Tödlicher Zugsunfall mit Cityjet: So hätte er verhindert werden können
Ein Todesopfer, 53 zum Teil schwer Verletzte und knapp 20 Millionen Euro Sachschaden forderten zwei sehr ähnlich verlaufende Bahnunfälle innerhalb von drei Monaten im Jahr 2017 und 2018. Sowohl in Kritzendorf (Niederösterreich) als auch in Niklasdorf (Steiermark) waren hochmoderne Cityjets beteiligt, in beiden Fällen wurden zuvor Haltesignale missachtet. Das Verkehrsministerium sah eine „signifikante Unfallserie“ auf der Schiene.
Spekuliert wurde seither vieles, von angeblich fernsehschauenden oder telefonierenden Lokführern war die Rede. Andere vermuteten verschiedene technische Probleme beim Cityjet.
Zu dem Unfall in Niklasdorf ist nun der Endbericht der Untersuchungsstelle des Verkehrsministeriums (SUB) erschienen. Dazu muss man wissen, dass in diesen Dokumenten kein Schuldiger genannt werden darf. Dennoch werden einige Sicherheitsmängel angesprochen, in einigen Bereichen gibt es Verbesserungen, in anderen wurde bis heute nichts getan.
Der Bericht wurde bereits im April fertiggestellt, fand wegen Corona bisher allerdings noch keine Beachtung.
500 Hz Magnet
Der Zusammenstoß eines Cityjet und eines Eurocityzuges im Februar 2018 in der Steiermark hatte jedenfalls mehrere Gründe. Der auffälligste war aber ein fehlender Sicherheitsmagnet (ein sogenannter 500-Hz-Gleismagnet), der den Cityjet rechtzeitig abgebremst hätte. Wäre diese Sicherheitseinrichtungen in den Schienen verbaut gewesen, wäre der Cityjet nicht mit mehr als 70 km/h in den Intercity gefahren und hätte einen Waggon seitlich fast komplett aufgerissen.
Das Problem dabei: So ein Magnet war offenbar bis in das Frühjahr 2017 vorhanden, wie aus einer Stellungnahme in dem Bericht hervorgeht, wurde aber offenbar für Wartungsarbeiten ausgebaut. Und ein Jahr später war dieser noch nicht wieder neu verlegt.
Der unabhängige Bericht hält auch fest, dass ein Schaffner im Cityjet das Haltesignal wohl gesehen hätte und den Zug nicht freigegeben hätte. Das Fahren ohne Schaffner, im Fachjargon 0:0-Betrieb genannt, wird seit Jahren (vor allem von der Gewerkschaft vida) kritisiert, erspart aber einen Mitarbeiter pro Zug.
Die Einsparungen durch den 0:0-Betrieb sind enorm, da hunderte Posten nicht besetzt werden müssen. De facto wird damit aber ein Sicherheitskreis entfernt. Auch das Dokument des Ministeriums hält fest, dass die Lokführer mehr abgelenkt sind, weil sie auch die Aufgaben des Schaffners übernehmen müssen. Gesetzlich sei dies aber alles erlaubt, wird immer wieder betont.
Auch fehlende Schutzwege werden moniert. Vor allem im österreichischen Schienennetz sind die Abstände zwischen Signalen und Weichen offenbar kürzer als in anderen Ländern. Im aktuellen Fall waren es nur 50 Meter.
Am Cityjet selbst wurde wenig kritikwürdiges gefunden, das einzige ist, dass er ein Bremssystem hat, dass (bei Auslösung durch Magneten) etwas verspätet eingreift. Im aktuellen Fall hätte dies aber am gesamten Bremsweg nur rund 21 Meter gebracht. Mit einem älteren Bremssystem wäre der Aufprall vermutlich mit etwas geringerer Geschwindigkeit passiert, allerdings wäre er nicht verhindert worden.
Lokführer angeklagt
Mit Spannung war erwartet worden, dass erstmals die Mobiltelefone der Beteiligten Lokführer unmittelbar nach dem Unfall beschlagnahmt wurden.
Der Sachverständige habe allerdings laut dem SUB-Bericht nicht klären können, ob einer der beteiligten Triebfahrzeugführer etwa eine App im Betrieb gehabt hat. Somit lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, wie und warum der Cityjet-Lokführer das Haltesignal überfahren hat.
Bis drei Jahre Haftstrafe
Fest steht, dass sich der Cityjet-Lokführer in den nächsten Monaten vor Gericht verantworten wird müssen. Die Staatsanwaltschaft Leoben hat bereits Anklage erhoben wegen fahrlässiger Gemeingefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung. Im schlimmsten Fall drohen ihm bei einem Schuldspruch bis zu drei Jahre Haft.
Die ÖBB haben bereits als Folge der Unfälle einen groß angelegten Einbau von 500- Hz-Magneten in die Wege geleitet. Auch wurde viel Geld in verbesserte Sicherheitsmaßnahmen investiert, die Zahl der Unfälle auf der Schiene hat sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren jedenfalls wieder deutlich reduziert.
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