Warum der Winter gar nicht mehr kommen muss
„Starten Sie mit uns in Ihren Skiwinter – ab 19. Oktober durchgehender Skibetrieb am Resterkogel“, wirbt die Panoramabahn Kitzbüheler Alpen GmbH.
Das Foto, das zeigt, wie das funktionieren soll, ging in den vergangenen Tagen um die Welt. Zu sehen ist da ein „irrwitziges Schneeband“, so kritisierten das die Grünen. Ein schmales Schneeband aus angekarrtem Altschnee, und das bei 19 °C plus, wohlgemerkt.
"Aufgrund von weiter verbesserter Konservierungsmethoden sowohl was Formung des Schneedepots als auch Verbesserung der Isolationsmaterialien anbetrifft, konnte der Abschmelzfaktor gesenkt und die Konservierungseffizienz weiter erhöht werden", heißt es dazu von seiten des Liftbahnbetreibers: "Von den am Ende des letzten Winters zusammengeschobenen 38.500 m3 Altschnee sind über den Sommer weniger als 5.000 m3, folglich weniger als 13 %, abgeschmolzen. Somit ist die 700 m lange und 60 m breite Pistenfläche mit einer für den anspruchsvollen Trainings- und sicheren Publikumsskilauf Rechnung tragenden Schneeauflage in Höhe von 80 cm abgesichert."
"Mit Skifahren hat das sicher nichts zu tun", reagierten die Tiroler Grünen verärgert.
Ab ja, der Winter beginnt jetzt. Bei spätsommerlichem Wetter werden die ersten Pisten präpariert.
Aber kann das gut gehen – und wie lange noch? Oder erleben wir wegen der Klimakrise schon die letzten Skisaisonen in Österreich?
Natürlichen Schnee wird es in Österreich langfristig immer weniger geben, die Skination wird dennoch auch die nächsten Jahrzehnte weiter auf den Hängen der über 400 Skigebiete Österreichs wedeln können – auf diesen Satz lassen sich die Prognosen der Klima- und Wetterforscher zusammenfassen.
Warum das kein Widerspruch ist, erklärt der Leiter der Abteilung Klimaforschung der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik), Marc Olefs, im Gespräch mit dem KURIER.
Zuerst zu den Fakten
- Global ist es (seit dem 19. Jahrhundert) um mehr als 1 °C wärmer geworden, im Alpenraum um fast 2° C. „Vor allem weil sich die Luft über Landmassen deutlich stärker erwärmt als über den thermisch trägeren Ozeanen“, sagt Olefs.
- Die natürliche Schneedecke wird bei global ungebremsten Treibhausgasemissionen bis Ende dieses Jahrhunderts in tiefen Lagen um bis zu 90 Prozent abnehmen, in höheren Lagen (ab 1.500 Meter) um rund 50 Prozent abnehmen. Sollten tatsächlich global drastische Klimaschutzmaßnahmen greifen, und die Klimaschutzziele (nicht viel mehr als 1,5 °C Erwärmung) eingehalten werden, rechnen die Forscher mit einer Abnahme der natürlichen Schneedecke um 40 bis 50 Prozent, in höheren Lagen um weniger als 20 Prozent.
- Die Niederschläge in den Alpen werden in den Wintermonaten eher etwas zunehmen. Hochgelegene Skigebiete könnten also vom Schneefall zumindest im Kernwinter kurzzeitig profitieren, für niedrig gelegene Gebiete unter 1.500 Meter wird es schwieriger werden, da durch den Regen die Schneedecken, egal ob natürlich oder künstlich, schneller abschmelzen werden.
- Die Schneedeckendauer ändert sich ebenfalls signifikant, der Start verschiebt sich um rund einen Monat nach hinten, das Ende wird um bis zu drei Monate früher erwartet. „Weiße Weihnachten werden wir Ende des Jahrhunderts ohne Klimaschutz in tiefen Lagen kaum mehr erleben“, sagt Forscher Olefs.
- Durch die höheren Temperaturen werden die Zeitfenster zum Anwerfen der Schneekanonen immer kleiner – auch in der Nacht.
