"Urlaub in den Bergen ist nicht fad“
Mit der Sonnenbrille auf der Nase im Liegestuhl liegen und sich den ersten Sonnenbrand des Urlaubs holen – dafür muss man nicht an die Adria fahren. Das geht auch in den Alpen. Etwa in der Ice Arena am Kitzsteinhorn, 3.000 Meter über dem Meeresspiegel.
Bergschuhe statt Bikini, Schneemann statt Sandburg und abends geht es in der Gondel zurück ins Tal und in den Sommer. Ein Ferientag der eher außergewöhnlichen Art.
Sommersaison 2019 zählte die Statistik Austria zwischen Mai und November 79 Millionen Gästenächtigungen, knapp 30 Prozent davon in Tirol
8 von 10 Urlaubern in der Region nützen die Seilbahnen, die im Sommer knapp 20 Millionen Gäste zählen
"Ein Urlaub in den Bergen ist nicht fad", kämpft Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbands der Seilbahnen, gegen das angestaubte Image der Alpen. Und gegen so manches Kindheitstrauma von nicht enden wollenden Wandertouren mit den Eltern.
Die Touristiker haben sich in den vergangenen Jahren zugegebenermaßen einiges einfallen lassen: Von der Gondelfahrt zum zünftigen Sonnenaufgangsfrühstück am Berg über Lama-Trekkingtouren, Hochseilparks bis hin zu Downhill-Strecken scheint für jeden Adrenalin-Spiegel etwas dabei.
Bilder im Kopf
Dennoch zeigen tiefenpsychologische Interviews im Auftrag der Österreich Werbung (ÖW), dass Menschen, die an Urlaub denken, vor allem folgendes Bild im Kopf haben: Sich selbst auf der Liege am Sandstrand, im Hintergrund plätschert das Meer, die Sonne knallt vom wolkenlosen Himmel, es gibt nichts zu tun. Nicht einmal vor der Abreise, denn im Grunde braucht man für diese Art von Urlaub nicht mehr als Badezeugs und Flipflops.
Der Bergurlaub erscheint im Vergleich dazu wie ein einziger Kraftakt: Mit den Sandalen kann man schon am Weg zur Mittelstation einpacken, das Wetter schlägt schneller um, als man zur Schutzhütte rennen kann und wenn man beim geselligen Beisammensein auf der Berghütte übersieht, dass die Seilbahn um 17 Uhr Betriebsschluss hat, kann der Weg ins Tal deutlich länger dauern als geplant.
Kurz: Hirn ausschalten ist am Berg keine gute Idee. "Ein Urlaub in den Bergen ist ohne Anstrengung nicht zu haben", so also auch die Haltung der Teilnehmer an den tiefenpsychologischen Interviews.
Sommer ohne Rekorde
Allerdings wollen sich viele im Urlaub anstrengen – Kilometer mit dem Rad abspulen, Höhenmeter sammeln, ein Yoga-Retreat buchen. Viele zieht es wieder auf die Berge – wenn auch mit der Seilbahn.
Knapp 20 Millionen Ersteintritte haben die Seilbahner vergangenen Sommer gezählt, heuer werden es laut Wolf coronabedingt sicher weniger sein. Bereits zehn Prozent des Jahresumsatzes fährt die Branche in den Sommermonaten ein (unter anderem auch, weil sie in den Tourismuskarten normalerweise inkludiert sind).
Davon, dass der Sommer 2020 von Rekorden weit entfernt bleibt, ist auch Hubert Siller, Tourismusexperte am MCI Innsbruck, überzeugt. Trotzdem werden die Berge in der Hauptsaison alles andere als verwaist sein, schätzt er. "Der Alpenurlaub eignet sich, um den Touristenmassen zu entfliegen." Die Nachfrage nach Unterkünften steigt.
Warum der Mensch auf den Berg kam
Der Berg als Urlaubsziel ist geschichtlich gesehen ein relativ neues Phänomen. Über Jahrhunderte hinweg waren die Alpen aus Sicht der Reisenden vor allem eines: im Weg. Unverrückbar, gefährlich, kaum zu überwinden.
Die ersten Reisenden in den Alpen waren Söhne des englischen Adels. Sie sind nach ihrer Ausbildung traditionell zur Grand Tour aufgebrochen, also zu den Kulturstätten Europas – Paris, Genf, Florenz, Pisa, Rom – und mussten dabei die Alpen überqueren. So wie später Söhne des Bürgertums. Anfangs ging es nach der Heimkehr nur um die Erzählungen von den antiken Stätten, die Berge waren nicht mehr als eine lästige Randerscheinung.
"Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert. Abenteuergeschichten von der Alpenüberquerung konnten die Eintrittskarte zum gesellschaftlichen Aufstieg sein", sagt Bergführer Toni Sauper, der sich mit der Historie des Bergtourismus auseinandergesetzt hat. Schon im 18. Jahrhundert hat es in Großbritannien Clubs gegeben, in denen sich die Upper Class getroffen hat – Abenteurer waren willkommen. Je besser die Geschichten, desto mehr Einladungen.
Bleibt die Frage, wann und warum Menschen überhaupt auf die Idee gekommen sind, sich in unwirtlichen Seitentälern anzusiedeln. Sauper verweist auf die Zeit nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches, als es zu neuen Machtverhältnissen kam. "Damals mussten viele fliehen, haben ein gut verstecktes neues Zuhause gesucht. So gesehen galt die Regel: Je abgelegener und schwerer erreichbar das Gebiet, desto besser."
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