Die Schattenmänner: So funktionieren Österreichs Geheimdienste
Schuld an allem ist ein Brite, der sich gerne mit Zigarette im Mund fotografieren ließ. Der Schriftsteller Ian Fleming hat wohl wie kaum ein anderer mit seinen Romanen das Bild des Geheimagenten geprägt. Fleming erschuf 007 – James Bond, Geheimagent im Auftrag ihrer Majestät, tätig für den britischen MI6, den Martini stets geschüttelt, nicht gerührt trinkend.
Einzig, mit der heutigen Realität hat all dies wenig zu tun. Doch, wie funktioniert jener geheime Bereich eines Staates, über den so wenig wie möglich bekannt werden soll, der aber in der Öffentlichkeit polarisiert?
Wie sehr, haben die Ereignisse der vergangenen Woche rund um die vereitelten Anschlagspläne eines 19- und eines 17-jährigen Österreichers mit Migrationsgeschichte auf eines der Taylor-Swift-Konzerte in Wien verdeutlicht. Mit selbst gebastelten Bomben, einem Auto, Messern und Macheten wollte der 19-jährige Niederösterreicher – der erst am 7. Juli einen Treueschwur auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) abgelegt hatte – offenbar in die feiernden Fans vor dem Stadion rasen.
Warnungen ausländischer Geheimdienste
Nur Warnungen ausländischer Geheimdienste an das Heeres-Nachrichtenamt (HNaA) und die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) verhinderten Schlimmeres.
Eine typisch österreichische Misstrauensfrage blieb allerdings erhalten: Warum "unsere“ Geheimdienste denn das bitte nicht selbst, ohne die Hilfe anderer herausfinden konnten?
Die Antwort ist: Weil Geheimdienstarbeit nie im Alleingang funktioniert. Sondern stets aus einem Geben und Nehmen besteht. Wer das verstehen will, muss zunächst die Struktur der Geheimdienste in Österreich verstehen. Die zwar umgangssprachlich Geheimdienste genannt, aber in Wahrheit Nachrichtendienste sind.
Der Unterschied? Nachrichtendienste sammeln in erster Linie Informationen mit der Hilfe spezieller Mittel, wie etwa Observationen oder technischer Überwachungen. Ein Geheimdienst greift aktiv in das Geschehen ein. Überspitzt formuliert, besitzt er die "Lizenz zum Töten“.
Wie etwa der israelische Geheimdienst Mossad.
Zurück nach Österreich und seinen drei Nachrichtendiensten: die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Nachfolgeorganisation des skandalgebeutelten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), die zum Innenministerium zählt.
Sowie das Heeres-Nachrichtenamt (HNaA) und das Abwehramt – beide beim Verteidigungsministerium angesiedelt. Ganz vereinfacht ausgedrückt, ist das HNaA für militärisch nachrichtendienstliche Belange im Ausland und das Abwehramt für jene im Inland zuständig.
Auch das FBI im Spiel
Warum es eine Trennung zwischen militärischen und zivilen Diensten braucht – auch wenn sie manch einer schon auflösen wollte? Weil sich militärische "befreundete ausländische Dienste“, wie sie gerne genannt werden, eben nur mit einem militärischen Gegenüber, aber nie mit einem zivilen austauschen. Ebenso wie das FBI dies auf polizeilicher Ebene mit der DSN tut.
Und so erhielt im Swift-Fall das HNaA Hinweise aus dem Ausland, die es in Österreich dann an die DSN weitergab, die diese allerdings schon hatte. "Alle drei österreichischen Nachrichtendienste pflegen Beziehungen zu Partnerdiensten. Diese Kooperationen gründen in der nachrichtendienstlichen Tätigkeit auf wechselseitiger Informationsteilung und erhöhen somit die Sicherheit aller betroffenen Länder“, erklären DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner, der Leiter des HNaA, Sascha Bosezky und Reinhard Rockenstuhl vom Abwehramt.
Derartige bilaterale Kooperationen seien für die Auftragserfüllung unumgänglich und funktionieren bei allen drei Nachrichtendiensten Österreichs "sehr gut“.
Zweithöchste Terrorwarnstufe
Dass die Terrorlage in Österreich gefährlicher ist, als sonst wo auf der Welt und die Anschlagsgefahr plötzlich und erkannt zurück ist, mag subjektiv so empfunden werden, stimmt aber nicht.
Seit Oktober 2023 gilt in Österreich die zweithöchste Terrorwarnstufe. Das bedeutet "eine konkrete Gefährdungslage und eine gestiegene Anschlagsgefahr“. Bei einem Punkt hängen ausländische Geheimdienste ihre rot-weiß-roten Kollegen tatsächlich ab – den Befugnissen. Denn den heimischen Nachrichtendiensten fehlt weiterhin die "Lizenz zum Mitlesen“.
Laut geltender Gesetzeslage darf die DSN zwar bei einem Hochgefährder – von denen es rund 150 gibt – eine Telefonüberwachung durchführen, aber nicht in seinen Messengerdiensten wie Whatsapp mitlesen. Eben jene Kanäle, über die Terroristen erfahrungsgemäß kommunizieren.
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