein Programm sein, wo nicht viel Fleisch am Knochen ist: Wenn sich SPÖ und Neos finden müssen, was soll denn da politisch noch übrigbleiben? Da wäre es vermutlich einfacher, besser und gescheiter gewesen, der Erste verhandelt mit dem Zweiten, so wie Herbert Kickl das auch wollte.
Die FPÖ ist im Bund außen vor, während man in den Bundesländern bereits fünf schwarz-blaue bzw. blau-schwarze Landesregierungen hat. Da stellt sich die Frage, warum die FPÖ Landeschefs so gelassen zusehen, wenn es offensichtlich in der Bundespolitik an einer einzigen Person scheitert mit der Regierungsbeteiligung . . .
Sie meinen Karl Nehammer?
Ich habe die Person gemeint, mit der man offenbar nicht reden will - die heißt Herbert Kickl.
Nein, die heißt nicht Kickl. Wenn man das schon an einer Person festmachen möchte, was ich aber nicht tun will, aber Sie haben das versucht, dann ist das Karl Nehammer. Kickl hat die Wahlen gewonnen, er hat die meisten Vorzugsstimmen von allen Spitzenkandidaten, er ist innerhalb der FPÖ von Vorarlberg bis Niederösterreich unumstritten. Anders verhält es sich mit Nehammer, er ist nicht unumstritten. Da gibt es ja viele Stimmen auch innerhalb der Volkspartei, die sagen, vielleicht sollten wir auch einmal über die Führungsfrage nachdenken. Übrigens etwas, das in der Steiermark passiert ist, auf der Bundesebene noch nicht. Ich sehe überhaupt keinen Grund, an Kickl zu zweifeln. Ich zweifle eher an der positiven Dynamik innerhalb der Volkspartei, denn es wäre ein ganz normaler Prozess, dass man bei verlorener Wahl über die Führungspersönlichkeiten, die persönlichen Befindlichkeiten herunterschraubt und eher das Wohl des Ganzen nach vorne stellt. Es wäre ja eine verkehrte Logik, zu sagen, der Wahlgewinner muss gehen, damit der Wahlverlierer bleiben kann?
Kommentare