Türkis-Grün schickt die Schüler auf Wintersportwoche
Die neue türkis-grüne Regierung will die Schüler unter dem Titel „Wintersportwoche“ wieder auf die Pisten bringen. Und das Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen lässt in Sachen Schulskikurse wenige Fragen offen.
Geplant ist die „Einführung von Sporttagen“: in der Volksschule mindestens vier Tage, in der Unter- und Oberstufe „mindestens je zwei Wochen, wobei eine davon dem Wintersport gewidmet werden muss“, wie es im Kapitel Sport heißt. Auch Türkis-Blau wollte die Schulskikurse fördern, war dabei aber weder so ambitioniert, noch so konkret wie die neue Regierung.
Im vorangegangenen Regierungsprogramm war nur die Rede von einer „Erleichterung für Schulskikurse und Wintersportwochen“. Nun wird das für die Schulen wieder verpflichtend. 1996 waren die verpflichtenden Wintersportwochen abgeschafft worden. Wobei niemand auf die Ski gezwungen wird. „Wintersportwoche heißt nicht automatisch Skifahren“, sagt Eva Blimlinger, die für die Grünen das Sportkapitel mitverhandelt hat.
Eislaufwoche möglich
So sei für Wiener Schulen auch eine Eislauf- oder Eishockey-Woche in der Bundeshauptstadt denkbar. „Es geht uns dabei um die Bewegung auch im Winter“, erklärt Blimlinger. Wann die Sportwochen starten, ist noch offen, sehr wahrscheinlich nicht im kommenden Schuljahr. Die Vorbereitungen werden „einige Zeit dauern“.
Von Lehrer- und Elternseite kommt vorsichtige Zustimmung, mit einem großen Aber. „Ich sehe das grundsätzlich positiv. Kinder sind sehr gerne auf Schulveranstaltungen“, sagt Pflichtschullehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger. Er sieht aber Fragezeichen bei der Finanzierung. „Wir haben festgestellt, dass die Kosten für Schulveranstaltungen davongaloppiert sind“, meint er.
Unterstützung gefordert
Ein im Bildungskapitel angeschnittener Fonds für benachteiligte Schulstandorte könnte die Lösung sein. „Die Finanzierung über den Fonds wäre eine gute Sache“, sagt Kimberger. Die Frage nach dem Geld stellt sich auch für Elisabeth Rosenberger, Präsidentin des Bundeselternverbandes. „Es muss eine Unterstützung für die geben, die es sich andernfalls nicht leisten können“, fordert sie.
Für Rosenberger ist positiv, dass auf das nachlassende Interesse am Skifahren in den Städten reagiert wird. „Als Langlaufwoche, kombiniert mit Eislaufen und Rodeln könnte das auf Interesse stoßen“, meint sie. Allerdings werden wohl auch die Schulbudgets erhöht werden müssen, um die Teilnahme der Lehrer zu finanzieren. „Wenn das Schulbudget nicht erhöht wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass das funktionieren wird“, sagte AHS-Gewerkschafter Herbert Weiß.
Finanzierung noch offen
Schönheitsfehler des Vorhabens: Die Finanzierung ist noch völlig offen. „Das ist noch nicht besprochen worden“, sagt Blimlinger. Eine Unterstützung für sozial schwache Familien sei aber vorgesehen.
Werden die Pläne umgesetzt, könnte das den langen Niedergang der Schulskikurse beenden. Vom Rekordwert von 252.000 Schülern im Jahr 1979 sank die Zahl bis 2010 auf 133.000 Teilnehmer. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Die Teilnehmerzahlen dürften sich aber stabilisiert haben, zeigen Zahlen aus einzelnen Bundesländern. „Es hat keinen weiteren drastischen Rückgang gegeben. In Wien, Niederösterreich und in Oberösterreich haben wir eine relativ konstante Entwicklung“, sagt Marco Cerny, Projektleiter der Servicestelle Wintersportwochen.
