"Wir Frauen tragen einen Großteil des Pfarrlebens. Das soll sich in den Ämtern widerspiegeln“, sagt Ulrike Heimhilcher-Dohnal. Auch in dieser Gemeinde bereiten sie Kinder auf Erstkommunion und Firmung vor, sind Wortgottesdienstleiterinnen und vieles mehr. Sie sind überzeugt: Veränderungen könne es nur durch innerkirchlichen Protest geben. „Nur so wird man wahrgenommen. Sobald man ausgetreten ist, ist man weg“, meint Brigitte Knell.
Kritik am Reformunwillen der Kirche ist nichts Neues. Doch angesichts jüngster Proteste gegen die Ablehnung der Glaubenskongregation, homosexuelle Paare zu segnen, ist der Widerstand derzeit so groß wie schon lange nicht mehr.
Vielleicht auch, weil die Religiosität während Corona zugenommen hat. Das besagt eine Studie des Pew Research Centers. Die Zahl der Kirchenaustritte ist in Österreich 2020 um 13,7 Prozent gesunken.
Auch die Kirchentür von St. Nikolaus ziert derzeit eine Regenbogenfahne. Initiiert wurde das von der Pfarrjugend, aber auch die Frauen und Männer von Maria 2.0 unterstützen es. Denn ihr Anliegen ist dasselbe: Gleichberechtigung. „Die Kirche vermittelt: Ihr seid nicht gut genug für uns, weil ihr homosexuell seid. Oder weil ihr Frauen seid“, sagt Leopold Knell.
Mittlerweile gibt es viele Reformgruppen innerhalb der Kirche, die sich für eine Modernisierung starkmachen. Nicht nur von Laien. Die bekannteste ist wohl die Pfarrerinitiative, die von rund 400 kirchlichen Amtsträgern unterstützt wird. Auch sie fordert den Zugang von Frauen für alle kirchlichen Ämter.
Für die Gruppe von Maria 2.0 bedeutet dies, dass das Thema in der Mitte des Kirchenvolkes angekommen sei. Nun liege es an der Institution, näher zu ihren Gläubigen zu rücken. „Die Kluft zwischen der offiziellen Kirchenlehre und der Realität, wie Menschen tatsächlich leben, wird immer größer“, ist sich Ulrike Lahner-Trimmel sicher.
Theresia Heimerl vom Institut für Religionswissenschaft der katholischen Fakultät Universität Graz hält die Reformbestrebungen für wenig aussichtsreich. „Aus dem einfachen Grund: Die katholische Kirche besteht nicht nur aus Mittel- und Westeuropa.“ Die Kirche wachse am stärksten in Regionen außerhalb Europas, wie Südamerika und Afrika. Und dort würden derartige Themen kaum eine Rolle spielen. „Dort geht es um Fragen der Gleichberechtigung auf politischer Ebene oder ob Mädchen einen Zugang zu Bildung haben“, erklärt die Religionswissenschafterin. Es sei also, wenn man so will, eine Mehrheitsentscheidung.
Sie hegt auch Zweifel, ob die Reformhoffnungen in Papst Franziskus überhaupt gerechtfertigt seien. Zwar sei er kein konservativer Hardliner. Aber: „Er ist auch kein Systematiker, der große Reformen durchbringen will“, sagt Heimerl. Noch dazu, weil er sich für die Weihe von Frauen mit dem konservativen Flügel anlegen müsste. Dennoch will sie Maria 2.0 ermutigen: „Wenn es einen Weg zu Reformen gibt, dann nur über innerkirchlichen Protest.“
Derweil will die Gruppe von St. Nikolaus weiter mit Aktionen auf das Thema aufmerksam machen. Zuletzt haben sie ihre Forderungen auf einer Wäscheleine vor der Kirche aufgehängt. Die Lange Nacht der Kirchen Ende Mai wollen sie – soweit es die Pandemie erlaubt – gänzlich Frauen widmen. Denn eines sei auch klar, sagt Heimhilcher-Dohnal: „Die Menschen werden nicht ewig Geduld mit der Kirche haben.“
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