Warum das Beichtgeheimnis in Österreich unantastbar bleibt
Es gibt Unruhe im Vatikan. Diesmal geht es aber nicht um Papst Franziskus, sondern um Vorkommnisse in Frankreich. Dort hat der Staat wegen vieler Missbrauchsfälle das Beichtgeheimnis in Frage gestellt. Paris ist in jüngster Geschichte aber nicht der einzige derartige Vorstoß. Im Jahr 2011 gab es eine ähnliche Debatte im katholischen Irland. Auch dort ging es um Kindesmissbrauch.
Dass deswegen am vergangenen Freitag Kurienkardinal Mauro Piacenza ausrückte, um dazu einige Dinge klarzustellen, zeigt, wie sehr dieses Thema die katholische Kirche in ihrem Innersten trifft. Der Kardinal betonte, dass die Beichte als „Sakrament im Namen der Religionsfreiheit geschützt werden müsse. Jeder Eingriff sei als „unrechtmäßig und als Verletzung der Gewissensfreiheit anzusehen“. Der Kardinal verwies auch darauf, dass nicht einmal der Beichtende selbst dieses Geheimnis lösen könne. „Der Beichtende redet nicht mit dem Beichtvater, sondern mit Gott. Sich das anzueignen, was Gott gehört, wäre ein Sakrileg“, sagte Mauro Piacenza.
Schutz durch Verfassung
So ein Konflikt wie in Frankreich wäre in Österreich derzeit nicht möglich, sagt Universitätsprofessor Andreas Kowatsch, Leiter des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht. Kowatsch: „Nach dem geltenden Recht in Österreich wäre dieser Konflikt nicht möglich, politisch ist er natürlich immer möglich, wenn manche, aus welchen Gründen auch immer, das religionsrechtliche System in Österreich ändern wollten.“
Er verweist darauf, dass das Beichtgeheimnis in der Verfassung geschützt sei: „Das Beichtgeheimnis gehört zum Wesen des Sakraments der Beichte. Die Sakramente, die religiösesten aller Feiern, wenn man so will, innerhalb der katholischen Kirche stehen ganz im Zentrum dessen, was im Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes unserer Verfassung geschützt ist und betreffen auch die individuelle Religionsfreiheit der Beichtenden.“
„Ein vernünftiger Beichtpriester wird alles tun, dass er den Täter dazu bewegt, sich selber zu stellen“
In Österreich dürfe ein Priester von der Exekutive auch nicht dazu befragt oder vernommen werden. Das gilt auch, wenn etwa ein Priester als Zeuge bei einem Prozess aussagen muss. Allein die Tatsache, dass dort versucht würde, das Beichtgeheimnis zu knacken, könnte am Ende ein Urteil nichtig machen.
Für Professor Kowatsch geht es dabei nicht darum, ob hier religiöses Recht über dem staatlichen Recht stehe, wie das in Frankreich diskutiert wird. Kowatsch: „Es ist nicht das religiöse Recht, das über dem Staat steht, sondern der Staat anerkennt eben, dass gewisse religiöse Gebote für bestimmte Menschen so wichtig sind, dass sie in einer Abwägung mit anderen Werten, die der Staat schützt, im Einzelfall wichtiger sind.“
Das Kirchenrecht
Als Beichtgeheimnis bezeichnet man in der katholischen Kirche die Verschwiegenheit des Geistlichen auf alles, das ihm in der Beichte anvertraut worden ist. Wer es bricht, wird vom Papst mit der Exkommunikation bestraft.
Der Patron
Als Heiliger des Beichtgeheimnisses gilt Johannes Nepomuk. Er musste der Legende nach sterben, weil er dem böhmischen König den Inhalt der Beichte von dessen Frau nicht preisgeben wollte.
Beim Beichtgeheimnis steht auch für den Priester viel auf dem Spiel. Für ihn zählt da das kanonische Recht (das Kirchenrecht) mehr als die staatliche Rechtsordnung. Kowatsch: „Ein Priester, der das täte, käme in Kollision zwischen beide Rechtsordnungen, weil seine eigene Rechtsordnung ihn mit der Höchststrafe, nämlich der Exkommunikation, belegen würde. Eine Exkommunikation, die ausschließlich der Papst selber wieder aufheben könnte. Wir sind hier im aller innersten Bereich katholischer Glaubenspraxis.“
Spezielle Ausbildung
Wie man damit umgeht, wenn ein Mord oder ein Missbrauchsfall im Beichtstuhl gestanden wird, ist nicht nur eine theoretische Diskussion. In der Priesterausbildung wird man mittlerweile auf solche Situationen vorbereitet. Professor Kowatsch: „Jedenfalls wird ein vernünftiger Beichtpriester alles tun, dass er den Täter dazu bewegt, sich selber zu stellen. Er wird alles daran setzen, dass der Täter dasselbe außerhalb der Beichte noch einmal erzählt. Dann darf er nach dem staatlichen Recht immer noch nicht vernommen werden, weil es diese geistliche Amtsverschwiegenheit gibt, aber er unterliegt innerkirchlich nicht mehr dem Beichtgeheimnis.“
Und wenn ein Opfer beichtet? „Wenn es das Opfer wäre – vielleicht sogar ein minderjähriges – muss der Priester alles unternehmen, dass dieses Kind zu seinen Eltern geht, zur Polizei geht, zu den Lehrern geht, zu wem auch immer und sich außerhalb dieses Kontextes jemandem anvertraut.“
Der Kirchenrechtler sieht keine Notwendigkeit, dass der Staat am Beichtgeheimnis rüttelt: „Persönlich glaube ich nicht, dass da einem Opfer geholfen worden wäre, weil dann das System als solches nicht mehr vorhanden ist.“ Außerdem warnt er vor Kollateralschäden für den Staat, wenn der in diesen innersten Bereich der Kirche eindringt.
„Insgesamt müsste das österreichische Religionsrecht dann auf neue Beine gestellt werden, mit wohl großen Kollateralschäden, sodass der Staat letztlich bestimmt, was Menschen religiös zu denken haben und was nicht. Damit würde er seine eigenen Fundamente angreifen, auf denen er seit der Neuzeit steht – eben nicht religiöse Entscheidungen treffen zu wollen.“
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