Vorarlberger Grüne-Frontmann vor Wahl optimistisch: „Das Ländle tickt schwarz-grün“
In vier Wochen - am 29. September - finden die Nationalratswahlen statt. Schon zwei Wochen später - am 13. Oktober - steht in Vorarlberg mit den Landtagswahlen der nächste Urnengang an. Für die Grünen geht es um die Verteidigung ihrer Regierungsbeteiligung – der letzten auf Landesebene.
Dass die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler zuletzt versucht hat, Vorarlberg endgültig vom Bau der Bodenseeschnellstraße S18 abzubringen, hat die Schwarzen erzürnt. Sie drängen seit Jahrzehnten auf den Bau. Grüne-Spitzenkandidat Daniel Zadra glaubt ungeachtet solcher Dissonanzen dennoch an eine Zukunft für Schwarz-Grün.
KURIER: Bereiten Sie sich und Ihre Partei schon auf die Opposition vor?
Daniel Zadra: Keineswegs. Wir sind zwei unterschiedliche Parteien. Dass wir in bestimmten Bereichen unterschiedliche Positionen haben, ist längst bekannt. Aber wir haben die letzten zehn Jahre bewiesen, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und wissen, was Demokratie bedeutet. Und zwar das Ringen um den bestmöglichen Kompromiss. Das funktioniert in den allermeisten Fällen sehr gut. Und wenn mal nicht, wird das intern ausdiskutiert.
ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner hat zuletzt aber in der Debatte um die S18 gemeint, die Grünen würden Brücken abreißen – nicht nur im Bund, sondern auch hier in Vorarlberg.
Da gab es ein konkretes Angebot des Klimaministeriums, nämlich das Geld statt für die S18 für andere Projekte zur sofortigen Verkehrsentlastung der Bevölkerung zu verwenden, damit wir hier weiterkommen. Das wurde nicht angenommen, das ist zur Kenntnis zu nehmen. Es wird aber niemand überraschen, dass wir Grünen uns dafür einsetzen, klimapolitisch sinnvolle Maßnahmen zu setzen.
Die S18 galt schon vor 10 Jahren als möglicher Knackpunkt für eine schwarz-grüne Koalition, den man aber mit einer Kompromissformel verräumt hat. Für Lustenau, Ihre vom Verkehr überrollte Heimatgemeinde, gibt es bis heute keine Lösung. Müssen sich die Grünen da nicht auch an der Nase nehmen?
Genau darum gibt es jetzt ja neue Angebote. Damit man schneller Maßnahmen setzt, mit denen man nicht zusätzlich Verkehr anzieht, aber die Leute entlastet werden. Die S18 ist seit 70 Jahren in Diskussion. Da hat es Alleinregierungen auf Bundes- und Landesebene von der ÖVP gegeben. Mein Ansatz ist, die Menschen in Lustenau schnellstmöglich zu entlasten, auch mit kleineren Maßnahmen.
Die S18 kocht vor jedem Wahlkampf hoch. Müsste man sich dann nicht einmal in einem Koalitionspapier klar für oder gegen das Projekt deklarieren?
Selbst die größten Befürworter dieser Straße sagen, das kommt frühestens in 30 Jahren. Mir geht es um das Hier und Jetzt. Mir geht es darum, dass man Menschen Angebote macht, dass sie vom Auto umsteigen können. Und da ist uns vieles gelungen. Wir haben beispielsweise 86.000 verkaufte Klimatickets in Vorarlberg.
Aber das bringt keine Lkw von der Straße, die mit den Pkw ebenfalls über das niederrangige Netz fahren.
Beim Lkw-Verkehr brauchen wir kleinere Direktverbindungen der Autobahnen. Aber wir wollen keinen Brenner neu errichten.
Der Wahlkampf läuft langsam an. Wie groß ist für Sie der Druck, die letzte grüne Regierungsbeteiligung auf Landesebene – es gab schon mal sechs – zu verteidigen?
Für uns ist klar: Das Ländle tickt schwarz-grün. Das zeigt sich etwa bei der Wirtschaft. Wir haben es erstmalig in einer Periode geschafft, dass die Wirtschaft und die Bevölkerung weiter gewachsen sind, aber die CO2-Emmissionen davon entkoppelt wurden. Industrie und Gewerbe schaffen es also, energieeffizienter zu produzieren.
Wir haben zudem in Bereichen wie Windkraft oder Geothermie Technologieführer im Land. Es zeichnet Vorarlberg aus, dass man die Chance in der Nische sucht und Produkte auch für den Weltmarkt produziert. Da zeigt sich: Schwarz-Grün ist nach wie vor das Zukunftsmodell für Vorarlberg.
Aber die Frage war, ob Sie es als Druck empfinden, dass die Grünen bei einem Misserfolg in Vorarlberg bald nirgendwo mehr in Regierungsverantwortung sind.
