Es ist keine gewöhnliche Betriebsversammlung, die sich an diesem wolkenverhangenen Mittwoch zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum in Wien abspielt. Unzählige Trillerpfeifen sorgen für eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse, viele der rund 4.000 Versammelten tragen orange und gelbe Warnwesten und halten Schilder und Transparente in die Höhe: „Hilfe, wir brennen aus“, „Kindergarten: Come in and burn out“ oder einfach nur „I’m done“.
Es sind die Beschäftigten der privaten Wiener Kindergärten und Horte, darunter die Wiener Kinderfreunde, die St. Nikolausstiftung, Kinder in Wien und die Diakonie, die sich hier zu einer öffentlichen Betriebsversammlung versammelt haben, um für bessere Rahmenbedingungen und ein bundeseinheitliches Rahmengesetz zu protestieren. Diese Einrichtungen – über 300 an der Zahl – blieben am Mittwoch geschlossen.
Man treffe sich bewusst wenige Tage nach der Nationalratswahl, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Denn so wolle man „Druck aufbauen“. Die Elementarbildung müsse ein „zentrales Thema“ der künftigen Regierung sein.
Schwieriger Arbeitsalltag
Die Hauptforderungen der Versammelten: kleinere Gruppen und ein besserer Betreuungsschlüssel, eine einheitliche Ausbildung für Assistentinnen und Assistenten, mehr Anerkennung, ausreichend Vor- und Nachbereitungszeit sowie bezahlte Reflexionszeit.
Und vor allem: ein einheitliches Rahmengesetz, das die Bedingungen für alle Kindergartenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter von Wien bis Vorarlberg regelt. Denn die sind mehr als schwierig, wenn man sich unter den Anwesenden umhört: „Wir haben bei einer Gruppengröße von 25 Kindern nur zwei Fachkräfte“, bestätigt eine Teilnehmerin der Kundgebung. „Manchmal sind wir sogar allein“, wirft eine Kollegin ein.
Auch eine Kindergartenleiterin berichtet von den schwierigen Bedingungen: „Meine Mitarbeiterinnen werden immer häufiger krank, auch wegen der Überlastung. Ich selbst hatte 2021 einen leichten Burn-out und musste Stunden reduzieren.“ Es sei schwierig, das Personal unter den gegebenen Bedingungen noch zu motivieren.
"Mindestanforderungen erfüllen"
Das bestätigt auch Imre Pap, der seit mehr als zwei Jahren einen Wiener Betriebskindergarten leitet. Seither hat er bereits rund zehn Kolleginnen und Kollegen verloren, die aufgrund der Rahmenbedingungen den Kindergarten verlassen haben. „Wir können derzeit nur die Mindestanforderungen erfüllen, die an uns gestellt werden. Um qualitativ hochwertig arbeiten zu können, bräuchten wir um einiges mehr.“
Es ist nicht das erste Mal, dass das Kindergartenpersonal auf die Straße geht. Die letzte größere Demonstration fand vor rund einem Jahr statt. Damals auch gemeinsam mit den städtischen Wiener Kindergärten und der Freizeitpädagoginnen und -pädagogen der schulischen Nachmittagsbetreuung.
Seither habe es zwar Verbesserungen wie die Erhöhung der Assistenzstunden oder die Zusicherung von mehr Mitteln gegeben, sagte etwa GPA-Landesgeschäftsführer Mario Ferrari. „Aber das reicht nicht!“
Fehlende Wertschätzung
Rund 0,7 Prozent des BIP werden laut OECD-Studie in Österreich in die Elementarpädagogik investiert – damit liegt Österreich im internationalen Vergleich zurück. In Finnland beispielsweise werden rund 1,2 Prozent des BIP für die vorschulische Bildung ausgegeben.
Im Büro von Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr zeigt man auf KURIER-Anfrage Verständnis für die Anliegen der Protestierenden. Während die Stadt Wien jährlich mehr als eine Milliarde Euro in den Kindergartenbereich investiere, sei der Bund „jedoch bei vielen wichtigen Reformen und bei der Bereitstellung von mehr Mitteln für die Elementarpädagogik weiterhin säumig. Daher können wir die Anliegen, die sich ja an das zuständige Ministerium richten, gut nachvollziehen.“
Ein Wort, das an diesem Tag auf der Bühne und auch davor immer wieder fällt, ist Wertschätzung. Denn daran mangelt es sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik sehr, sind sich die Betroffenen einig. „Es liegt noch viel Zeit und Einsatz vor uns, dass sich das Bild unserer Arbeit ändert“, sagt Imre Pap.
Dafür wurde am Mittwoch ein wichtiges Zeichen gesetzt. Auch von der Bühne gab es Zuspruch: „Ihr seid ein toller aufständischer Haufen und schon lange keine braven Tanten mehr, die sich alles gefallen lassen.“
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