Wie Integration funktionieren könnte: Sprache lernen und Community-Arbeit
Wie könnte Integration also gelingen? Die befragten Experten plädieren jedenfalls für eine umfassende soziale Betreuung und für ein Erlernen der Sprache.
„Wichtig wäre lebensnahes Arbeiten mit Männern und mit Frauen“, sagt Integrationsexperte und Soziologe Kenan Güngör. „Gut sind auch Vorbilder aus der Community, die Vertrauen genießen.“
Wie zum Beispiel Sara Zirak, die den Schönheitssalon „Beautytown“ nahe der Wiener Mariahilfer Straße führt. „Ich höre oft von anderen Afghanen, dass sie stolz sind auf mich“, erzählt sie.
"Anfangs war es superschwer"
Geboren ist Zirak 1989 in Kabul. „Wir waren eine wohlhabende Familie: die Mutter Professorin, der Vater Polizist.“ Sie flüchteten vor den Taliban, zuerst aufs Land, dann nach Pakistan. Der Vater ging schließlich nach Österreich, 2004 folgte die restliche Familie. „Wir waren in Traiskirchen. Am Anfang war es superschwer für mich“, sagt sie.
Ihr Vater habe ihr in Österreich unter anderem gesagt, sie solle das Kopftuch ablegen und viel lernen, um Erfolg zu haben und sich zu integrieren. „Einen Monat lang habe ich es dann auf den Schultern getragen, weil ich mich ohne irgendwie nackt gefühlt habe. Es ist komisch, wie man das verinnerlicht hat“, sagt sie und lacht.
"Dazu braucht es Mut"
Das Kopftuch abzunehmen rate sie auch afghanischen Frauen in Österreich, die zu ihr in den Salon kommen: „Viele sagen, sie tragen das Kopftuch freiwillig. Aber das müssen sie sagen. Ich ermutige sie, denn sie haben hier alle Möglichkeiten, und ich würde mir wünschen, dass sie ihre Chancen hier nützen.“ Aber sie weiß auch: „Dazu braucht es viel Mut.“
Sie fühle sich hier zu Hause, „aber im Herzen genieße ich auch die Gesellschaft von Afghanen und in meiner Muttersprache zu sprechen“, erzählt Zirak. „Daher wollte ich auch einen Afghanen heiraten. Aber einen, der open minded ist.“
Integrationsverein
Auch die Sozialanthropologin Gabriele Rasuly-Paleczek sieht Potenzial, wenn man Wissenschafter sowie auch Afghanen selbst einbinde: „Die, die hier leben, können als Kulturvermittler fungieren.“ Wie etwa Shokat Walizadeh, der aus der Provinz Ghazni stammt und 2008 nach Österreich kam. Weil er sich dort für Kinder- und Frauenrechte eingesetzt hatte, musste er flüchten.
Da er verschiedene Hürden bei der Integration aus eigener Erfahrung kennt, gründete er gemeinsam mit anderen Afghanen im Jahr 2010 den Integrationsverein „Neuer Start“ (neuerstart.at). Ihm half damals seine Deutschlehrerin, in Österreich Fuß zu fassen.
Er und seine Vereinskollegen helfen nun etwa bei Fragen zum Alltag in Österreich, zu Bildung oder zum Arbeitsmarkt. Sie organisieren Sportveranstaltungen und bieten Workshops, etwa zu interkultureller Kompetenz. Und sie sind Vertrauenspersonen, mit denen die Menschen in ihrer Muttersprache reden können.
„Aber es beginnt mit der deutschen Sprache“, sagt er. „Nur warten, essen und schlafen ist ein Fehler. Man hat 24 Stunden pro Tag Zeit und sollte diese nützen, um Deutsch zu lernen.“ Daher besuchte Walizadeh 2015 und 2016 mit seinen Vereinskollegen auch Flüchtlingsheime und brachten neu angekommenen Afghanen Wörterbücher, Papier und Kugelschreiber.
Leider, sagt Walizadeh, werde diese Art der Community-Arbeit von der Politik in Österreich noch nicht genug gefördert und wertgeschätzt. „Diese Arbeit könnte neben der Sprache der Schlüssel zur Integration sein. Das ist etwas anderes als ein Vortrag über die österreichischen Werte, wo die Menschen einen Tag lang hören, was sie dürfen und nicht dürfen. Wir können mit ihnen auf Augenhöhe sprechen.“
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