Enns-Verwaltungsleiter Gerald Schaflechner meint, dass nur vereinzelt Mitarbeiter vor allem aus privaten Gründen das Haus verlassen würden. Die Verlegung des unheilbar Erkrankten in eine Einrichtung mit schlechter ausgebildeten Personal sei sogar eine "wesentliche Leistungssteigerung". Zwei der betroffenen Pfleger bezeichnen diese Aussagen jedenfalls als "empörend und skandalös".
In der Anästhesie in Steyr haben in kürzester Zeit acht Mitarbeiter gekündigt, nur eine konnte zum Bleiben überredet werden. Ein Intensivpfleger spricht von "teilweise gefährlichen Situationen" im Spitalsalltag. So sei das Operationspersonal wegen Personalmangels auch für die Entladungen der Notarzthubschrauber eingesetzt worden, während Patienten am OP-Tisch lagen. Auch im Aufwachraum mussten Patienten mitten in ihren ersten Gehversuchen allein gelassen werden. Obendrauf gab es die Order, dass maximal zwei Wochen Urlaub im gesamten Sommer möglich sein, erklärt eine Betroffene.
Ursachen für die Personalflucht
Offiziell nennt man in Steyr "vorwiegend private Gründe" als Ursache für die Personalflucht. Pflegedirektorin Walpurga Auinger weist jedenfalls alle Vorwürfe "auf das Schärfste" zurück. Es gebe auch keinen Pflegenotstand und keinen Personalmangel. Dennoch wird sogar über die Plattform willhaben dringend nach Ersatzpersonal gesucht. Auch unausgebildete Kräfte würden genommen und innerhalb von fünf Jahren ausgebildet.
Dutzende Pfleger schilderten gegenüber dem KURIER in den vergangenen Wochen ihr Leid, ein junger Mann etwa musste in einem großen Wiener Spital alleine 30 Schwerstkranke in der Nacht betreuen. Eine Überwachungsstation in der Klinik Penzing suchte trotz attraktiven Arbeitsumfeldes ein Jahr lang vergeblich nach diplomierten Fachkräften. Diese Spezies ist derzeit eine Rarität.
Schon vor Monaten hatte Elke Stadlmayr, Intensivstationsleiterin an der Linzer Keplerklinik, gewarnt: „Meine Leute arbeiten seit Beginn der Pandemie am Limit. Ihre Belastbarkeit hat deutlich nachgelassen. Manche können in der Nacht nicht mehr schlafen, aus Angst, was einen am nächsten Tag im Dienst erwartet. Was ich tun werde, wenn es zu längeren Krankenständen kommt, weiß ich jetzt noch nicht.“Die Folgen der Corona-Belastung, Personalmangel und dadurch keine Möglichkeiten für Arbeitszeitreduzierungen oder Urlaube (nicht aber mangelnde Bezahlung) werden als die Hauptursachen für die Flucht aus den Intensivstationen genannt.
Dazu kommt, dass nach Berichten im KURIER und im ORF nun langsam doch ein OGH-Urteil umgesetzt wird und Intensivpflegepatienten das Recht haben, zuhause gepflegt zu werden statt im viel teureren Spital. Das spart dem Staat zwar viel Geld, zieht aber das Personal aus den Intensivstationen ab. Dazu sind derzeit weitere Privatinitiativen in Planung, um (Intensiv-)Pflegekräfte an staatlichen Organisationen vorbei zu vermitteln.
Eine Ärztin wollte im KURIER vor einigen Wochen vor den möglichen Folgen der Privatisierung der Intensivpflege warnen. Der Spitalsträger verweigerte aber eine Interviewgenehmigung dazu.
Startschuss für die Pflegereform
Diese Woche wurden von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vier Gesetze und Novellen in die Begutachtung geschickt. Eine Milliarde Euro sollen investiert werden, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.
Mit der im Ministerrat fixierten und im Mai präsentierten Reform sollen die Pflegeberufe attraktiver werden – vor allem durch Gehaltserhöhungen. Auch während der Ausbildung soll es mehr Geld geben. Ausserdem sollen pflegende Angehörige eine kleine Entschädigung bekommen, nämlich 1500 Euro pro Jahr. Nach vorsichtigen Schätzungen werden rund 30.000 Personen diesen Angehörigenbonus erhalten.
Verbesserungen sind auch bei der 24-Stunden-Betreuung geplant. Dabei wird die unselbstständige Beschäftigung attraktiviert. Hier werden die Details noch ausgearbeitet, das soll im Herbst starten.
Für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz wird der Wert des Erschwerniszuschlages von 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht. Damit stehen 20 Stunden zusätzlich pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung.
Mit der Pflegereform will die Regierung sicherstellen, „dass die Menschen in Österreich jetzt und in Zukunft mit einem hochwertigen Pflegeangebot versorgt sind“, hieß es in einem Pressestatement.
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