Schneckentempo
Die Mineure können sich behutsam nur einen Meter in 24 Stunden voran tasten. Etwa 1.000 Meter liegen noch vor ihnen. „Wir haben schon gewusst, dass dieser Abschnitt sehr herausfordernd wird. Aber auf einer Skala von eins bis zehn, liegen wir leider bei zehn. Der Berg gibt das Tempo vor“, erklärt Gerhard Gobiet. Er ist seit 2006 Projektleiter des Semmering-Basistunnel und hat damit alle Höhen und Tiefen mitgemacht. Den KURIER hat er zum Lokalaugenschein 400 Meter tief ins Berginnere mitgenommen.
Abgesehen von der heiklen Störungszone auf Gloggnitzer Seite kann Gobiet mit der Leistung der Mineure zufrieden sein. Besonders die 3.500 Tonnen schweren Tunnelbohrmaschinen im Abschnitt Fröschnitzgraben sind eine Erfolgsgeschichte. Die beiden Bohrer haben sich in weniger als drei Jahren 8,5 Kilometer durch den Berg gefressen.
Schweizer Käse
Der Basistunnel wird von fünf verschiedenen Stellen und insgesamt 14 Vortrieben gleichzeitig gebaut, das Bergmassiv dabei durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Sechs Vortriebe sind bereits abgeschlossen. 2020 hat man mit dem Innenausbau der Röhren begonnen. Dabei wird der Tunnel mit einer Betoninnenschale ausgekleidet. Produziert wurden diese in einem eigens errichteten Betonwerk in Neunkirchen.
Besondere Bedeutung kommt bei dem Monsterprojekt der Präzession der Vermessungstechniker zu. Da von mehreren Stellen aus gegraben, gebaggert, gebohrt und gesprengt wird, muss sichergestellt sein, dass sich die Röhren in der Mitte beim Durchschlag punktgenau treffen.
Bei einer Tunnellänge von 11,5 Kilometern bei einem der Baulose wurde vor dem Start eine Fehlertoleranz von elf Zentimeter definiert. „Die Abweichung der beiden Röhren lag schließlich bei zwei Zentimeter. Das ist eine Meisterleistung“, erklärt Gobiet.
1.200 Personen am Werk
Auch über Tage ist der Fortschritt der Arbeiten bereits deutlich erkennbar. Am neuen Bahnhof und dem Portalbereich Mürzzuschlag (Stmk.) sind die Bahnsteige und die Park & Ride-Anlage im Norden bereits fertig, das Bahnhofsgebäude befindet sich aktuell in Arbeit. Mit der Inbetriebnahme des Tunnels verkürzt sich die Fahrzeit der Verbindung Wien – Graz von 2 Stunden und 40 Minuten auf 1 Stunde 50 Minuten.
Insgesamt sind etwa 1.200 Personen mit dem Bau des Basistunnel beschäftigt, 800 auf steirischer Seite und 400 in Niederösterreich. Leider sind unter den Beschäftigten auch Opfer zu beklagen.
Im April 2020 wurde ein 53-jähriger Mineur bei der Fertigung eines Querstollens von Erdmassen verschüttet und getötet. Nur kurz darauf starb ein 59 Jahre alter Vermessungstechniker, nachdem ihn ein Muldenkipper angefahren hatte.
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