Frankreich greift das Beichtgeheimnis an

Éric de Moulins-Beauforts Stellungnahme sorgte für Aufregung
Kein Verständnis für den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, der das Beichtgeheimnis für pädophile Geistliche bewahren wollte.

Es war kein einfaches Gespräch, das der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Reims, Éric de Moulins-Beaufort, in dieser Woche mit dem französischen Innenminister Gérald Darmanin zu führen hatte. Der Geistliche musste darin eine nach eigenen Worten „ungeschickte Formulierung“ in einem Radio-Interview erklären, die hohe Wellen geschlagen hatte. 

Im Sender France Info hatte er erklärt, das den Priestern auferlegte Beichtgeheimnis sei „stärker als die Gesetze der Republik“. Konkret ging es um die Frage, ob ein Beichtvater, dem der Missbrauch von Minderjährigen gestanden wird, dies an die Justiz melden muss – und ob er sich sträflich macht, wenn er es unterlässt.

Eine Frage, die klar mit Ja zu beantworten sei, betonte Darmanin vor der Nationalversammlung.

Massive Versäumnisse

In Frankreich gilt Laizität – die strikte Trennung von Kirche und Religion. Aufgekommen war die Debatte durch die Veröffentlichung des Berichts einer unabhängigen Kommission über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche: Seit 1950 gab es 216.00 Opfer sexualisierter Gewalt durch Geistliche. Wird der Täterkreis auf Laienmitglieder der Kirche in Schulen oder Ferienlagern ausgeweitet, steigt die Zahl der Opfer auf 330.000, die der Täter auf 3.000.

Dem Leiter der Untersuchungskommission, Jean-Marc Sauvé, zufolge handelt es sich um ein massives Problem im System, das erst seit wenigen Jahren angegangen werde. Die katholische Kirche in Frankreich habe es jahrzehntelang nicht nur versäumt, notwendige Maßnahmen zur Vorbeugung von sexualisierter Gewalt zu treffen, sondern auch aktiv weggesehen.

Aufweichung des Beichtgeheimnisses 

Sauvé schlug eine Reformierung des Kirchenrechts, die Anerkennung und finanzielle Entschädigung der Opfer sowie eine Aufweichung des Beichtgeheimnisses vor. Erzbischof de Moulins-Beaufort zeigte sich nach der Veröffentlichung „entsetzt“ über das Ausmaß des Skandals und bat die Betroffenen um Verzeihung. Umso größer war das Unverständnis, als er in der Folge durchscheinen ließ, dass er das Beichtgeheimnis trotzdem für unantastbar halte.

Die katholische Kirche veröffentlichte dazu ein Kommuniqué: „Man muss sicherlich präziser und härter sein bei der Tatsache, dass sexuelle Gewalt nicht ein Problem der Keuschheit ist, sondern ein Angriff auf das Leben, ein Verbrechen und zumindest in symbolischer Hinsicht ein Mord.“

Von Simone Weiler aus Paris 

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