Wie Politiker und Prominente mit Hasspostings umgehen.
15.06.16, 15:53
Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, ob gewollt oder nicht, kann ein Opfer werden. Die ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher wurde nach dem TV-Duell zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, das sie moderierte, wüst beschimpft. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) wurde auf der Facebookseite von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache der Tod durch eine "schnelle Kugel" gewünscht. Die neue Staatssekretärin Muna Duzdar wurde alleine wegen ihrer Religion Opfer von Hasspostings. Wir haben Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, gefragt, wie sie mit dem Hass umgehen, der sich in Internetforen gegen sie richtet. Ob sie den Hass ignorieren, ob sie auf die Poster reagieren, wie sie im Netz agieren.
Christian Kern, Bundeskanzler (SPÖ): Aus der Geschichte wissen wir, dass der Gewalt der Worte oft die Gewalt der Taten folgen. Die Geister, die da gerufen werden, wird man so schnell nicht wieder los. Ich appelliere deshalb an alle, schon durch die eigene Wortwahl einen Beitrag zu einem guten Miteinander in unserem Land zu leisten. Ich freue mich, dass auf meiner Facebook-Seite viel konstruktives Feedback, Ideen und gute Argumente von Userinnen und Usern gepostet werden. Auf der Seite gibt es auch klare Regeln, dort gilt ein respektvoller Umgang, Argumente werden ernst genommen. Klar ist aber auch: Persönliche Untergriffe – egal gegen wen sie sich richten – akzeptieren wir nicht. Gewaltaufrufe, beleidigende, diskriminierende Postings oder Kommentare werden gelöscht – im Ernstfall zur Anzeige gebracht und User auch gesperrt. Die Seite soll zu einem besseren Umgang miteinander in Österreich beitragen – auch im Netz.
Ingrid Thurnher, Moderatorin: Auf Hasspostings kann ich nur in einer Weise reagieren: nämlich gar nicht. "Meinen Hass bekommt ihr nicht", lautet da mein Motto. Niemand, der so etwas postet, soll sich auch noch wahrgenommen, oder gar ernst genommen fühlen.
Gerald Fleischhacker, Kabarettist:Ein Hauptproblem, das ich sehe, ist, dass dieses Klima akzeptiert wird. Es ist plötzlich "total“ okay, zu schimpfen zu hetzen und zu beleidigen. Dinge die am viel zitierten Stammtisch nicht gesagt würden gehen im Internet offensichtlich ganz leicht. Was ich dagegen tue? Ich bekomme sehr wenig Hass ab. Wenn, dann versuche ich diese Menschen in ein Gespräch zu verwickeln. Direkt und ruhig mit ihnen zu "reden“. Geht manchmal. Wenn es nichts bringt, dann blockier ich. Dadurch ist der Hass zwar nicht weg, aber ich muss mich damit nicht beschäftigen. Wenn es aber strafrechtlich relevant oder meine Familie betreffen würde, dann würde ich rigoros dagegen vorgehen.
Klaus Oppitz, Autor: Wenn in Kommentaren zu Mord und Vergewaltigung aufgerufen wird, gibt´s keine Diskussion. Das ist ein strafrechtliches Delikt und muss vor Gericht verhandelt werden. Sonst ist es eine Frage der Dynamik. Hasserfüllten Postings mit Sarkasmus zu begegnen, heizt alles nur noch weiter an. Fakten und nüchterne Argumente sind zumindest eine Chance, Beruhigung in die Sache zu bringen. Große Ausnahme sind leider die Facebook-Seiten der FPÖ. Vor allem auf jener von Strache selbst werden Kommentare, die nicht ins rechte Weltbild passen, einfach gelöscht und die Verfasser blockiert. Inzwischen hat sich dort alles auf eine virtuelle Kampftruppe komprimiert, die bereits auf einzelne Reizwörter wie "Flüchtling" oder "Ausländer" mit blanker Wut reagiert. Dagegen hilft nur öffentliche Aufklärung, um ein Bewusstsein unter den Usern zu schaffen, womit sie es zu tun haben.
Klaus Schwertner, Caritas-Geschäftsführer: Auch im Netz sollte es um Dialog, um Argumente und um eine Abrüstung der Worte gehen. Das ist das Ziel und dieses Ziel versuche ich nach Möglichkeit auch dann zu erreichen, wenn ich mit Hasspostings konfrontiert bin. Denn nur ein Dialog kann auf lange Sicht verhindern, dass sich jene, die gerne vor Parallelgesellschaften warnen, in immer krudere Parallelöffentlichkeiten zurückziehen – in Foren, in denen keine Gegenargumente mehr zugelassen werden und in denen nur mehr die eigene Wahrheit zählt.
Ingrid Brodnig, Medienjournalistin: Das Wichtigste ist für mich: Hasspostern zeigen, dass sie einen nicht aus der Ruhe bringen. Wenn mich ein Kommentar erzürnt, nehme ich die Hände von der Tastatur, atme tief durch. Im Optimalfall fällt mir dann sogar eine ironische Antwort ein. Denn Humor ist die souveränste Reaktion! Wer auf einen aggressiven Kommentar mit Humor antwortet, zeigt, dass er sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Auch beruhigt Humor sehr viele Situationen. Aber natürlich gibt es Momente, da vergeht einem das Lachen. In Härtefällen empfehle ich, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Dafür haben wir Gesetze: Sie schützen uns vor unfairen Attacken - auch jenen, die im Netz passieren.
