Verfassungsschutz-Bericht: Mehr Straftaten durch Linksextreme
Nach dem Attentat vom 2. November wollte man vermutlich kein großes Aufsehen darum machen – der Verfassungsschutzbericht 2019 wurde heimlich, still und leise im Internet veröffentlicht. Und er zeigt: Vor allem linksextreme Straftaten haben deutlich zugenommen.
Insgesamt 218 Tathandlungen mit linksextremistischen Tatmotiven wurden im Vorjahr gezählt (2018: 137). 25 wurden geklärt, 72 Personen angezeigt – davon 29 Frauen.
Zu den Tathandlungen zählt der BVT unter anderem Brandanschläge auf Objekte der FPÖ – etwa auf die Landesgeschäftsstelle in St. Pölten. Es ist aber fragwürdig, ob das der linksextremen Szene zugeordnet werden kann. Verurteilt wurde jedenfalls ein 21-jähriger Afghane. Von einem politischen Motiv war in dem Prozess nicht die Rede (der KURIER berichtete).
Aber auch rund um eine rechte Kundgebung am Kahlenberg gab es zahlreiche Aktionen – Tags zuvor wurde das Haus eines angeblichen Unterstützers angegriffen. Bei der Kundgebung selbst wurden rund 50 Personen mit Holzstöcken von der Polizei abgedrängt. Ein Bus mit Teilnehmern der Kundgebung wurde attackiert und beschädigt.
Bei den Tathandlungen handelte es sich in erster Linie um Sachbeschädigungen, aktuell sei "keine ernsthafte Gefährdung für den Staat und die Verfassung" durch Linksextreme wahrzunehmen - auch deshalb, weil die linke Szene untereinander zerkracht ist.
Rückkehr der Neonazis
Im Bereich des Rechtsextremismus gab es im Jahr 2019 zwar weniger Delikte, aber einen leichten Anstieg bei den Anzeigen. 954 Delikte gab es (2018: 1.075) - und damit deutlich mehr als durch Linksextreme. Ein Delikt kann aber mehre Anzeigen zu Folge haben – hier waren es 2019 um 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Anstiege gab es vor allem bei Anzeigen nach dem Verbotsgesetz (Wiederbetätigung), gefährlichen Drohungen und nach dem Waffengesetz.
93 Prozent der Anzeigen galten Männern, 63 Prozent wurden geklärt. Nicht ganz ein Drittel der angezeigten Rechtsextremen sind Jugendliche. Etwas mehr als ein Drittel der rechtsextremen Taten fanden im Internet statt. Sechs Personen wurden im Jahr 2019 durch fremdenfeindliche oder rassistische Tathandlungen verletzt, 2018 waren es drei.
Interessant ist, dass der Verfassungsschutz seit 2019 eine Neuformierung von „alten Strukturen und Netzwerken rund um langjährige Führungskader des ’klassischen’ Neonazismus“ beobachtet. Diese würden nach verbüßten Haftstrafen wieder an Bedeutung gewinnen.
Etwas an Bedeutung verlieren würden hingegen sogenannte "neurechte Bewegungen" - zu denen etwa die Identitären und ihre Splittergruppen gehören. Diese würden in der Öffentlichkeit mittlerweile anders wahrgenommen werden, außerdem habe es einige Ermittlungen gegen diese Gruppierungen gegeben. Diese würden jetzt versuchen, sich neu aufzustellen.
Generell beobachtet der Verfassungsschutz in der rechtsextremen Szene aber Modernisierung, Professionalisierung und Internationalisierung. Österreichische Rechtsextreme würden oft an einschlägigen Veranstaltungen im Ausland teilnehmen.
Warnung vor Islamisten
Bitter: Im BVT-Bericht wird auch von der anhaltenden Gefahr durch islamistischen Terror hingewiesen: „Bedrohungspotenzial geht von radikalisierten Einzelaktivisten aus.“ Am 2. November 2020 starben in Wien vier Menschen bei einem Anschlag.
Nach der Zerschlagung des IS in Syrien und im Irak würde vor allem im Kleinen und Verborgenen agiert. Im BVT-Bericht ist von "lokal aktiven Zweigstellen" die Rede. Noch immer werde in einschlägigen Medien und Foren zu Anschlägen auf stark frequentierten Plätzen aufgerufen.
Als schwer kalkulierbares Risiko werden Foreign Fighter (ausländische Kämpfer) gesehen. Im Vorjahr waren dem BVT 326 Personen aus Österreich bekannt, die sich aktiv am Jihad beteiligt haben bzw. beteiligen wollten. 69 Personen sind tot, 93 zurück gekehrt.
62 konnten an der Ausreise gehindert werden. 102 befinden sich noch im Kriegsgebiet. "Die Attraktivität und die Anziehungskraft islamistischer Ideologien ist in absehbarer Zeit ungebrochen.
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