Tunnelblick am Semmering: Nur noch knapp ein Kilometer fehlt

Tunnelblick am Semmering: Nur noch knapp ein Kilometer fehlt
Am Freitag gab es den letzten Durchschlag von steirischer Seite.

750 Meter fehlen noch, dann ist der Aushub für den Semmeringbasistunnel komplett. Am Freitag wurde der letzte Durchschlag auf steirischer Seite gefeiert, von Niederösterreich her arbeiten sich die Tunnelbohrmaschinen noch durch den Berg.

Mehr zum Thema: Der letzte Kilometer ist der schwerste

"Vor mehr als 150 Jahren wurde auf der Semmeringstrecke mit einer meisterhaften Leistung Bahngeschichte geschrieben“, erinnerte Ministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Diese Gebirgsstrecke hat vorgezeigt, welches Potenzial in der damals noch recht neuen Bahn liegt. Der Semmeringbasistunnel ist nun unser Beitrag.“

Bis zur Fertigstellung des Projekts, das nicht unumstritten war und zu Zwist zwischen Niederösterreich und der Steiermark geführt hat, dauert es aber noch – ein Überblick.

2030, das Jahr der Eröffnung

Nach derzeitiger Planung ist die Inbetriebnahme in sieben Jahren vorgesehen, 2030 sollen somit die ersten Züge regulär durch den Semmeringbasistunnel fahren. Die Fertigstellung des Projekts verzögerte sich bereits einige Male: Beim Spatenstich hieß es, der Tunnel werde 2025 so weit sein. Im Februar 2021 wurde als Termin 2028 genannt und die Verschiebung mit den "extrem schwierigen Bedingungen“ im Berg begründet.

18 Jahre Bauzeit

Am 25. April 2012 machte sich viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft auf den Weg zum Semmering, der Spatenstich stand an und wurde gebührend gefeiert. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren mitunter die damaligen Landeshauptleute von Niederösterreich und der Steiermark, Erwin Pröll (ÖVP) und Franz Voves (SPÖ), sowie Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ). Christian Kern, der spätere SPÖ-Bundeskanzler war als Vorstandsvorsitzender der ÖBB dabei.

Tunnelblick am Semmering: Nur noch knapp ein Kilometer fehlt

Beim Spatenstich 2012 dabei: Kern, Voves, Pröll, Bures (v. li.)

Ersatz für historische Strecke

Der Semmeringbasistunnel dient als Ersatz und Entlastung der historischen Bahnstrecke über den Semmering, die 1854 eröffnet wurde. Die von Carl von Ghega konzipierte Trasse zählt seit 1998 zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist ein Teil der Südbahn und damit eine der meistbefahrenen Bahnverbindungen Österreichs. Allerdings sei sie nicht mehr zeitgemäß und entspreche nicht den Erfordernissen moderner Hochleistungsbahnen.

Jede Menge Gewicht

Allein beiden Tunnelbohrmaschinen, die im Berginneren zum Einsatz kommen, wiegen jeweils 1.800 Tonnen und haben eine Leistung von 12.000 PS. Sie schaffen es pro Tag bis zu 34 Meter vorwärts, das Gestein wird von Förderbändern abtransportiert.

Mehr zum Thema: Der Berg gibt das Tempo vor

Durch den Vortrieb kommen auch Massen von Aushubmaterial zusammen: Insgesamt handelt es sich um rund sechs Millionen Kubikmeter Material, das aus dem Berg gebracht werden muss, um den Tunnelröhren Platz zu machen. Im Gegenzug werden zwei Millionen Kubikmeter Beton verarbeitet.

Tunnelblick am Semmering: Nur noch knapp ein Kilometer fehlt

Letzter Durchschlag auf steirischer Seite

Viele Arbeitsplätze

1.200 Personen sind bei den Bauarbeiten tätig, 400 von ihnen auf niederösterreichischer, 800 auf steirischer Seite. Leider gab es während des Baus auch zwei Todesopfer bei Arbeitsunfällen.

Das Tempo

Die Züge können den Tunnel künftig mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 Stundenkilometer passieren. Pro Tag können rund 300 Züge durch den Tunnel fahren.

Die Länge

Die beiden Röhren sind jeweils 27,3 Kilometer lang. In der Steiermark ist bereits alles gegraben, in Niederösterreich fehlen noch rund 750 Meter bis zum Durchbruch. Insgesamt sind somit 97 Prozent der Strecke erledigt.