Eva Glawischnig, Chefin der Grünen:Hass und Hetze dürfen im Internet keinen Platz haben. Umso wichtiger ist es ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Hier gelten die Gesetze genauso wie im realen Leben. Gerade wenn es um Hetze, Verleumdung oder um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten auf Internetplattformen geht, gibt es dazu eine eindeutige Judikatur. Wir Grüne sind daher juristisch gegen diesen gezielt gesteuerten Hass vorgegangen. Bis jetzt haben wir jedes Verfahren, das wir angestrebt haben, auch gewonnen. Das daraus uns zugesprochene Geld haben wir karitativen Einrichtungen gespendet.
Muna Duzdar, Staatssekretärin u.a. für Digitales (SPÖ):Hasspostings darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Schlüssel ist die Sprache: Gerade in den sozialen Medien fallen derzeit alle Barrieren und es findet eine Verrohung der Sprache statt. Es geht dabei weniger um die Angriffe gegen mich als Person, die es leider auch gibt - auch wegen meines kulturellen Hintergrundes. Mir geht es vielmehr darum, Hasspostings als gesellschaftliche Herausforderung einzuordnen und zu behandeln. Die Kultur und der Umgang im Netz sagen viel über das Miteinander in unserer Gesellschaft aus. Mir ist es wichtig, UserInnen, die den Hass im Netz nicht hinnehmen wollen, zu bestärken und Handlungsstrategien zur Gegenrede aufzuzeigen. Wir haben eine starke und funktionierende Zivilgesellschaft, auch online. Die vielen Menschen, die sich engagieren und freiwillig für andere Menschen und unser Zusammenleben arbeiten, will ich darin stärken, auch im Netz aktiv zu werden und ihre Stimme zu erheben. Es geht darum, die Lufthoheit an den verschiedenen Stammtischen, sei es offline oder online, zu gewinnen.
Ute Bock, Flüchtlingshelferin:Für mich hat jeder das Recht auf seine Meinung. Solange man damit niemanden beleidigt oder schadet. Ob auf der Straße, in der Ubahn oder im Internet ist für mich völlig gleich. Anonym vorm Computer ist natürlich besonders feig. Meine MitarbeiterInnen zeigen mir oft die Kommentare aus dem Internet und ich bin manchmal schon schockiert, wie die Leut’ sich so was trauen. Es ist eine Schande, wie da bequem von zuhause aus gegen Menschen Stimmung gemacht wird. Meist ohne irgendwelche Folgen. Ich vertrau auf meine Leut', die wissen was man mit solchen Kommentaren macht. Auch bei der Polizei haben wir eine Ansprechperson, den kenn ich schon seit vielen Jahren und wenn es zu arg ist, wird er informiert.
Fadi Merza, Boxer:Das hab ich damals zu spüren bekommen, als die Flüchtlingswelle Anfang 2015 begonnen hat und ich meine Spendenaktion für die Flüchtlingskinder begonnen habe. Damals habe ich sehr viele Hass-Nachrichten von anonymen Menschen erhalten, diese Nachrichten haben mich gar nicht aufhalten können, weil solche Menschen in einer virtuellen Welt leben und keinen Bezug zur Realität haben! Ich nehme solche Hasspostings gar nicht ernst! Ich antworte Ihnen immer, wenn sie ein Problem haben mit dem, was ich poste beziehungsweise unternehme, dann müssen Sie mir das schon persönlich sagen! Und man kann mich fast täglich in meinem Boxclub finden! Dann kommt aber meistens nichts mehr zurück.
Leo Lukas, Kabarettist:Direkt betroffen bin ich nicht, da ich in meiner Facebook-Freundesliste nur Leute mit einer gewissen Diskussionskultur belasse. Jedenfalls bin ich dafür, dass streng bestraft wird, was nach dem Gesetz strafbar ist. Und es sollte möglichst starker Druck auf Facebook ausgeübt werden, was die einseitige "Sperr-Politik" betrifft (Busen sofort, Morddrohung kaum).
Manuel Rubey, Schauspieler: Ich finde es gibt kein Mittel gegen Hass im Netz. Außer: nicht zurückhassen und hoffen, dass das Lob- und Liebesdefizit dieser Menschen bald ausgeglichen wird und diese voller Scham nur noch schöne Dinge schreiben. (Das ist natürlich eine Utopie, aber ich mag Utopien.)
Es reicht! - #gegenhassimnetz
Der KURIER geht jetzt gegen Hasspostings vor. Anlass war ein Artikel auf kurier.at: Weil sie Gratis-Schwimmkurse für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge anbietet, erntete die Kärntner Wasserrettung einen Shitstorm. Bei einem Einsatzfahrzeug wurde eine Scheibe eingeschlagen. Als der Artikel auf Facebook gestellt wurde, postete eine Userin darunter, die Flüchtlingskinder meinend: "Dann sollns halt ersaufen!!!!" Das Posting wurde zur Anzeige gebracht.
Schwerpunkt auf kurier.at und auf profil.at
In den kommenden Wochen wird das Thema "Gegen Hass im Netz" auf kurier.at im Fokus stehen. Diskutieren Sie mit, erzählen Sie uns Ihre Erfahrungen und sagen Sie uns, wie Sie mit der Wut im Netz umgehen. Auch das Nachrichtenmagazin Profil wird sich mit kurier.at gemeinsam dem Thema widmen. Mehr dazu auf www.profil.at.
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