Suche nach Patient 0 stellt Behörden auf eine harte Probe
Vor genau zehn Tagen hat das Coronavirus Österreich erreicht. Wie erwartet, wurde die Krankheit aus Italien eingeschleppt. Die Zahl der Infizierten steigt täglich an. Aktuell sind es 29, bei sechs Kranken ist derzeit unklar, wo sie sich angesteckt haben.
Die Einschätzung der Lage ist schwierig. Denn mit der Zahl der Erkrankten steigt auch jene der Studien und Untersuchungen, die präsentiert werden: An einem Tag heißt es, das Virus sei weniger gefährlich als die Grippe. Am nächsten Tag wird es als zehn Mal so tödlich wie Influenza eingestuft. Die sich laufend ändernde wissenschaftliche Faktenlage macht es den Behörden schwer, richtig zu handeln. In Österreich ging man von Anfang an weitaus weniger rigoros gegen das Virus vor als in den Nachbarländern.
Österreich blieb „cool“
Erst an Tag acht, als es schon 18 Infizierte gab, zog man Absagen größerer Events in Erwägung. In der Schweiz und in Deutschland waren solche Maßnahmen weitaus früher gesetzt worden. Am Beginn der Krise hätte auch das Kommunikationsmanagement zwischen Bund und Ländern besser laufen können.
Der Drang vieler Politiker, sich medial zu inszenieren, sorgte in der Bevölkerung nicht gerade für das Gefühl, dass man alles im Griff hat. Jedes Bundesland hatte eine eigene Vorgangsweise. Während man etwa in Salzburg bei einem Virusverdacht daheim getestet wurde, musste man in anderen Ländern vorerst ins Spital gebracht werden.
Besonders kritisch zu betrachten ist die Suche nach dem Patienten 0 in Wien. Der erste Infizierte in der Bundeshauptstadt – ein 72-jähriger Wiener Anwalt – lag bereits zehn Tage wegen einer vermeintlichen Grippe in der Wiener Rudolfstiftung, bevor das Virus diagnostiziert wurde. Dass das überhaupt passierte, ist den Vorsichtsmaßnahmen der Stadt Wien zu verdanken.
Als Teile Italiens am 22. Februar zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde, ordnete die Wiener Gesundheitsbehörde nämlich an, alle stationär aufgenommenen Patienten, die typische Symptome zeigen – also etwa Grippepatienten – vorsorglich auf Covid-19 zu testen. Damit hat die Stadt alles richtig gemacht.
Die weitere „Bearbeitung“ des Falles ist zumindest hinterfragenswert. Am Dienstag wurde bekannt, dass drei Juristen aus der Kanzlei des Mannes auch infiziert sind. Sie haben sich aber nicht bei ihm angesteckt. Sie waren nach Bekanntwerden seiner Infektion aber auch nicht vorsorglich getestet worden.
Privater Test als Spur
Warum? Weil der 72-Jährige den Behörden mitgeteilt hatte, dass er mehr als zwei Wochen lang – das ist die derzeit von der WHO definierte Inkubationszeit – nicht mehr in der Kanzlei gewesen sei, betont die Stadt. Er soll zudem erklärt haben, dass er in diesem Zeitraum auch keinen Kontakt mit Mitarbeitern hatte – weshalb die Behörde ausschloss, dass es dort zu Ansteckungen kam.
Die positiven Tests der anderen Juristen sind Resultat der privaten und selbst finanzierten Tests der Kanzlei. Erst sie könnten die Behörden auf die Spur des ursprünglichen Infektionsträger bringen. Auf der anderen Seite ließ das Wiener Gesundheitsamt 181 Mitarbeiter der Rudolfstiftung testen, obwohl nur 90 von ihnen mit dem Anwalt Kontakt hatten. Hier argumentiert die Stadt, dass es sich bei einem Spital um eine kritische Einrichtung handelt, bei der man mehr Vorsicht walten lassen muss.
Das weitere Vorgehen bei der Suche nach Patient 0 wird zeigen, wie gut die Behörden arbeiten. Die Kollegen der Juristen aus demselben Stockwerk sind jedenfalls angewiesen zu Hause zu bleiben.
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