Verkehrsministerium: Wie bei Behörde die Kontrolle versagt hat
Am 12. Juni 2016 lautete der Titel eines KURIER-Berichtes „Schlamperei auf Schiene“. Damals war noch unklar, dass daraus und den folgenden Recherchen (von KURIER und Neos) einer der größten Skandale im Verkehrsministerium werden würde. Am Freitag legte der Rechnungshof (RH) seinen Untersuchungsbericht vor – und der hat es in sich. In der Untersuchungsstelle für Zugsunfälle und Flugzeugabstürze dürfte es drunter und drüber gegangen sein.
Gegen drei Personen wird deshalb aktuell von der Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Mindestens 6,3 Millionen Euro sollen versickert, Gelder ohne Rechnungen ausbezahlt worden sein. Die Kontrolle des Verkehrsministeriums – unter der damaligen Führung von Doris Bures und Alois Stöger – soll versagt haben. Der RH fand sogar Hinweise darauf, dass Berichte in der Bundesanstalt für Verkehr (BAV) geschönt worden sein könnten.
Vier Tote
Konkret geht es um den Fall Achensee: 2011 stürzte ein Polizei-Hubschrauber ab, vier Insassen starben. Die von Flottenchef Werner Senn später verkündete Ursache (Vogelschlag oder epileptischer Anfall) wurden nicht nur von Zeugen und Experten, sondern auch von der Untersuchungsstelle widerlegt. Die unabhängigen Untersucher wurden bei einer Besprechung von Innen- und Verkehrsministerium kurzerhand ausgeschaltet. Der Bericht wurde danach jener Privatfirma übergeben, die nun Millionen kassiert haben soll, mutmaßlich teils ohne entsprechende Gegenleistung. Diese Firma S. kürzte den Bericht von 58 auf 40 Seiten, vor allem die brisanten Schlussfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen fielen der Streichung zum Opfer. Bis heute wurde der Bericht ebenso wie jener zum Absturz eine Polizei-Helikopters in Deutschlandsberg (2009) nicht veröffentlicht, was der Rechnungshof nun einfordert.
Noch unter Verschluss
Fünfeinhalb Jahre dauerte durchschnittlich eine Untersuchung. 43 Ermittlungen sind bis heute nicht fertig, 36 wurden 2016 eingestellt. Darunter die meisten Absturzberichte der Wiener Neustädter Diamond Aircraft. Unter Jörg Leichtfried (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) wurden zwar die gröbsten Missstände beseitigt, die brisantesten Berichte sind aber weiterhin unter Verschluss.
Die BAV beauftragte das externe Firmen nicht nur mit Sicherheitsuntersuchungen, sondern auch mit technischen Unterwegskontrollen (Fahrzeugprüfung) für die Asfinag. Laut RH können die Abrechnungen nicht nachvollzogen werden, „weil diese nicht auf den erbrachten Gutachten (...), sondern auf dem gesamten Personalaufwand des Unternehmens S. beruhten“. Die BAV vergütete also nicht die vertraglich zustehenden Sachverständigen-Leistungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro brutto, sondern rund 6,8 Millionen Euro. Sogar Ausbildungkosten der Firmenmitarbeiter (854.000 Euro) sollen extra aus Steuergeld bezahlt worden sein.
Außerdem hätten diese externen Aufträge (1,5 Millionen Euro im Jahr) europaweit ausgeschrieben werden müssen. Auch soll ein Verkehrsgutachten der Asfinag nur 194 Euro gekostet haben, eines der Firma S. 2969 Euro. Letzteres kostete somit 15-Mal mehr als das der Asfinag.
Das Unternehmen S. soll Rechnungen in Höhe von 157.000 Euro für Zeiträume gestellt haben, in denen keine Prüfeinsätze stattgefunden haben sollen. Bei den Sachverständigen-Aufträgen für Sicherheitsuntersuchungen hat die BAV für die Jahr 2013 bis 2016 „wesentlich mehr Einsatztage bezahlt, als von den drei (eingesetzten) Sachverständigen geleistet werden konnten“. Am Ende soll der BAV-Chef 2016 eine Schlussrechnung in Höhe von 348.000 Euro gezahlt haben, „obwohl keine offenen Forderungen bestanden oder die BAV keine Gegenleistungen erhalten hatte“.
Die Folge der RH-Prüfung sind Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen drei Verdächtige wegen des Verdachts der Untreue und des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Von den Verdächtigen könnte auch ein Teil des mutmaßlichen Schadens zurückgefordert werden. Im Büro von Minister Hofer heißt es, dass die meisten „Altlasten bereinigt wurden, wir sind gut unterwegs“. Von der nunmehrigen Nationalratspräsidentin Bures stand eine Stellungnahme aus.
Verdächtiger wehrt sich
Der verdächtige Firmenchef wies im ORF Radio alle Vorwürfe zurück. Auch der BAV-Chef wehrt sich. „Die Darstellung des Rechnungshofe ist für mich überraschend. Ich kann die Berechnungen des Rechnungshofes nicht nachvollziehen“, sagt Hofrat Gerald Pöllmann zum KURIER. „Die rechtswidrige Weisung hat nicht stattgefunden. Ich habe in keine Unfalluntersuchung eingegriffen.“ Er habe nur gefordert, dass eine Word-Datei zur Prüfung des Achensee-Absturzes dem neuen Prüfer übergeben wird, weil der bisher zuständige Prüfer angeblich gekündigt hatte. Diese Anweisung hätte zuvor bereits der für Flugunfälle zuständige Leiter erteilt.
Was die Zahlungsflüsse betrifft, müsse er den Bericht erst genau prüfen. Er habe zehn Jahre mehr Planstellen gefordert, aber nicht erhalten. „Ich musste daher Leistungen zukaufen“, sagt Pöllmann. „Die Leute haben nicht nur in der Unterwegskontrolle gearbeitet. Jetzt stehe ich alleine da, wie wenn ich Steuergeld für sinnlose Sachen verschwendet hätte. Das finde ich nicht in Ordnung, weil es nicht so war.“
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