Innerhalb von 30 Jahren fast halbiert
In absoluten Zahlen ist der Rückgang beträchtlich. Im Jahr 1979 fuhren laut Bildungsministerium noch 252.000 Schüler auf Wintersportwoche, 2010 waren es nur mehr 133.000. Bei Sommersportwochen war das Rekordjahr 1997 mit 124.000 Schülern.
Relativer Rückgang überschaubar
Da die Gesamtzahl der Schüler im gleichen Zeitraum ebenfalls gesunken ist, war der relative Rückgang weit weniger stark. Wie die Rechercheplattform Addendum berechnet hat, fuhren 1979 knapp 18 Prozent der Schüler auf Wintersportwoche, 2010 waren es 13,5 Prozent der Schüler.
Konstante Zahlen bei Privaten
Von keinen starken Rückgängen berichten auch die Naturfreunde. Sie sind Österreichs größter Schneesportveranstalter außerhalb der Schulen. Rund 50.000 Kinder lernen jährlich beim zweitgrößten alpinen Verein das Skifahren, überwiegend in der Steiermark sowie in Nieder- und Oberösterreich.
Stadt wartet auf Konzept
„Prinzipiell begrüßenswert“ findet man den Vorstoß der türkis-grünen Bundesregierung in der Wiener Bildungsdirektion. Man werde die Pflicht-Wintersportwochen zwar unterstützen – bis dato sei jedoch kein konkretes Konzept erkennbar, sagt Martin Molecz, der für den Schulsport in Wien zuständig ist. So gebe es etwa nicht genug speziell ausgebildete Lehrer.
Zurzeit entscheiden ja die Schulpartner – also Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter – darüber, ob an einer Schule auf Wintersportwoche gefahren wird. Aktuell kommen in der AHS-Unterstufe 25 bis 30 Prozent und in der AHS- bzw. BHS-Oberstufe sechs bis acht Prozent der Schüler in diesen Genuss. (Für Pflichtschulen gibt es laut Bildungsdirektion dazu noch kein Zahlenmaterial.) „Dafür reichen die Lehrer, die für die Begleitfunktion ausgebildet sind noch aus“, erklärt Molecz. Für eine 100-prozentige Abdeckung seien aber entsprechende Ausbildungen nötig. Wobei man keinen Pädagogen zu einer Begleitlehrerausbildung zwingen könne.
Bei Wiener Eltern und Schüler stehe Wintersport nach wie vor hoch im Kurs. Für finanziell schwächere Familien seien die Kosten für die Teilnahme an einem Schulskikurs aber zum Teil zu hoch, so Molecz.
In dieselbe Kerbe schlägt Evelyne Kometter, Bundessprecherin des Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen. Persönlich begrüßt sie „Wintersportwochen im Alpenland Österreich“ zwar – nach Ansicht der Eltern sollte die Entscheidung aber weiter schulautonom getroffen werden. Zudem geht auch sie davon aus, dass eine Verpflichtung zur Wintersportwoche nur schwer umzusetzen sein wird, „weil sich das nicht alle Familien leisten können“.
Skeptisch auf das türkis-grüne Vorhaben reagiert man insofern auch im Büro des Wiener Bildungsstadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Denn Wintersport sei teuer. „Und wenn es eine Verpflichtung zur Wintersportwoche gibt, wird es ohne finanzielle Unterstützung für sozial schwache Familien nicht gehen.“ Bisher habe der Bund in dieser Hinsicht aber eher gespart – „wie beispielsweise durch die Abschaffung des Skiverleihs an Bundesschulen“.
Die Stadt unterstütze ihre Pflichtschulen zwar mit einem eigenen Skiverleih und finanziell schlechter gestellte Familien mit sozial gestaffelten Zuschüssen für Sportwochen. (Diese werden im Schnitt 1.000-mal pro Jahr beantragt.) Zudem laufen in den Schulen viele Unterstützungen über die Elternvereine. Alleine könne die Stadt aber nicht alles abfedern.
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