Die Decken hängen herab, sie sind mit schwarzem Schimmel überzogen, die Wohnungen und der Innenhof sind zugemüllt, die Toiletten sind verdreckt und haben zerbrochene Klodeckel. Das Haus an der Laxenburger Straße in Wien-Favoriten war offiziell als Hotel gemeldet, doch Touristen stiegen hier sicher keine ab.
Stattdessen wurden hier bei einer Razzia am 12. August 150 Menschen angetroffen. Für 70 Personen war das Haus zugelassen.
Eigentlich wollte die Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt Wien hier nur mehrere Corona-Verdachtsfälle kontrollieren. Die Personen hatten Kontakt zu Infizierten und sollten deshalb getestet werden. Der Corona-Verdacht bestätigte sich nicht – die Kontrolle lohnte sich trotzdem: Weil die Adresse und vor allem der Betreiber „alte Bekannte“ der Behörden sind, nahm man gleich Verstärkung mit.
Die Fremdenpolizei nahm sechs illegal in Österreich aufhältige Personen fest, die Baupolizei musste die Decken absichern und das Wasser abdrehen. Auch die Gasleitungen waren desolat.
„Es ist Gefahr in Verzug“, war das Urteil aller anwesenden Einsatzkräfte. Die Schlösser wurden ausgetauscht – das Haus darf so schnell niemand mehr betreten. „Das waren widrigste Verhältnisse, das Bild, das sich uns dort bot, war verheerend“, sagt Walter Hillerer, Leiter der Gruppe Sofortmaßnahmen. Die Klos waren am Gang, trotzdem zahlten einige Mieter bis zu 500 Euro pro Zimmer und Monat.
Es sind vor allem Personen mit Migrationsgeschichte, die sich das antun. Oft bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig.
Fünf Jahre ist sie nun her, die große Flüchtlingsbewegung nach Europa. Doch noch immer sind viele nicht ganz angekommen – etwa am Wohnungsmarkt. Das berichtet auch Peter Hyll. Er leitet bei der Caritas ein Startwohnungs-Projekt für Migranten.
Ohne Einkommen und mit schlechten Sprachkenntnissen sei es schwer, eine Wohnung zu finden und Verträge zu verstehen. Auch Diskriminierung sei ein Thema: „Ausländer wollen wir nicht“, lese er immer wieder.
Da man von der Mindestsicherung nur einen kleinen Teil sparen dürfe, fehle dann das Geld für Kaution und Provision. Für Gemeindewohnungen sind die Betroffenen oft nicht lange genug in Wien gemeldet – auch wenn sie aus den Bundesländern zuziehen.
Betrug an den Ärmsten
„Aus Angst, überhaupt keine Wohnung zu finden und in Hoffnung auf eine unkomplizierte Lösung landen Migranten oft bei betrügerischen Vermietern“, schildert Hyll. Auch er hat schon oft von Substandardwohnungen gehört. Zudem hätten sich Mietbetrüger auf „das Geschäft mit den Ärmsten der Armen“ spezialisiert.
Walter Hillerer fühlte sich angesichts des Quartiers in Favoriten an frühere Zeiten erinnert. Der Betreiber des Quartiers, es soll sich um einen gebürtigen Iraker handeln, tauchte 2012 das erste Mal auf, seine Blütezeit hatte er während der Flüchtlingsbewegung 2015.
Schon damals soll er alte Mietskasernen gemietet haben. Er baute die Keller illegal um und zog Wohnkojen ein, um Massenquartiere zu schaffen.
Immer wieder wurden die Häuser gesperrt, viele gibt es mittlerweile gar nicht mehr. „Eigentlich dachten wir, wir hätten ihm das Handwerk gelegt“, sagt Hillerer. Das Problem sei aber, dass den Behörden bei überbelegten Wohnungen, so lange Umbauten nicht illegal sind und keine Gesundheitsgefährdung vorliege, die Hände gebunden sind, sagt Hillerer.
Besonders in Corona-Zeiten seien solche Bedingungen problematisch. Man kontrolliere deshalb in mehrsprachigen Teams und habe eine Servicestelle für die Mieter aus Favoriten eingerichtet. Nur wenige würden diese aber aufsuchen.
Der Iraker soll die Mieter nach der Razzia mit Bussen in andere Quartiere gebracht haben – sie steigen ein, weil sie abhängig sind und keine Hoffnung auf besseren Wohnraum haben. Oft hinken die Behörden solchen Entwicklungen hinterher, meint Hillerer: „Aber am Ende des Tages stehen wir meist als Sieger da.“
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