Virusmutationen: Zahlenchaos vor Quarantäne-Entscheidung
Wenn Journalisten in Pandemiezeiten von öffentlichen Stellen mit ihren Fragen im Kreis geschickt werden, dann ist das in der Regel ein Zeichen dafür, dass Feuer am Dach ist oder Fragen schlicht aufgrund fehlender Daten nicht beantwortet werden können.
Vor dem von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ausgerufenen „Tag der Bilanz“ ist offenbar beides der Fall. Der Sonntag soll die Entscheidung bringen, ob Tirol aufgrund der Corona-Fälle mit der südafrikanischen Virusmutation „B.1.351“ unter Quarantäne kommt.
Experten sind sich uneins, ob die Covid-Variante mit einer Isolation von Tirol eingedämmt werden muss oder ob es dafür zu spät ist und die Mutation vielleicht unerkannt bereits in anderen Bundesländern unterwegs ist.
Auf die KURIER-Anfrage, wie viele Proben die einzelnen Länder bisher zur Analyse auf Mutationen an die AGES geschickt haben, spielten sich diese und das Gesundheitsministerium zunächst über zwei Tage den Ball zu.
Tausende Tests
Die Antwort aus dem Anschober-Büro am Samstag fiel dürftig aus: Insgesamt seien „mehrere tausend PCR-Tests, die im Rahmen des Vorscreenings als verdächtig aufgefallen sind, an die AGES bzw. die entsprechenden Institute übermittelt“ worden. Tatsächlich sollen drei Viertel aller bisher von den Ländern nach Wien versendeten Proben aus Tirol kommen.
Das muss aber noch nicht heißen, dass andere untätig sind. So dürften einige Länder etwa bei der Mutationssuche Proben nicht nur an die AGES, sondern auch an andere Labore schicken. Auf einem solchen Weg wurde letztlich auch die südafrikanische Variante in Tirol entdeckt.
So schickte das zentrale PCR-Labor des Landes – HG-Pharma – auffällige Proben zur weiteren Analyse an das Virologie-Institut von Dorothee von Laer, die durch die Ergebnisse derart alarmiert war, dass sie die Isolation Tirols vorschlug. Laut HG-Pharma-Chef Ralf Herwig handelte es sich bei den Proben allerdings um „keinen repräsentativen Querschnitt“.
Sein Labor kann inzwischen in eigenen PCR-Analysen auf die südafrikanische und die britische Virusmutation detektieren. Dazu sind alle Länder laut Erlass des Gesundheitsministeriums angehalten, jedoch noch nicht alle gleich gut dafür aufgestellt.
Die Corona-Ampel-Kommission sieht bundesweit noch eine „ungenügend etablierte Überwachung der Verbreitung der mutierten Virusvarianten“. Laut Ministerium werden die Labormöglichkeiten für „Vorscreenings auf die Mutationen mittels zweiter PCR“ intensiv ausgebaut.
Noch keine zentrale Datenbank
Doch weder die so erkannten Verdachtsfälle, noch die Ergebnisse von detaillierteren Analysen laufen derzeit zentral zusammen. Eine Datenbank ist erst in Vorbereitung.
Aktuell kann das Gesundheitsministerium nicht einmal sagen, wie viele bestätigte Mutationsfälle es gibt, sondern nur, wo es welche gab.
Demnach ist die britische Variante in allen Bundesländern außer der Steiermark, Vorarlberg und Kärnten angekommen (Letzteres meldete hingegen am Samstag 25 weitere zu einem bereits bekannten Fall).
Neuer Lockdown-Modus
Die südafrikanische Mutante wurde außerhalb von Tirol nur noch in Wien entdeckt – laut Stadt handelte es sich dabei um zwei Personen, die bei der Einreise getestet und isoliert wurden. Apropos Einreise: Anschober hat die Länder nun per Erlass aufgefordert, Zweitwohnsitze – Stichwort illegale Skiurlauber –, sowie die Einhaltung der Quarantäne nach Auslandsreisen verstärkt zu kontrollieren.
In einem ATV-Interview nannte der Minister am Samstag zudem erstmals konkrete Werte der 7-Tage-Inzidenz für erneute Lockdown-Verschärfungen – sei es bundesweit oder auf Länderebene. „Ab 200 gibt es eine Krisensitzung“, so Anschober. Spätestens ab 250 sollen dann „weitgehende Maßnahmen“ gesetzt werden, wurde auf KURIER-Anfrage präzisiert.
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