Tipps vom Einsiedler: Wie Profis des Alleinseins mit Einsamkeit umgehen

Die Felsenkirche in Bergen liegt eingebettet in üppigem Grün.
Eineinhalb Millionen Österreicher leben allein. In Coronazeiten ist das für viele schwer zu ertragen. Wie Routiniers des Alleinseins den Alltag meistern.

„Wir haben uns an die Dauerbespaßung gewöhnt und vergessen, dass man sich auch mit sich selbst beschäftigen kann.“ Der, der das sagt, ist ein Profi des Alleinseins: Matthias Gschwandtner, 63, hat die vergangenen Monate als Einsiedler in der Kartause Saalfelden verbracht.

Die dauernde Umtriebigkeit insbesondere vieler Älterer gefällt ihm nicht. Man könne stattdessen einmal den Nachbarn fragen, wie es ihm gehe. Gschwandtners Hauptbeschäftigung als Einsiedler: „Sitzen und schauen.“ Das Vermögen, Dinge zu reflektieren, etwa die eigene Rolle in der Gesellschaft, fehle heute vielen. „Dauerndes Herumfahren und ständige Bespaßung sind ein Davonlaufen.“

Ein Mann steht vor dem Eingang eines kleinen Museumsgebäudes.

Einsiedler Gschwandtner: Gegen die ständige "Bespaßung"

Fast eineinhalb Millionen Österreicher leben allein – Tendenz steigend. In der Altersgruppe ab 65 lebt fast ein Drittel allein. Auch wenn Alleinsein nicht zwingend Einsamkeit bedeuten muss: In Corona-Zeiten ist die Angst vor der Einsamkeit und ja, auch vor Langeweile, groß.

Das erzwungene Nichtstun

Psychotherapeutin Veronika Strobl spürt seit dem ersten Lockdown einen vermehrten Andrang in ihrer Praxis. Meist seien Themen wie Alleinsein oder Einsamkeit schon vor Corona da gewesen, durch die Einschränkungen werde das Gefühl nun verstärkt. „Durch das erzwungene Nichtstun treten bei vielen Menschen Themen in den Vordergrund, die immer schon oder eine Zeit lang da waren, aber durch unser ständiges Tun verdeckt oder auf die Seite geschoben wurden. Wer gut sozial eingebettet ist und Erfüllung in Beruf oder Freizeit erlebt, findet auch jetzt leichter neue, auch kreative Beschäftigungen. Und erlebt vielleicht auch ein Stück weit Erleichterung, nicht mehr rund um die Uhr etwas tun zu müssen.“

Frische Luft und Engagement

Und was hilft jenen, die Angst vor Einsamkeit und Fadesse haben? Die Psychotherapeutin rät zu Bewegung an der frischen Luft und zu karitativem Engagement, das auch jetzt möglich sei. Hilfe beim Einkaufen oder Gespräche anbieten, alte Kontakte zumindest telefonisch aufleben lassen. Andere fragen, wie es ihnen geht. „Und regelmäßiges Spazierengehen. Auch dabei kann man Menschen anlächeln, ins Gespräch kommen oder zufällig Nachbarn treffen. Für den Anfang reichen vielleicht ein paar Worte schon aus.“

Ein lächelnder Mann mit Brille, Anzug und Krawatte.

Pfarrer Alois Moser: "Frische Luft und die kleinen Dinge schätzen"

Ähnlich argumentiert der Salzburger Pfarrer Alois Moser. Er plädiert für frische Luft und strukturierten Tagesablauf. „Und dann halte ich es mit dem Heiligen Ignatius von Loyola: Man muss den Abschluss eines jeden Tages positiv sehen und fragen: Was ist mir heute gelungen? Es geht darum, die kleinen Dinge wahrzunehmen.“

So hat es auch Matthias Gschwandtner in seinem Leben als Einsiedler gemacht. Denn wer Einsiedler in der Kartause Saalfelden werden möchte, muss mit wenig auskommen. 2020 hat Gschwandtner aus Bad Ischl den Job übernommen. Der Pensionist hat sich im Frühjahr als Einsiedler beworben. Warum? „Ich wollte ein anderes Leben ausprobieren. Wissen, wie es ist, wenn man alles weglässt.“  Und, wie ist es? „Es fehlt  einem nichts.“

Ein Schreibtisch mit Blick auf eine Berglandschaft.

"Das meiste wird unwichtig, wenn man hier, auf 1001 Metern, mit Blick auf das Kitzsteinhorn sitzt.“

Hier, auf dem Palfen, gibt es eine  natürliche Felshöhle, die im 17. Jahrhundert zu einer Kapelle samt Klause als Unterkunft ausgebaut wurde. Jahr für Jahr wird sie seither  von April bis November bewohnt.  Die Einsamkeit in den Abend- und Nachtstunden muss man ebenso gut vertragen wie  die unangemeldeten Besucher,  die tagsüber vorbeischauen. Das Leben in einer Klause ohne Strom, Zentralheizung und fließendem Wasser erfordert Bescheidenheit, gute körperliche Verfassung und handwerkliches Geschick. Ein Traumjob für  Gschwandter: „Das meiste wird unwichtig, wenn man hier, auf 1001 Metern, mit Blick auf das Kitzsteinhorn sitzt.“ Langeweile hat er nicht kennengelernt. Abends sei er mit dem Haushalt beschäftigt gewesen. Holz hacken, heizen  und anschließend draußen sitzen.  Schauen, lesen, meditieren.     

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