Weniger Erschütterungen: Corona lässt die Erde ruhiger werden

Weniger Erschütterungen: Corona lässt die Erde ruhiger werden
Menschen verursachen weniger Vibrationen, Seismologen können besser unter die Oberfläche schauen.

Weniger Verkehr, kaum Industrie. Viele Straßen weltweit waren oder sind wie leer gefegt. Unternehmen standen oder stehen still, haben ihren Betrieb zurückgefahren. Der „Lockdown“ ganzer Gesellschaften hat auch für die Naturwissenschaften messbare Auswirkungen. Und da geht es nicht nur um den Rückgang von Emission.

Für Seismologen bietet der Ausnahmezustand eine noch nie da gewesene Möglichkeiten, neue Daten zu sammeln. Warum? Die Erdoberfläche ist jetzt in der Corona-Krise ruhiger geworden.

Risikoabschätzung

„Sie bewegt sich weniger“, sagt Anton Vogelmann vom Erdbebendienst der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik). Weil die durch Menschen verursachten Erschütterungen zurückgehen, haben die Wissenschafter die Gelegenheit, noch kleinere – nicht spürbare – Beben über ihre hochempfindlichen Messgeräte zu entdecken. Auch in Österreich. Das sei eine wichtige Grundlage für die Risikoabschätzung oder auch für erdbebengerechtes Bauen in Österreich, erklärt Vogelmann.

Weniger Erschütterungen: Corona lässt die Erde ruhiger werden

Normalerweise erzeugen Autos, Züge, Lkw, Maschinen eine leichte Bewegung der Erde, die die Messgeräte aufnehmen. Es entsteht eine Art Grundrauschen. „Noise“ nennen das die Geophysiker. Für sie nur ein Störgeräusch, das anderes überdeckt.

Ein einziges Sägewerk etwa verursacht in 30 Kilometern Entfernung noch Ausschläge auf den Seismografen. Die Erschütterungen haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen – bis zum Ausbruch der Krise. Der Stillstand der Erde in Zeiten von Corona ist eindeutig messbar. In vielen Orten war es werktags in Österreich so „ruhig“ wie an Wochenenden oder in der Nacht, beschreibt Vogelmann die Situation. Zu sehen ist das auch auf dem Live-Seismogramm vom Conrad-Observatorium in Niederösterreich.

Weltweit berichteten Forscher laut dem Wissenschaftsjournal Nature, von diesen Corona-Auswirkungen, vor allem rund um die Ballungszentren.

600 Erschütterungen pro Jahr
Vom Österreichischen Erdbebendienst werden jährlich 600 Erschütterungen untersucht. Mehr als die Hälfte stammt von Sprengungen.  Die Bevölkerung nimmt 30 bis 60 Beben wahr. Dazu kommen noch 4.000 Erdbeben im Ausland, die bei der ZAMG registriert werden.

Gebäudeschäden
Im Schnitt ereignet sich alle drei Jahre ein Erdbeben, das leichte Gebäudeschäden zur Folge hat alle 15 bis 30 Jahre eines mit mittleren Gebäudeschäden und alle 75 bis 100 Jahre ein Erdbeben, das vereinzelt zu schweren Gebäudeschäden führen kann. Alle Daten werden gesammelt und  in den Bauordnungen berücksichtigt.

Beben besser erkennen

In Belgien sei die Situation mit der Ruhe zu Weihnachten zu vergleichen, erklärte der Forscher Thomas Lecocq vom Königlich Belgischen Observatorium in Brüssel schon Ende März. Beben und Nachbeben seien in dieser Phase vielleicht besser zu erkennen, zitiert das Magazin Andy Frassetto, einen Seismologen aus den Washington DC (USA). Aber auch Erschütterungen, die unter einem Vulkan aufsteigendes Magma hervorruft.

Vogelmann rechnet längerfristig mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Krustenaufbau der Erde. „Das zusätzliche Datenmaterial wird Fortschritte bringen.“ Das schrittweise Aufmachen in Österreich hat bis jetzt lediglich kleine Veränderungen bewirkt. „Es ist nur ein leichter Anstieg bei den Erschütterungen zu bemerken.“

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