Über die Grausamkeiten, die er damals erleben musste, möchte er nicht mehr im Detail sprechen. „Den Grad der Verrücktheit kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt er. Viele der Kinder wurden unter Drogen gesetzt und zu Gewalttaten gezwungen. Er selbst habe sich im Umgang mit Waffen absichtlich ungeschickt angestellt, daher wurde er stattdessen dazu auserkoren, die Beute von Plünderungen kilometerweit durch das Land zu schleppen.
Seine Mutter suchte ihn jahrelang
Seine Mutter habe lange nicht gewusst, ob er noch am Leben sei: „In Spitälern wurden damals Fotos von Menschen aufgehängt, denen Gliedmaßen abgehackt wurden oder die getötet worden waren“, erzählt Charles. Jahrelang habe sie ihn dort gesucht.
Als er endlich in Freiheit war, riet ihm seine Mutter zuerst davon ab, über seine Erlebnisse zu sprechen.
Wie er das lange Schweigen durchbrach
„Sie hatte Angst, dass ich dann stigmatisiert bin. Dass mich alle nur fragen, wie viele Menschen ich getötet habe.“ Erst als ihn 2012 ein Priester fragte, wo er während des Bürgerkriegs gelebt habe, brach die Geschichte aus ihm heraus. 2017 begann er schließlich, seine Erlebnisse mithilfe seiner Frau aufzuschreiben.
"Ein Zeichen, mich für andere einzusetzen"
Mit seinem Buch, sagt Charles, wolle er zeigen, dass man selbst große Schwierigkeiten meistern kann. „Und dass man nicht auf die hören soll, die sagen, man kann etwas nicht.“ Er habe immer davon geträumt, Arzt zu werden. „Da wir arm waren und ich so lange entführt war, ging das nicht.“ Doch er schloss die Schule ab und arbeitet nun im humanitären Bereich. „Denn dass ich all das überlebt habe, sehe ich als Zeichen, mich für andere einzusetzen.“
So engagiert er sich etwa für den Wiederaufbau eines Spitals für Kinder und Schwangere. Vor allem aber möchte er, dass nachfolgende Generationen aus der Geschichte lernen: „Krieg ist nie die Lösung. Darunter leiden immer Unschuldige. Bei uns sagt man: Die Elefanten kämpfen – aber das Gras leidet.“
Hintergrund: Zehntausende Kinder werden weltweit jedes Jahr von bewaffneten Gruppen entführt
Millionen Kinder weltweit werden in Konfliktgebieten geboren. Sie leben in Angst, häufig werden sie auch verletzt, bedroht oder verstümmelt.
Oder sie werden rekrutiert, um anderen genau diese Grausamkeiten anzutun: Armeen sowie bewaffnete Gruppen entführen immer wieder Kinder, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Zehntausende Kinder und Jugendliche dürften jährlich betroffen sein. Genaue Zahlen sind schwer zu eruieren, da die Rekrutierung meist in schwer zugänglichen Kampfgebieten erfolgt.
Sie werden nicht nur zum Kampf gezwungen
Die entführten Mädchen und Buben werden nicht nur zum brutalen Kämpfen gezwungen. Die UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, weist darauf hin, dass der Begriff „Kindersoldat“ insofern irreführend sein kann: So werden die Minderjährigen von den bewaffneten Gruppen etwa auch zu Botengängen, Wachdiensten oder anderen Hilfsarbeiten gezwungen. Manche kommen gar als Selbstmordattentäter zum Einsatz, andere werden als menschliche Schutzschilde missbraucht. Mädchen wiederum werden oft zu sexuellen Diensten gezwungen oder zwangsverheiratet.
Daher verwendet die UNICEF den freilich etwas sperrigen Begriff „Kinder, die von Armeen oder bewaffneten Gruppen rekrutiert und eingesetzt werden“.
Traumata prägen den weiteren Lebensweg
Laut einem Bericht des Spiegel laufen vor allem Kinder in Afghanistan, Syrien, dem Jemen, auf den Philippinen oder im Irak Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden. Auch in Somalia, im Sudan, in Kamerun, Libyen, der Demokratischen Republik Kongo oder auch Nigeria ist die Gefahr sehr hoch.
Selbst wenn die Kinder wieder frei kommen, prägen meist die erlittenen Traumata den weiteren Lebensweg der Opfer. Manche werden von ihren Familien verstoßen, da sie in ihren Dörfern als Mörder angesehen werden. Viele leiden an gesundheitlichen Problemen, oft wird Drogenmissbrauch zum Problem.
Mehrstufiges Programm für befreite Kinder
Laut UN-Jahresbericht konnten im Jahr 2021 durch die Vermittlung der Vereinten Nationen mehr als 12.000 Kinder aus bewaffneten Gruppen befreit werden. Die UNICEF hat ein mehrstufiges Programm entwickelt, um den ehemaligen Kindersoldaten zu helfen: Sie werden etwa in Übergangszentren untergebracht und können die Uniformen gegen Alltagskleidung tauschen.
Ebenso stehen ihnen Ärzte, Sozialarbeiter und Therapeuten zur Seite. Helfer unterstützen die Kinder und Jugendlichen außerdem dabei, wieder die Schule zu besuchen, oder sie nehmen Kontakt zu den Familien der Opfer auf. So könnte zumindest manchen von ihnen der Weg zurück in ein geregeltes Leben gelingen.
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