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90 Jahre später haben diese Woche Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) den Jahrestag genutzt, um Lehren für die heutige Demokratie zu ziehen. Allerdings nicht in einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung des Parlaments, sondern getrennt – jede Partei für sich. Zu weit scheinen die beiden Parteien bei der Aufarbeitung der 1930er-Jahre noch auseinanderzuliegen.
Dabei ist man sich einig, dass es damals eine Ausschaltung des Parlaments und „sicher keine Selbstausschaltung“ (Sobotka) gewesen ist. Bei anderen Begriffen wird es schon komplizierter. Während meist die Zeit des Engelbert Dollfuß als „Austrofaschismus“ bezeichnet wird, spricht Sobotka von einer „Kanzler-Diktatur“. Und er fordert „Toleranz und Respekt davor, dass es unterschiedliche Bewertungen von historischen Fakten gibt“.
Für den Nationalratspräsidenten muss aber „das Jubiläum des 4. März etwas anderes auslösen als einen Historikerstreit“. Vielmehr sei das Datum eine Mahnung, dass man um eine Demokratie kämpfen muss. Sobotka: „Die Demokratie hat auch heute Herausforderungen zu bestehen, in Gefahr ist sie allerdings nicht.“
Als die großen Herausforderungen sieht er den aktuellen Vertrauensverlust in die Politik und die Institutionen, das Aushöhlen der Grundrechte, die Gefahren und den Einfluss der Artificial Intelligence AI (künstliche Intelligenz) auf politische Vorgänge sowie Antisemitismus und Ausgrenzungspolitik.
Dagegen ankämpfen will der Nationalratspräsident mit Bildungsformaten, Dialog und einem Monitoring. Gelingen soll das mit Einrichtungen wie der Demokratiewerkstatt für junge Menschen, der Aktion „Parlament on tour“, dem neuen Besucherzentrum im Parlament. Außerdem soll mit dem Politologen Dirk Lange ein Demokratiemonitoring aufgesetzt werden, mit dem die Einstellungen der Bevölkerung zur Demokratie regelmäßig abgefragt werden. Sobotka: „Wir müssen uns immer die Frage stellen, wie können wir die Demokratie stärken.“
Während Nationalratspräsident Sobotka seine Überlegungen zum Jahrestag alleine ausführte, hatte die SPÖ als einzige Partei zu einer entsprechenden Veranstaltung geladen. Auch da wurde das Gedenken als Aufruf zur „Zukunft der Demokratie“ genutzt.
Parteivorsitzende und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner warnte in ihrer Rede, dass die Autokratien weltweit immer mehr zunehmen würden. „Auch in Österreich sinkt die Demokratiequalität, um es sehr charmant auszudrücken.“ Dabei sei diese Gesellschaftsform die einzige, die dafür sorgen könne, dass „wirtschaftliche Macht nicht gleich politische Macht bedeutet“.
Ihre Ansätze zur Stärkung der Demokratie sind: „Wir müssen uns politisch intensiv um soziale Schieflagen kümmern. Funktionierende Demokratien brauchen handlungsfähige und stabile Institutionen. Die Demokratie braucht auch den Rückhalt vieler engagierter und kompetenter Menschen. Wir müssen ein breites Bündnis, ein starkes demokratisches Zentrum schmieden.“
Wobei sie da einen klaren Trennstrich zur FPÖ gezogen hat. Die Sozialdemokratie gebe den Menschen Zuversicht, sagte Rendi-Wagner. Es brauche sie auch, um „der menschenverachtenden Politik der FPÖ entgegenzutreten“.
Die Hauptrede hielt Alt-Bundespräsident Heinz Fischer bei der Veranstaltung. Seine Schlussfolgerung aus dem Jahr 1933: „Eine Demokratie muss von allen gewollt werden.“ Und: „Die Demokratie ist lebendig wie ein Baum. Sie hält viel aus, weil sie starke Wurzeln hat, aber nicht alles.“ Er sehe zwar Gefahren für die Demokratie, sei aber optimistisch, weil „es in fast allen Parteien Verbündete gibt“.
Moderator des Abends war Klubobfraustellvertreter Jörg Leichtfried. Der konnte sich bei der Begrüßung von Heinz Fischer einen Seitenhieb auf Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nicht verkneifen.
Dieser habe leider „die schlechtesten Vertrauenswerte in der Geschichte des Parlaments“. Wobei das danach just von Heinz Fischer bei seinem Talk mit der Philosophin Lisz Hirn relativiert wurde. Da wurde auch über die SPÖ-Kämpferin für Frauenrechte, Johanna Dohnal, gesprochen. Heinz Fischer verwies natürlich auf deren mutige Politik, gestand aber auch, dass sie im Vertrauensindex nie auf den vorderen Plätzen zu finden war.
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