Die Lehre aus dem Februar 1934: "Demokratie ist kein Selbstläufer"
Seit 1974 befasse er sich kontinuierlich mit dem Februar 1934, erinnert sich Helmut Konrad, emeritierter Uni-Professor und früherer Leiter der Zeitgeschichte an der Uni Graz.
Fanden die Debatten zuvor eher auf akademischer Ebene statt, habe er jetzt das Gefühl, "es gibt ein brennendes Interesse an dem Thema".
Das könnte an den auffälligen Ähnlichkeiten der Gegenwart mit den 1930er- Jahren liegen: "Fake News dominieren über News, der Antisemitismus nimmt wieder zu“, analysiert Konrad. „Der Gedanke von der Gleichheit der Menschen, der Basis der Demokratie ist, gleitet gerade ein bisschen weg."
Der Kern des 12. Februar
Auch um diese Parallelen aufzuzeigen, eröffnet im Museum für Geschichte in Graz am Dienstag eine Ausstellung, deren Kern die Ereignisse des 12. Februar 1934 bilden. "Auch in Europa ist die Demokratie unter Druck“, betont Museumsleiterin Bettina Habsburg-Lothringen. "Wenn man sich mit den 1930ern beschäftigt, kommt einem da einiges nicht so unbekannt vor."
Die Ausstellung spannt aber auch einen Bogen vom Ende der Monarchie und der Entstehung der Demokratie bis zur Herrschaft der Nationalsozialisten. „Wir haben versucht, die politische Entwicklung der 1930er-Jahre auf die Steiermark herunterzubrechen“, beschreibt Historiker Heimo Halbrainer, gemeinsam mit Konrad Gestalter von "1934 – Preis und Wert der Demokratie".
Die Schau ist bis Ende Mai zu sehen und gliedert sich in vier Teile:
- Die Demokratie entsteht,
- Kampf um die Demokratie
- Zerstörung der Demokratie
- Ende der Demokratie
Die Teile jeweils zwei Teile zusammengefasst in einem Raum dargestellt. Offenkundig sichtbar wird dabei das Gewaltpotenzial: Bereits von Beginn der Ersten Republik an fand politische Auseinandersetzung auch auf der Straße statt – nicht unbedingt friedlich. "Fast jedes Jahr hat es Tote auf der Straße gegeben“, beschreibt Halbrainer.
Christlichsoziale und Sozialdemokraten verfügten mit Heimwehr und Republikanischem Schutzbund über Verbände, die stärker bewaffnet waren als das Bundesheer. Trauriger erster Höhepunkt der sich entwickelnden Gewaltspirale waren 89 Tote und 1.000 Verletzte beim Brand des Justizpalastes in Wien 1927. Ökonomische Krisen machten die Lage noch instabiler, als sie bereits war: "Wer auf ein Auto gespart hat, konnte sich mit dem Geld noch eine Semmel leisten“, macht Zeithistoriker Konrad deutlich.
Autoritäres Regime folgte
"Man kann in der Ausstellung nachvollziehen, wie schnell das demokratische Gefüge beseitigt wird“, betont Halbrainer. Kaum 15 Jahre nach ihrer Einführung war die Demokratie schon wieder Geschichte: Ab Anfang März 1933 regierte Engelbert Dollfuß autoritär mithilfe einer Notverordnung, die aus 1917 stammte.
Parteien werden verboten, die Presse wird zensuriert und die Todesstrafe wieder eingeführt – "bis sich im Februar 1934 eine kleine Gruppe zur Wehr setzt“. Diese kleine Gruppe waren Schutzbündler in Linz, die gegen eine Hausdurchsuchung aufstanden.
60 Todesopfer in der Steiermark
Die Kämpfe danach konzentrierten sich auf Wien und die Steiermark, hier vor allem Bruck an der Mur und den Grazer Bezirk Eggenberg; allein in der Steiermark sind 60 Todesopfer verbrieft, unter ihnen auch zwei durch Hinrichtungen.
Flucht oder Tod
Für diese Tage hat sich Bürgerkrieg als Begriff etabliert, wobei Historiker ihn gar nicht mehr gern nützen. "Eigentlich ist er falsch. Das war eine defensive Verzweiflungstat, ein Verzweiflungsschrei“, begründet Uni-Professor Konrad. "Mit null Prozent Chance, etwas politisch zu erreichen – außer der Flucht ins Exil oder den eigenen Tod.“
Zudem habe ein "heilloses Durcheinander" geherrscht, beschreibt Halbrainer: „In der Steiermark erfährt man eher zufällig aus dem Rundfunk, dass Kämpfe ausgebrochen sind, der Generalstreik ausgerufen und in Linz geschossen worden ist.“
In den meisten Bundesländern passiert nichts, in Wien sind die Kampfhandlungen von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich stark. Aber dennoch markiere der Februar 1934 laut Konrad und Halbrainer den ersten Versuch in Europa, dem Vormarsch der Faschisten mit Waffen entgegenzutreten.
"Nächste Generation wachsam machen"
Demokratie sei "kein Selbstläufer", mahnt Konrad im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen oder Begriffe wie "Re-Migration", die auch in Österreich fallen. "Das Klima heizt sich auf. Der Spruch 'Wehret den Anfängen' ist vielleicht ein bisschen hohl. Aber es geht darum, die nächste Generation wachsam zu machen.“
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