Verletzte bei Protest gegen Irans Regime in Wien
Die Proteste im Iran gegen das islamische Regime dauern an, die Menschen im Iran lassen sich selbst durch das brutale Vorgehen der regierungsgetreuen Sittenwächter nicht mehr einschüchtern. Mit allen Konsequenzen. „Wir Iranerinnen im Exil müssen unsere Freiheit nutzen, um die Nachrichten aus dem Iran weiterzutragen“, sagt Afshin Saadei vom Iranischen Kulturhaus „Khane Ketab“ in der Wiener Währinger Straße.
Nicht nur deshalb ist der Protest mitten in Wien. Menschenketten und Demonstrationen stehen an der Tagesordnung. Nicht alle enden friedlich. Ein Demonstrant ist vor einigen Tagen ins Islamische Kulturzentrum Imam Ali in Wien-Floridsdorf gelangt, um Verantwortliche zur Rede zu stellen. In einem Video sagt er beim Eintritt: „Ich bin zum Gebet gekommen und hier stecken alle mit der Islamischen Republik unter einer Decke.“ Da kommen Männer auf ihn zu: „Was machst du hier?“ Ein Handgemenge, der Mann kommt mit dem Handy zu Fall, er ruft: „Greif mich nicht an!“ So endet das Video.
Der Vorfall ist polizeibekannt. Eine Sprecherin bestätigt, dass es zwei Verletzte gegeben habe – den Demonstranten und eine Person aus dem Zentrum. Deshalb werde wegen Körperverletzung ermittelt. Beteiligt waren der 38-jährige Demonstrant sowie vier Männer (42, 53 und 59), einer davon ist unbekannt entkommen.
Verlängerter Arm
Laut dem Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus ist die Islamische Republik Iran Eigentümerin der Liegenschaft des Zentrums: „Es wurde auch von hochrangigen iranischen Politikern besucht. Eine unmittelbare Verbindung zum Iran ist daher gegeben.“ Laut Homepage des Imam Ali Zentrums bestehe die Möglichkeit zu „schariakonformen“ Eheschließungen und Scheidungen.
Einfluss auf Diaspora
Für muslimische Nationalstaaten gilt überdies, dass sie gerne auf die in der Diaspora lebenden Staatsbürger Einfluss nehmen (wollen).
Seitens des Zentrums werden Fragen zum Iran, zu den Demonstrationen, zu den Inhalten des Vereins auch auf Nachfrage nicht beantwortet. Nur, dass man die Gesetze des Staates, in dem man tätig sei, achte und zur Integration beitrage. Dennoch – oder gerade deshalb – findet dort heute, Mittwoch, um 16 Uhr, eine Kundgebung statt.
Heikles Thema
Das Thema ist heikel. Ein Experte des Bundesheeres, vom Institut für Islamisch-Theologische Studien empfohlen, musste absagen, auch im Innenministerium hält man sich bedeckt: „Aus jedweder Beantwortung könnten Rückschlüsse gezogen und aktuelle oder zukünftige Ermittlungen konterkariert werden. Dies würde wesentlichen äußeren und inneren Sicherheitsinteressen der Republik Österreich zuwiderlaufen.“
"Verändern ihr Aussehen"
Unter den Exil-Iranern weiß man, dass „aggressive militante Leute gerade viel Geld aus dem Iran schaffen und schauen, dass sie in Europa unterkommen“. Da dürften auch Personen darunter sein, die an der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen beteiligt waren. „Sie versuchen, hier ihr Aussehen zu verändern“, schildert Afshin Saadei. Er sagt, dass sie für die Bewegung eine Gefahr sein könnten, weil sie sich einschleusen und innerhalb der Demonstranten für Unruhe sorgen könnten.
Für Exil-Iraner seien sie nicht mehr gefährlich: „Die Regierung im Iran ist nicht mehr stark. Sie sind mit den Vorgängen im Iran so beschäftigt, dass sie die Finger von uns lassen. Wir merken das bei den Demonstrationen. Viele, die vor einigen Wochen noch vorsichtig waren, sind jetzt dabei, trauen sich heraus.“ Und stärken so die mutigen Demonstrantinnen im Iran.
Im Iran in Haft
150 Auslandsösterreicher und deren Familien sind aktuell im Iran registriert, sie wollen dortbleiben. 40 Personen sind reiseregistriert. Zuletzt waren drei Österreicher im Iran in Haft. Einer davon ist der 75-jährige Massud Mossaheb. Laut Amnesty International befinde er sich seit Jänner 2019 zu Unrecht im Evin-Gefängnis in Teheran. Der Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft war Anfang 2019 mit einer Delegation des Projekts MedAustron, das Krebsforschungs- und -therapiezentrum in Wiener Neustadt in Niederösterreich, in Teheran, als er von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes festgenommen und gefoltert worden sei, bis er „Geständnisse“ unterschrieben habe. Das Urteil: acht Jahre Haft.
"Vorkehrungen getroffen"
Nach den Vorgaben von MedAustron errichtet ein privates Unternehmen im Auftrag des iranischen Gesundheitsministeriums ein ähnliches Krebsbehandlungszentrum in Teheran. Die Arbeiten laufen, derzeit sind aber keine Techniker aus Österreich vor Ort. „Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, sodass wir unser Projekt nicht mehr weiterführen können, haben wir vertragliche Vorkehrungen getroffen“, erklärt eine Sprecherin. Man stehe mit den österreichischen Behörden vor Ort in Kontakt, um die Lage kontinuierlich zu evaluieren.
Asylanträge: Im Jahr 2022 haben insgesamt 448 Personen aus dem Iran einen Asylantrag gestellt. 502 Personen haben heuer Asyl bekommen – 60 Prozent der Asylentscheidungen von Iranern waren positiv.
15.269 Iraner waren zu Jahresbeginn 2022 in Österreich wohnhaft. Damit lag die Islamische Republik auf Platz 17 der Herkunftsländer von Einwanderern. In Wien lebten mit 9.095 die meisten, gefolgt von Oberösterreich mit 1.550 und Niederösterreich mit 1.217.
Im Iran wiréderum sind 150 Auslandsösterreicher registriert, 40 Personen sind außerdem reiseregistriert.
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