Ich würde es anders bewerten. Ich würde sagen, ich habe ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern. Ihnen und allen anderen Kindern, die in Vorarlberg leben, will ich eine zukunftsfähige Welt übergeben. Da spüre ich Druck. Oder wenn mir ältere Menschen sagen, dass sie es in ihren Wohnungen in der Nacht nicht mehr aushalten, weil es im Schlafzimmer 29 Grad hat. Das bedrückt mich. Parteipolitischen Ränkespiele interessieren mich zweitrangig.
Die Ausgangsposition für diese Wahl ist grundlegend anders als 2019. Damals lag die FPÖ nach dem Ibiza-Skandal am Boden und hat in Vorarlberg massiv verloren. Nun ist mit ihrem Wiedererstarken zu rechnen. Haben Sie Sorge, dass die Grünen von der ÖVP gegen die Blauen ausgetauscht zu werden?
Die Ausgangslage ist gar nicht so anders. Es ist sicher, dass die ÖVP wieder Erster wird. Und die entscheidende Frage wird sein: Wer wird der Partner sein? Da gibt es zwei Optionen – Schwarz-Grün oder Schwarz-Blau. Und wenn ich mit Menschen rede, sagen mir ganz viele: Wir wissen, was wir von Schwarz-Grün halten können, wir wissen, in welchen Bereichen wir vorwärtsgekommen sind.
Sei es bei der Kinderbetreuung, bei der Energiepolitik, der Mobilität oder der Frauenpolitik und dem stabilen Kurs in der Sozialpolitik von unserer Landesrätin Katharina Wiesflecker. Insofern bin ich sehr positiv gestimmt.
Was es bis heute nicht gibt, ist eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen, obwohl man sich das schon vor Jahren vorgenommen hat. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf. Warum wurde das nie auf die Schiene gebracht?
Das ist wahrlich ein dickes Brett. Aber was uns bei der ÖVP in Vorarlberg – und die ist eine ganz normale ÖVP – gelungen ist, ist sie davon zu überzeugen, dass die gemeinsame Schule sowohl leistungsstärker als auch chancengerechter ist. Und zwar weil wir evidenzbasiert mit WissenschafterInnen gearbeitet haben. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt setzen. Es muss gelingen, eine Modellregion zu bewerkstelligen. Ich glaube, Vorarlberg ist reif dafür.
Leistbaren Wohnraum schaffen stand ebenfalls im Koalitionsvertrag. Aber noch immer ist Vorarlberg mit Tirol und Salzburg das teuerste Pflaster Österreichs. Warum gibt es immer wieder solche Ankündigungen, wenn das Problem nie gelöst wird?
Alle grünen Politiker sind sich einig, dass das ein Problem ist. Wir müssen beim gemeinnützigen Sektor noch aktiver werden. Und wer mehr gemeinnützige Wohnungen will, muss mehr Grün wählen. So einfach ist es. Dass wir nicht ressortverantwortlich sind, ist Faktum.
Ich bin überzeugt, dass wir in der nächsten Periode mindestens 5.000 Wohnungen gemeinnützig bauen müssen. Ich kann mir auch vorstellen, dass bei Umwidmungen in Bauland oder wenn höhere Baunutzungszahlen gewährt werden, ein Drittel einer Wohnanlage gemeinnützig vermietet oder verkauft werden muss. So würde man einen fairen Beitrag von privaten Bauträgern verlangt.
Rechnen Sie damit, dass die Grünen ihren Stimmenanteil halten können?
Wir haben als Koalition bei der letzten Wahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Beide Regierungspartner haben zugelegt. Das ist in der Demokratie ganz außergewöhnlich. Unser Ziel ist ganz klar, dass wir 30.000 Menschen überzeugen, dass Klimaschutz und Soziales in Vorarlberg eine Stimme brauchen und die sind wir.
Das hieße, das Niveau zu halten. Wenn die Grünen weiterregieren, wäre das ein Novum. Ihre Partei hat in keinem Bundesland mehr als zwei Regierungsperioden geschafft. Warum?
Ich fokussiere mich auf Vorarlberg. Hier kann ich sagen, dass diese Koalition eine extrem tragfähige Basis hat. Auch in schwierigeren Situationen hat man gemerkt, was man aneinander hat. Ich glaube, dass Schwarz-Grün III durchaus eine Option für die Zukunft ist.
Wird das Gegenüber nach dem Wahltag weiter Markus Wallner heißen?
Personalentscheidungen sind immer Fragen der jeweiligen Parteien. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es einen Spitzenkandidaten. Der heißt Markus Wallner.
Wie schwierig ist es, in den kommenden vier Wochen nicht nur für die Landes- sondern auch die Bundespartei Werbung zu machen, die in Umfragen nicht so gut liegt?
Wir sind ein starkes grünes Team. Wir haben gemeinsame Ziele. Ich bin Werner Kogler, Alma Zadić, Leonore Gewessler und Johannes Rauch sehr dankbar, dass wir mit ihnen gemeinsam werben können. Wir haben keinen Minister, den wir nicht ins Land lassen (oder vor den Vorhang holen. Die haben alle ausgezeichnete Arbeit gemacht.
Kommentare