Die ÖVP ist bei der Landtagswahl in Vorarlberg auf einem historischen Tiefpunkt gelandet. In einem Gasthaus in Bregenz wird das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte (38,3 Prozent) Sonntagnacht aber gefeiert wie die Rückeroberung der Absoluten.
Funktionäre tanzen eine Polonaise zwischen den Tischen und an Parteichef Markus Wallner vorbei. "Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins im Land sind wir", tönt es.
Zufriedener Landeshauptmann
Der ÖVP-Landeshauptmann nimmt es amüsiert zur Kenntnis und hat sich längst Krawatte und Sakko entledigt.
Immer wieder gibt es von ihm an diesem Abend Daumen hoch für sich einstellende Gratulanten.
Von Wallner abwärts wird glaubhaft versichert, dass das Ergebnis deutlich über den eigenen Erwartungen liegen würde. Dass es für die Schwarzen keinen Grund zum Jammern gibt, hat mehrere Gründe.
Zum einen sind Wallners ÖVP-Amtskollegen seit Herbst 2022 über Tirol, Niederösterreich und Salzburg bei Landtagswahlen in Serie abgestürzt und haben bis zu 9,7 Prozent verloren.
Neue Stärke im Vergleich
In Vorarlberg musste die Volkspartei ein im Vergleich moderates Minus von 5,3 Prozent verkraften und ist nunmehr knapp hinter der ÖVP NÖ die zweitstärkste Landesorganisation.
Was aber mit Blick auf die direkte Konkurrenz vor allem zählt: Die FPÖ erzielte zwar mit 28 Prozent ein Rekordergebnis, es gibt aber weiterhin einen Respektabstand von rund 10 Prozent zur ÖVP.
Genau diese Lücke wollte FPÖ-Chef Christof Bitschi so klein wie möglich halten. Dass das nicht ganz gelungen ist, trübte Sonntagnachmittag zunächst die blaue Partylaune ein wenig.
Stunden später war sie dann in einer schummrigen Hotelbar bei den Anhängern umso größer. Bitschi nahm die Ovationen am frühen Abend zwar noch entgegen.
Gegen 21 Uhr war aber von ihm und anderen FPÖ-Spitzenfunktionären allerdings schon nichts mehr zu sehen. "Der blaue Montag ist abgesagt", hatte er zuvor bereits verkündet.
Am Montagabend kommen bei den Freiheitlichen - wie auch bei der ÖVP - die Parteigremien zusammen. Auf Regierungsverhandlungen sei man aber bereits vorbereitet, wird versichert.
Zuversichtliche FPÖ
Dass an Schwarz-Blau noch ein Weg vorbei führt, glaubt man bei der FPÖ nicht.
ÖVP-Funktionäre aus der zweiten Reihe, die aber den Landeshauptmann gut kennen, sehen es Sonntagabend ähnlich.
Auf die Grünen, mit denen man 10 Jahre lang regiert hatte, sind sie nicht gut zu sprechen. "Die Vertrauensverluste sind groß", sagt einer.
Das Verhalten des Koalitionspartners während der Wirtschaftsbund-Inseraten-Affäre vor zwei Jahren wird den Grünen besonders nachgetragen.
Wallner unter Druck
In der Causa war Wallner letztlich durch anonyme Vorwürfe sogar persönlich massiv unter Druck geraten.
"Schade, dass es nicht auch mit den Neos geht", sagt ein anderer ÖVP-Mann aus dem Wirtschaftsflügel, der sich aber klar für Schwarz-Blau ausspricht.
Dass diese Koalitionsvariante nicht zustande kommt, kann aus seiner Sicht nur scheitern, wenn die FPÖ in Verhandlungen ihr Blatt überreizt. Und zwar bei der Ressortverteilung.
Was aktuell ebenfalls dafür spricht, dass die FPÖ in einem vierten Bundesland in eine Regierungskoalition kommt:
Schwarz-Grün hätte eine nur mit einem Mandat abgesicherte Mehrheit im Landtag.
Dass Wallner aus dem gestrigen Ergebnis einen "starken Veränderungswunsch" abliest, lässt neben vor der Wahl an den Grünen geäußerter Kritik und nach der Wahl erneut eingeschlagenen inhaltlichen Pflöcken wie Zuwanderungskontrolle auf eine neue Regierungsvariante schließen.
Gestärkt trotz Verlusten
Der ÖVP-Landeshauptmann, der trotz der Verluste am Sonntag, gestärkt aus der Wahl geht, lässt sich alle Optionen offen. Und es ist nicht auszuschließen, dass er noch überrascht.
Wallner will aber jedenfalls rasch eine neue Regierung bilden. Bereits am Dienstag möchte er mit allen Parteiobleuten sprechen. Ende der Woche könnte die Entscheidung fallen, mit wem es ist in ernsthafte Gespräche geht.
Grüne auf der Ersatzbank
Die Grünen, die in Prozentpunkten stärker als die ÖVP und vor allem ein Drittel ihrer Wähler verloren haben, sitzen quasi auf der Ersatzbank.
Man müsse "nicht um jeden Preis" weiterregieren, war Sonntagabend bei deren Wahlfeier zu hören. "Der Ball liegt bei Markus Wallner", hatten die Grünen schon zuvor erklärt.
Grüne haderten, wie auch die auf der Stelle tretenden Neos und Sozialdemokraten, mit dem von Wallner ausgerufenen Duell mit der FPÖ um Platz eins, dass es nie gegeben habe.
Was die ÖVP-Zuspitzung gebracht hat
Verluste bzw. minimale Zugewinne der drei Parteien wurden diesem "Märchen" zugeschrieben. Ein Blick auf die Wählerströme zeigt aber:
Grün, Rot und Pink haben direkt an die ÖVP zu gleichen Teilen in Summe 9.000 Wähler verloren, während die Schwarzen genau so viele Nichtwähler gewinnen konnten.
Christoph Hofinger von Foresight, das die Wählerströme analysiert hat, ist der Erklärungsversuch der drei Parteien - trotz deren nicht massiven Abflüsse Richtung Volkspartei - berechtigt.
"Über die Bande" gespielt
Das von Wallner ausgerufene Landeshauptmann-Duell sei "über die Bande mitentscheidend" gewesen.
Die ÖVP habe damit eben wohl gerade stark die Nichtwähler mobilisieren können.
Die Schwarzen haben zwar, wie zu erwarten war, stark an die FPÖ verloren. Durch die erfolgreiche Zuspitzung konnte am Ende aber das Minus in Grenzen gehalten werden.
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