Kampf gegen Personalmangel: "Alle verdienen guten Kindergarten"

Kindergärten kämpfen mit Personalmangel
Zehn Forderungen an die Politik haben die Vertretungen der Kindergärten und Horte formuliert und eine Petition ins Leben gerufen. Anlass ist der Tag der Elementarbildung, der jedes Jahr am 24. Jänner begangen wird.
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Im Interview erläutert Susanna Haas, was sich im Kindergarten ändern muss. Haas ist pädagogische Leiterin der St. Nikolausstiftung, Mitglied des KURIER-Bildungsbeirats und Mitinitiatorin der Petition mit dem Titel "Elementare Bildung ist mehr wert".
KURIER: Frau Haas, wo brennt es in den Kindergärten derzeit am meisten?
Susanna Haas: Der Fachkräftemangel wird von den Kolleginnen und Kollegen am meisten gespürt – von den Kindern weniger, weil das Personal tagtäglich sein Bestes gibt, um ihnen eine gute Zeit zu ermöglichen. Allerdings ist das Problem nicht überall gleich groß, auch weil sich in manchen Bundesländern schon einiges zum Besseren verändert hat. Man merkt, dass den politisch Verantwortlichen bewusst ist, dass sich in den Kindergärten etwas ändern muss.
Welche Folgen haben die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern?
Pädagoginnen vergleichen die Bedingungen und wechseln dadurch häufiger ihre Arbeitsstelle. Die Gehaltsschemata unterscheiden sich nämlich von Bundesland zu Bundesland, von Träger zu Träger. Ebenso die Rahmenbedingungen: Die einen bekommen mehr Vorbereitungs- und Planungszeit anerkannt, die anderen haben längere Ferien etc. Nicht nur deshalb fordern wir hier eine bundesweite Vereinheitlichung, sondern auch eine Anpassung auf ein Niveau, welches den Aufgaben und der Verantwortung einer Kindergartenpädagogin entspricht.
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Würde eine Vereinheitlichung der Gehaltsschemata etc. reichen, um mehr Personal zu gewinnen?
Vermutlich nicht. Ein wahrer Turbo wäre wohl, wenn mehr Fachpersonal in den Gruppen wäre – also, dass auf neun Kinder, die drei Jahre oder älter sind, zumindest eine Pädagogin kommt. Das würde die Bedingungen so verbessern, dass mehr Pädagoginnen in den Beruf einsteigen und ausgebildetes Personal, das dem Kindergarten den Rücken gekehrt hat, wieder in den Beruf zurückkehrt. Kleinere Gruppen wären wichtig – doch das ist ein Projekt, das nicht so schnell umsetzbar ist, weil hier unzählige neue Gruppen eröffnet werden müssten.
Schon jetzt unterstützen Assistenzpädagoginnen die Kolleginnen in den Gruppen.
Ja, aber ihre Ausbildung ist österreichweit sehr unterschiedlich. Ebenso wie die Voraussetzungen, unter welchen sie eingestellt werden. Um die Qualität sicherzustellen, fordern wir für diese Kräfte bundesweit eine einheitliche formale Qualifikation, die eine pädagogische Grundausbildung garantiert.
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Das Kindergartenangebot wird in Österreich seit Jahren ausgebaut. Es müsste aber noch viel mehr verbessert werden, sagen Expertinnen und Experten. Immer noch haben die Einrichtungen für Elementarbildung mit Personalmangel und schlechten Rahmenbedingungen zu kämpfen.
Die 4,5 Milliarden Euro, die der Bund bis 2030 in die Elementarpädagogik investieren will, sind nicht genug, sagt Natascha Taslimi, Sprecherin des Netzwerks Elementarer Bildung Österreichs (Nebö).
Was empfohlen wird
Wissenschaftlich empfohlen werde eine Anzahl von drei bis sieben Kindern pro Fachkraft. Davon sei man in Österreich weit entfernt, kritisiert der Bildungsaktivist Daniel Landau. Hierzulande komme eine Pädagogin auf bis zu 25 Kinder. „Da geht es dann nur noch um Beaufsichtigen und den Schutz vor Verletzungen.“
Eine Gruppe von Kindergarteninitiativen – darunter Nebö und Educare – und Kindergartenträgern wie Caritas, Diakonie, St. Nikolausstiftung oder Kinderfreunden hat deshalb am Montag die Petition "Elementare Bildung ist mehr wert“ gestartet, die noch bis 18. März unterzeichnet werden kann. Das sind die zentralen Punkte:
- Bundesweit einheitliche Regelung: Die Elementarpädagogik soll in die Kompetenz des Bildungsministeriums eingegliedert, ein Gesetz zur Schaffung von einheitlichen Mindeststandards verabschiedet werden.
- Kostenlose und ganztägige Betreuung: Sämtliche elementare Bildungseinrichtungen sollen kostenlos und ganztägig angeboten werden.
- Mehr Personal, kleinere Gruppen: Nicht das Geld soll den Betreuungsschlüssel bestimmen, sondern wissenschaftliche Standards.
- Bessere Ausbildung der Lehrkräfte: Die Ausbildung der Lehrkräfte soll verbessert werden, es soll mehr akademische Ausbildungen geben und höhere Mindeststandards für Assistenzkräfte.
- Österreichweites Gehaltsschema: Die Bezahlung des Personals soll fair und bundesweit einheitlich sein.
Mehr zur Petition unter kindergartenbraucht.at
Thema Ausbildung: Viele meinen, dass Elementarpädagogik eine Hochschulausbildung sein soll.
Es ist gut, dass es im Elementarbereich mittlerweile eine Vielzahl von Ausbildungen im tertiären Bereich gibt. Neben der fünfjährigen Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (BAfEP), die mit der Matura abschließt, oder dem Kolleg kann man auch an den Pädagogischen Hochschulen, den Fachhochschulen und den Universitäten eine elementarpädagogische Ausbildung abschließen. Wichtig bleibt, dass die Ausbildungen weiterhin viel Praxisbezug haben.
Aber sind Ausbildungen auf Hochschulniveau tatsächlich sinnvoll und nötig?
Die BAfEP und vor allem auch das Kolleg sind zwar eine gute Ausbildungsform, um eine solide pädagogische Grundausbildung zu erhalten. Aber wir brauchen auch Fachpersonal, das über die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse Bescheid weiß, diese selbst erforscht hat und dadurch in die eigene Arbeit integrieren kann. Das ist nötig, denn die Anforderungen werden immer komplexer: Mehrsprachigkeit, Kinderschutz oder auch ganz aktuelle Themen, die Kinder und deren Familien in den Kindergarten mitbringen, wie Flucht- oder Kriegserfahrungen.
Gibt es noch ein Thema, das Ihnen am Herzen liegt?
Ja, die österreichweite Unterstützung der Petition "Elementare Bildung ist mehr wert". Der Kindergarten ist zumeist die erste Bildungseinrichtung, die ein Kind besucht. Hier werden alle Basiskompetenzen der Kinder gestärkt, die sie in der Schule und in ihrem weiteren Leben benötigen. Alle Kinder haben einen guten Kindergarten verdient – einen, in dem sie professionell in ihrer Entwicklung begleitet werden, damit sie gesund und gut die nächsten Schritte in ihrer Bildungslaufbahn gehen können.
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