Geringere Fahrzeit

Die Fahrzeit zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag verkürzt sich durch den Tunnel auf zwölf Minuten, das ist um rund eine halbe Stunde weniger als derzeit. Damit sind die Fahrgäste auch zwischen Wien und Graz schneller unterwegs: Statt wie jetzt rund zweieinhalb Stunden werden es mit der Inbetriebnahme des Semmeringbasistunnels dann nur noch knapp zwei Stunden sein.

Die Kosten wuchsen enorm

Die kalkulierten Kosten stiegen in den vergangenen Jahren massiv an, und zwar von ursprünglich 3,1 Milliarden auf 4,2 Milliarden Euro. Gebaut wird übrigens in fünf Abschnitten: Die Portalbereiche Gloggnitz und Mürzzuschlag sowie die Tunnelabschnitte Gloggnitz, Fröschnitzgraben und Grautschenhof. Der erste Tunneldurchschlag erfolgte am 10. Juni 2022.

Die Bedenken der Naturschützer

Es gab einige rechtliche Probleme rund um den Bau, so hob der Verwaltungsgerichtshof mehrere Male die Baubewilligungen auf, etwa weil Lärmmessungen fehlten oder eine Naturverträglichkeitsprüfung wegen eines Europaschutzgebietes.

Große Pläne

Bereits ab den 1950er-Jahren gab es Pläne, die Semmeringbahn durch eine Tunnellösung zu entlasten. Konkrete Detailpläne gab es aber nur für drei Projekte. Das Erste wurde 1983 präsentiert und sah einen 32 Kilometer langen Tunnel zwischen Gloggnitz in Niederösterreich und Langenwang in der Steiermark vor; in Mürzzuschlag war ein unterirdischer Bahnhof angedacht.

Die erste Trasse

1989 wurde erstmals eine Trasse zur Genehmigung eingereicht, sie war 27,2 Kilometer lang und verlief zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag. 1994 folgte der eisenbahnrechtliche Bescheid, auf steirischer Seite wurde ein Sondierstollen vorangetrieben. Die Arbeiter stießen jedoch auf Wasser, zudem kamen immer mehr naturschutzrechtliche Bedenken auf. Ab 2005 wurde umgeplant, das Projekt 2010 neu zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Im Mai 2011 gab es die Baubewilligung.

Reger Wechsel in der Politik

Nimmt man die ersten Pläne ab den späten 1980er-Jahren, so haben sich bereits 17 Verkehrsministerinnen und -minister mit dem Tunnelprojekt befassen müssen, außerdem acht Landeshauptleute – drei in Niederösterreich, fünf in der Steiermark. Zählt der Spatenstich 2012 als Ausgangspunkt, dann waren es mit Erwin Pröll und Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich sowie Franz Voves (SPÖ), Hermann Schützenhöfer und Christopher Drexler (beide ÖVP) in der Steiermark fünf Landeshauptleute.

Seit dem Spatenstich 2012 leiteten acht Personen das Infrastrukturministerium: Doris Bures, Alois Stöger, Gerald Klug, Jörg Leichtfried (alle SPÖ), Norbert Hofer (FPÖ), Valerie Hackl (vier Tage in der Expertenregierung, Anm.) und Andreas Reichhart (Mitglied der Expertenregierung) sowie aktuell Leonore Gewessler (Grüne).

Mehr als nur eine Semmering-Strecke

Der Semmeringbasistunnel gehört zur Südbahnstrecke, für die noch ein zweiter Tunnel neu entsteht – jener durch die Koralm zwischen der Steiermark und Kärnten. mit ihr verkürzt sich die Fahrzeit zwischen Graz und Klagenfurt auf 45 Minuten, bisher betrug sie beinahe drei Stunden. Die Strecke ist insgesamt 130 Kilometer lang, Herzstück ist der 33 Kilometer lange Koralmtunnel: Er ist seit Juni fertig, die gesamte Bahnverbindung soll 2025 komplett sein und damit fünf Jahre früher als der Semmeringbasistunnel. Diese Südbahnstrecke gehört zur 1.700 Kilometer langen transeuropäischen Zugverbindung zwischen Ostsee und Adria.

Kommentare