"Totalausfall" in der Hochzeitsbranche
„Sie dürfen einander jetzt küssen“ – das könnte kompliziert werden. Denn wer dieser Tage heiratet, muss mit Mund-Nasen-Schutz zur Trauung schreiten. Erlaubt sind inklusive Brautpaar und Standesbeamtem oder Pfarrer maximal zehn Leute.
Lange Zeit fiebern viele Paare auf ihren Hochzeitstag hin. „Wir haben diesen Tag seit eineinhalb Jahren geplant“, erzählt eine junge Braut aus Wiener Neudorf. Geheiratet hätte sie Ende Mai. Sie hat ihre Trauung nun gleich um ein ganzes Jahr verschoben.
„Auf unserer Gästeliste stehen 100 Leute, wir wollen lieber warten, als nur im kleinen Rahmen zu feiern“, sagt sie.
Weil sie beim Feiern nicht kürzertreten wollen, haben viele Paare ihre Hochzeit gleich um ein ganzes Jahr verschoben. 94 Hochzeiten musste das österreichweit beliebte Mödlinger Standesamt während der Corona-Krise aussetzen. „Die Hälfte davon wird erst nächstes Jahr heiraten“, erzählt Amtsleiter Walter Schwinger. Für die andere Hälfte gelang es, in Mödling auch in dieser Saison noch Termine zu finden. „Wir haben so viele tolle Locations, wir haben einfach das Angebot erweitert“, sagt Schwinger.
Ganzes Jahr fehlt
Kosten entstehen für die Brautpaare kaum. Ein Rundruf des KURIER zeigte: die meisten Dienstleister bieten eine kostenlose Stornierung oder Verschiebung an, um die Paare als Kunden nicht zu verlieren. Für die Dienstleister selbst ist die Situation aber dramatisch.
„Das Problem ist, wir können den Umsatz, den wir dieses Jahr verlieren, nicht einfach im nächsten Jahr aufholen. Viele können nicht einfach die doppelte Menge an Trauungen abarbeiten. Ein Fotograf oder ein Caterer kann zum Beispiel nur eine Hochzeit pro Tag machen. Das bedeutet also einen Totalausfall für viele“, erzählt Hochzeitsplanerin Bianca Lehrner. Sie und ihre Kolleginnen betreuen 2020 eigentlich 40 Hochzeitspaare. 37 davon haben die Trauung aber verschoben.
Krise ist existenzgefährdend
Viele Dienstleister fürchten nun aufgrund der Krise um ihre wirtschaftliche Existenz. Lucas Dirnbacher leitet eine DJ-Agentur, der Großteil seiner Kunden sind Hochzeitspaare, eigentlich wäre er dieses Jahr für 400 Hochzeiten gebucht. Für ihn könnte die Krise existenzgefährdend werden. „Wir haben dieses Jahr aber noch nicht ganz aufgegeben und hoffen auf eine Verlagerung in den Herbst“, sagt er.
Auch Christina Krug, die sich auf Hochzeitstorten spezialisiert hat, spürt die Krise: „Unsere Hauptsaison läuft von Mai bis September. In diesen fünf Monaten machen wir eigentlich den Umsatz, von dem wir das ganze Jahr leben. Für uns fällt 2020 total aus“, sagt sie. Dabei habe sie als Konditorin noch das Glück, „dass ich mein Produkt auch anders anbieten kann“. Momentan bäckt sie kleine Naschpakete, die etliche zum „Danke“ sagen verschicken, erzählt sie.
Hilferuf an Regierung
Weil man sich in der Branche alleine gelassen fühlt, hat Lehrner einen offenen Brief an die Regierung verfasst, in dem sie um Hilfe bittet. In der Antwort wird auf Härtefallfonds und Kurzarbeit verwiesen. „Das rettet uns aber nicht. Diese Modelle laufen mit der Lockerung der Maßnahmen aus. Unser Geschäft ist aber nicht nur bis Ende Juni, sondern bis Ende des Jahres gelaufen.“
Terminfindung
Laut Bernhard Fichtenbauer, Betreiber einer Webseite für Hochzeitlocations, finden in Österreich pro Jahr etwa 45.000 Hochzeiten statt. Zwei Drittel davon in den Monaten März bis August. Das Coronavirus wirbelt die Heiratspläne vieler Paare also gehörig durcheinander. 30.000 Hochzeiten sind deshalb verschoben worden.
Weil sie das Fest nicht im kleinen Rahmen feiern wollen, weichen etliche Paare auf einen Termin im Folgejahr aus. Berücksichtigt man dabei, dass viele bereits ein Jahr im Voraus planen, sind die Termine für 2021 durch die zahlreichen Verschiebungen schon gut gebucht.
Um alle Heiratswilligen im gewünschten Zeitraum unterzubringen, rät Fichtenbauer, verstärkt auf andere Tage als den beliebten Samstag auszuweichen. Auch den Winter als Hochzeitssaison möchten nun viele aus der Branche aufwerten.
Regeln Momentan dürfen insgesamt maximal zehn Personen an der Trauung teilnehmen. Für jede Person müssen zehn Quadratmeter Platz sein. Brautpaare sollen einen eigenen Kugelschreiber aufs Standesamt mitbringen. Mund-Nasen-Schutz muss getragen werden. „Natürlich ist das komisch, wenn so die Mimik verloren geht. Aber man muss einfach etwas genauer schauen. Man sieht auch an den Augen, wenn jemand lächelt“, sagt Walter Schwinger, Leiter des Standesamts Mödling.
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