Fast eineinhalb Millionen Österreicher leben allein – Tendenz steigend. In der Altersgruppe ab 65 lebt fast ein Drittel allein. Auch wenn Alleinsein nicht zwingend Einsamkeit bedeuten muss: In Corona-Zeiten ist die Angst vor der Einsamkeit und ja, auch vor Langeweile, groß.
Das erzwungene Nichtstun
Psychotherapeutin Veronika Strobl spürt seit dem ersten Lockdown einen vermehrten Andrang in ihrer Praxis. Meist seien Themen wie Alleinsein oder Einsamkeit schon vor Corona da gewesen, durch die Einschränkungen werde das Gefühl nun verstärkt. „Durch das erzwungene Nichtstun treten bei vielen Menschen Themen in den Vordergrund, die immer schon oder eine Zeit lang da waren, aber durch unser ständiges Tun verdeckt oder auf die Seite geschoben wurden. Wer gut sozial eingebettet ist und Erfüllung in Beruf oder Freizeit erlebt, findet auch jetzt leichter neue, auch kreative Beschäftigungen. Und erlebt vielleicht auch ein Stück weit Erleichterung, nicht mehr rund um die Uhr etwas tun zu müssen.“
Frische Luft und Engagement
Und was hilft jenen, die Angst vor Einsamkeit und Fadesse haben? Die Psychotherapeutin rät zu Bewegung an der frischen Luft und zu karitativem Engagement, das auch jetzt möglich sei. Hilfe beim Einkaufen oder Gespräche anbieten, alte Kontakte zumindest telefonisch aufleben lassen. Andere fragen, wie es ihnen geht. „Und regelmäßiges Spazierengehen. Auch dabei kann man Menschen anlächeln, ins Gespräch kommen oder zufällig Nachbarn treffen. Für den Anfang reichen vielleicht ein paar Worte schon aus.“
Ähnlich argumentiert der Salzburger Pfarrer Alois Moser. Er plädiert für frische Luft und strukturierten Tagesablauf. „Und dann halte ich es mit dem Heiligen Ignatius von Loyola: Man muss den Abschluss eines jeden Tages positiv sehen und fragen: Was ist mir heute gelungen? Es geht darum, die kleinen Dinge wahrzunehmen.“
So hat es auch Matthias Gschwandtner in seinem Leben als Einsiedler gemacht. Denn wer Einsiedler in der Kartause Saalfelden werden möchte, muss mit wenig auskommen. 2020 hat Gschwandtner aus Bad Ischl den Job übernommen. Der Pensionist hat sich im Frühjahr als Einsiedler beworben. Warum? „Ich wollte ein anderes Leben ausprobieren. Wissen, wie es ist, wenn man alles weglässt.“ Und, wie ist es? „Es fehlt einem nichts.“
Hier, auf dem Palfen, gibt es eine natürliche Felshöhle, die im 17. Jahrhundert zu einer Kapelle samt Klause als Unterkunft ausgebaut wurde. Jahr für Jahr wird sie seither von April bis November bewohnt. Die Einsamkeit in den Abend- und Nachtstunden muss man ebenso gut vertragen wie die unangemeldeten Besucher, die tagsüber vorbeischauen. Das Leben in einer Klause ohne Strom, Zentralheizung und fließendem Wasser erfordert Bescheidenheit, gute körperliche Verfassung und handwerkliches Geschick. Ein Traumjob für Gschwandter: „Das meiste wird unwichtig, wenn man hier, auf 1001 Metern, mit Blick auf das Kitzsteinhorn sitzt.“ Langeweile hat er nicht kennengelernt. Abends sei er mit dem Haushalt beschäftigt gewesen. Holz hacken, heizen und anschließend draußen sitzen. Schauen, lesen, meditieren.
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