- Bis Ende dieses Jahrhunderts werden im österreichischen Alpenraum kaum mehr Gletscher zu finden sein. Die Forscher erwarten einen Rückgang der „ewigen“ Eismassen von mehr als 90 Prozent, bestenfalls Reste großer Gletscher (etwa Pasterze) werden noch zu sehen sein. Österreichs Gletscher haben seit der letzten „kleinen Eiszeit“ (seit 1850) bereits rund 60 Prozent ihrer Eismasse verloren.
Schneekanone statt Frau Holle
Keine guten Nachrichten also. Dennoch: Mittelfristig ist der Wintersport in den Alpen gesichert. Auch in niedrigen Gebieten wird das möglich sein, allerdings – und jetzt kommt der Haken – zu extrem hohen Kosten. Denn der technische Aufwand, die Skipisten zu beschneien, die Menge an benötigtem Wasser und der Strom für die Schneekanonen steigen seit Jahren und werden noch weiter steigen.
„Will man die derzeitigen Kapazitäten für die Skipisten aufrechterhalten, brauchen wir deutlich mehr Effizienz im System, um mit der Erwärmung mithalten zu können“, erklärt Marc Olefs. Die meisten Skigebiete erzeugen längst ihren Schnee „künstlich“, sollte natürlicher Schnee fallen, ist das vor allem fürs Auge schön. Für das Skifahren auf Pisten ist das nicht mehr so wichtig.
Das nächste Problem betrifft die warmen Temperaturen. Denn Beschneien macht erst in kalten Nächten unter –2 °C Sinn. Essenziell ist dabei auch die Luftfeuchtigkeit, je trockener die Luft, desto besser lässt sich Schnee produzieren. Durch die Erwärmung sind die Zeitfenster, wann die Schneekanonen angeworfen werden können, immer kleiner. In kurzer Zeit muss dann viel mehr Schnee produziert werden. „Das wird die große Herausforderung der Skigebiete.“
Der ökologische Fußabdruck der Kanonen in Österreich sei aber vernachlässigbar. „Das meiste produzieren Gäste nach wie vor bei der An- und Abreise mit dem Pkw sowie bei der Beherbergung. Da wäre aus unserer Sicht eher Potenzial zum Sparen, etwa durch Angebote zum klimaneutralen Reisen.“
Zugegeben, die vergangenen beiden Skisaisonen waren nicht nur für Hoteliers und Liftbetreiber glückliche, mit teils enormen Schneemengen. Der Klimaforscher gibt aber zu bedenken, dass es schon immer natürliche Schwankungen mit mehreren schneearmen oder auch schneereichen Wintersaisonen gab .
Aber es kann auch mal schlecht laufen: Mehrere schneearme Winter in Folge, dazu hohe Investitionskosten für die künstliche Beschneiung und steigende Betriebskosten, dann werden vor allem kleine Skigebiete in niedrigen Lagen zusehends unter Druck geraten. Auch weil sie mit den Großen, höher Gelegenen nicht mehr mithalten können. Es gibt auch in Österreich bereits Skigebiete, die für immer zugesperrt haben.
Es lässt sich aber nicht pauschal sagen, wie sich die Klimakrise und die Erwärmung auf die einzelnen Skigebiete mittelfristig auswirken wird: „Das hängt von der Höhe und vom Mikroklima ab.“
Landschaftsbild
Schmerzlich ist das sichere Aus aller heimischen Gletscher. In Island wurde im vorigen Monat der erste Gletscher für tot erklärt, es ist ein weltweites Phänomen. Doch anders als im Himalaja oder in Südamerika, wo oft die Wasserversorgung wesentlich von den Gletschern abhängig ist, ist das Abschmelzen unserer Gletscher weder für das Trinkwasser, noch für die Wasserkraft oder die großen Flusspegel wichtig.
„In der gesamten Eismasse unserer Gletscher ist in etwa nur ein Fünftel der Menge an Wasser gespeichert, die im Mittel pro Jahr in ganz Österreich als Niederschlag fällt“, sagt der Klimaforscher. „Die Hauptauswirkung betrifft also eigentlich nur mehr das Landschaftsbild.“
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